Eine Anhörung der Grünen-Fraktion zeigt: die Mitsprache der Zivilgesellschaft ist entscheidend für den Erfolg beim Ausbau der Infrastruktur.

Stuttgart - Nach der Schlichtung zu Stuttgart 21 waren sich alle einig gewesen: die Bürger müssen bei Großprojekten stärker beteiligt werden. Das bedeutet erstens, dass sie früher nach ihrer Meinung gefragt werden, und zweitens, dass sie nicht nur Einsprüche einlegen dürfen, sondern auch eigene Vorschläge einreichen können. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) legte ein Siebenpunkteprogramm vor, in dem sich die Idee einer "möglichst frühzeitigen und umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung einschließlich der Diskussion von Alternativentwürfen noch vor dem Planfeststellungsverfahren" findet.

In einer Anhörung der Grünen-Landtagsfraktion zum Thema Bürgerbeteiligung sagte deren Vorsitzender Winfried Kretschmann, die Zivilgesellschaft stehe vor einer Weggabelung. Entweder sie finde zu mehr Bürgerbeteiligung, oder sie werde sich weiter polarisieren und fragmentieren. Es gelte, "neue Formate" der Bürgerbeteiligung zu entwickeln. Das ist gut gebrüllt. Doch wie sieht das dann in der Praxis aus? Eine Möglichkeit sind Mediationsverfahren, die zwischen den widerstreitenden Interessen vermitteln. Ein solches hatte etwa der frühere hessische Ministerpräsident Hand Eichel (SPD) für den Bau einer vierten Start-und-Lande-Bahn am Frankfurter Flughafen angeschoben. Beteiligt war die Kommunikationsberatung Ifok, deren Geschäftsführer Henning von Banthien bei der Anhörung auf eine möglichst frühzeitige Beteiligung der Bürger bestand. Bis jetzt sei das meist ganz anders: "80 Prozent der Kommunikation setzen dann ein, wenn alles schon beschlossen ist." Allerdings gebe es auch Grenzen der Vermittlungsverfahren. Sie dürften nicht zur Abwertung der parlamentarischen Prozesse führen. Außerdem müsse verhindert werden, "dass nur der Wohlstandsbauch debattiert". Banthien beklagte "unklare Schnittstellen" zwischen dem formellen und dem informellen Verfahren.

Bevorzugt wird eine "Mischform"


Überraschenderweise empfahl der Berliner Verwaltungsrechtsexperte Hartmut Gaßner, die Verrechtlichung des Verfahrens nicht weiter voranzutreiben. "Ich warne eindringlich vor starker formeller Integration." Wenn man einer Mediation eine zu hohe Förmlichkeit zuweise, "kommt man vom Hundertsten ins Tausendste". Er bevorzugt eine "Mischform". Schon vor dem Erörterungstermin, der auf die Auslegung der Pläne folgt, solle ein "Zwangspunkt" gesetzt werden, bei dem "mediationsähnliche Elemente" ansetzen. Insgesamt sieht er in der Verfahrenskette fünf Stationen, an denen Bürgerbeteiligung zur Geltung kommen könnte - beginnend mit dem Planungsantrag bis unmittelbar vor die Auftragsvergabe. Im Entwurf des Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) für ein Planungsvereinheitlichungsgesetz wird allerdings der entgegengesetzte Weg eingeschlagen. Dort kann sogar auf den Erörterungstermin verzichtet werden, "wenn Vorhaben erkennbar aus sachfremden Erwägungen kategorisch abgelehnt werden".

Eine hohe Akzeptanz finden Großprojekte, wenn sie über Volksabstimmungen legitimiert werden. Das berichtete Ueli Stückelberger vom Schweizer Bundesamt für Verkehr. Seine Erfahrungen zeigen, dass sich die Behörden bei der Planung flexibel zeigen sollten. "Man muss in Varianten denken und auch einmal bereit sein, nur die zweitbeste Variante zu realisieren."