Wohnungsgenossenschaften waren einige Jahre aus der Mode gekommen. Mit dem Drang der Menschen in die Städte erlebt der dritte Wohnungsmarkt eine Renaissance.

Der Mann, der da im Treppenhaus steht und die Miete in bar einfordert, hat mit seinem Filzhut und seinem dunklen Umhang etwas Bedrohliches an sich. - Mit dem Kurzthriller 'Miete in bar' wollen die Wohnungsbaugenossenschaften in Stuttgart vor allem Kinobesucher auf die 'Vorzüge des genossenschaftlichen Wohnens aufmerksam machen'. Wohnen in der Genossenschaft? Ist das nicht etwas aus dem zurückliegenden Jahrhundert? Einer, der es wissen muss, ist Klaus-Dieter Kadner. Der geschäftsführende Vorstand der Baugenossenschaft Feuerbach-Weilimdorf ist seit über 30 Jahren im Metier und erklärt: 'Wohnungsbaugenossenschaften haben seit über 100 Jahren die Aufgabe, ihre Mitglieder mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen.' Doch auch das Genossenschaftswesen ist im Wandel. Neben dem Eigentum und dem Mietmarkt wird es auch als dritte Art des Wohnungsmarktes bezeichnet.

 

Das merkt man auch an den Ansprüchen: Die Wohnung muss zeitgemäß sein, also hell, keine Einzelöfen, ein passendes Umfeld und Standards bieten wie etwa Multimediaanschluss und Hausmeisterservice. 'Mieter wollen im Winter nicht mehr jeden Morgen um sieben aufstehen und Schnee schippen müssen, nur weil sie Kehrwoche haben', ist die Erfahrung von Kadner. Nicht nur das war noch vor 30 Jahren ganz anders. 'Früher', erinnert sich Kadner, 'mussten die Wohnungssuchenden erst Mitglied in der Baugenossenschaft werden, wo sie sich dann in eine Warteliste eintrugen, die dann abgearbeitet wurde.' Das mache man schon lange nicht mehr. 'Auch durch das Internet ist der Wohnungsmarkt viel flexibler geworden.' Niemand bewerbe sich heutzutage nur bei einer Baugenossenschaft. Und: wenn das Passende nicht dabei ist, werde weitergesucht.

"Wir wollen nicht vom Staat gezwungen werden"

Deshalb dürften sich auch die Genossenschaften nicht auf den Sentimentalitäten der Vergangenheit ausruhen. 'Der Kinofilm ist ein Weg, auf die Vorzüge des genossenschaftlichen Wohnens aufmerksam zu machen', sagt Kadner, der auch der Marketinginitiative der 15 Wohnungsgenossenschaften in der Landeshauptstadt vorsteht. Noch ist das durchschnittliche Alter der Bewohner in den Wohnbaugenossenschaften zwischen 50 und 60 Jahren. Aber auch hier macht sich der demografische Wandel bemerkbar. 'Wir haben uns frühzeitig darauf eingestellt und versuchen, so weit es auch in Altbauten möglich ist, die natürlichen Barrieren zu reduzieren. 'Das wollen wir aber freiwillig machen und nicht vom Staat dazu gezwungen werden', kritisiert Klaus-Dieter Kadner mit Blick auf die Novellierung der Landesbauordnung. Natürlich spüren auch die Baugenossenschaften den Druck auf den Wohnungsmarkt in den Großstädten durch eine erhöhte Nachfrage. Von einer Wohnungsnot in Stuttgart will Kadner aber nicht sprechen.

Der Wohnungsmarkt ist aus seiner Sicht eher sehr angespannt, vor allem im preisgünstigen Segment. Doch: 'Die Menschen sind bei der Wohnungssuche heute viel flexibler als früher', ist seine Erfahrung. Wer in der Landeshauptstadt nichts Geeignetes findet, weicht auch schon mal auf die benachbarten Landkreise aus. Und wer in Möhringen nichts finde, zieht vielleicht nach Zuffenhausen. 'Die Nachfrage nach genossenschaftlichem Wohnen war schon immer stark', erinnert er sich an seine Anfänge in Feuerbach. Zwischen 200 und 300 Anfragen erhält allein die Baugenossenschaft Feuerbach-Weilimdorf, wenn sie länger als ein paar Tage ein günstiges Wohnungsmietangebot im Internet präsentiert. 'Preisgünstig heißt hier im unteren Bereich des Stuttgarter Mietspiegels. Da sind natürlich auch viele dabei, die sich blind bewerben', relativiert Kadner die hohe Zahl der Bewerbungen um eine Wohnung. Trotzdem wird jede Anfrage ernst genommen. 'Unsere Mitarbeiter sichten die Anfragen und überlegen sich sehr genau, welche Mieter am besten zum bestehenden Mieterkreis passen.'

Der Mieter muss Mitglied werden

Dann werden zwischen sechs und acht Bewerber ausgewählt und ein Besichtigungstermin vereinbart. Wird man sich einig, muss der künftige Mieter noch Mitglied in der Genossenschaft werden, wenn er es nicht sowieso schon ist. So steht es in der Satzung. Mitglied wird man, indem man Anteile der jeweiligen Wohnbaugenossenschaft zeichnet. In Feuerbach werden derzeit 1600 Euro fällig. 'Dafür muss der Mieter bei uns keine Kaution zahlen', relativiert Kadner. Mit diesem Geld finanzieren die Wohnungsbaugenossenschaften unter anderem Modernisierungen, Sanierungen, notwendige Reparaturen, stecken es aber auch immer wieder in neue Wohnbauprojekte, sofern es geeignete Grundstücke gibt.

Doch die seien in er Landeshauptstadt rar oder rechneten sich nicht. In letzter Zeit habe man in der Landeshauptstadt aber nur im Bestand investiert. Etwa in Dachausbauten oder es wurden Altbauten durch Neubauten ersetzt. 'Deshalb waren wir bei unseren Projekten auch nicht auf die Stadt angewiesen', sagt Kadner diplomatisch. Um die Zukunft der Wohnungsbaugenossenschaften in Stuttgart macht sich Klaus-Dieter Kadner keine Sorgen. Diese hätten sich durch ihr Geschäftsmodell auf die Erfordernisse des Wohnungsmarktes längst eingestellt.