Die SPD will die Arbeitgeber wieder an den Kostensteigerungen der gesetzlichen Krankenkassen beteiligten. Doch das Staatsministerium legt sich quer: Ministerpräsident Kretschmann fürchtet um sein Image als Wirtschaftsfreund.

Stuttgart - Auf dem Landesparteitag im Spätherbst 2014 hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Grünen als die neue Wirtschaftspartei ausgerufen. Was zunächst recht vollmundig und nach bloßer Rhetorik klang, kann jedoch durchaus Folgen haben. Das zeigte sich dieser Tage in einem koalitionsinternen Streit über die Rückkehr zur gleichmäßigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Beschäftigten und deren Brotherren.

 

Dies verlangen jedenfalls Wirtschaftsminister Nils Schmid und Sozialministerin Katrin Altpeter, zwei Sozialdemokraten, die sich mit dahinschmelzenden Umfragewerten für ihre Partei konfrontiert sehen und bedacht sind, den Markenkern der SPD zu pflegen. Und der liegt respektive lag einmal in der Sozialpolitik. Die beiden Minister unterstützen deshalb mit Verve eine Initiative der rot-grün geführten Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hamburg.

Der Vorstoß zielt darauf ab, „die vollständige paritätische Finanzierung von Krankenversicherungsbeiträgen wiederherzustellen“. Die Bundesregierung möge einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Der Stuttgarter Zeitung sagte Wirtschaftsminister Schmid: „Es kann nicht sein, dass Kostensteigerungen im Gesundheitswesen allein von den Arbeitnehmern getragen werden müssen. Für die SPD steht deshalb fest: die Rückkehr zur solidarischen und paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist überfällig.“

Der Staatssekretär legt sich quer

Das sieht das Staatsministerium jedoch ganz anders. In der vergangenen Wochen nahm Staatssekretär Klaus-Peter Murawski (Grüne) in der Vorkonferenz der Amtschefs der Ministerien das Thema von der Tagesordnung des Kabinetts. Ein Regierungssprecher bestätigte den Vorgang. Murawski habe auf die zusätzlichen Belastungen verwiesen, die den Arbeitgebern, aber auch dem öffentlichen Dienst entstünden.

Bei den Genossen stößt diese Entscheidung auf Unverständnis, zum Teil auch auf Empörung. Für sie ist es kaum vorstellbar, den Antrag aus Rheinland-Pfalz und Hamburg im Bundesrat mit einer Enthaltung zu quittieren. Enthaltungen wirken in der Länderkammer wie ein Nein. Sie sind aber üblich, wenn sich die Koalitionäre in einer Landesregierung nicht einig sind.

Die SPD verweist auf die Grünen-Bundestagsfraktion, die erst vor wenigen Tagen für eine Rückkehr zur Parität plädierte. Die Grünen-Fraktion in Berlin rechnet mit einem erheblichen Anstieg der Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung. „Die größeren Lasten müssten durch die steigenden Zusatzbeiträge allein von den Versicherten aufgebracht werden“, heißt es in dem Antrag der Grünen. Nötig sei eine faire Lastenteilung.

SPD verlangt Luft zum Atmen

Der SPD geht es auch um eine faire Chancenverteilung in eigener Sache. Regierungschef Kretschmann sei ohne SPD nicht im Amt zu halten, argumentieren die Sozialdemokraten. Und fügen hinzu: „Wir brauchen Luft zum Atmen.“

Ein Grundprinzip der Sozialversicherung liegt in deren gemeinsamen Finanzierung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber. In der gesetzlichen Krankenversicherung gilt Grundsatz der Parität nicht mehr. Erste Brüche im System gab es bereits im Jahr 2005. Unter Schwarz-Gelb im Bund wurde der Arbeitgeberanteil faktisch auf 7,3 Prozent eingefroren. Seit Anfang 2015 gilt ein allgemeiner Beitragssatz von 14,6 Prozent, der von Beschäftigten und Arbeitgebern paritätisch finanziert wird.

Sofern die Kassen damit nicht auskommen, können sie von den Mitgliedern einen Zusatzbeitrag erheben. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag lag im vergangenen Jahr bei 0,9 Prozent, der durchschnittliche Beitragssatz bei 15,5 Prozent. Im Ergebnis entfielen auf die Arbeitgeber 7,3 Prozent, auf die Arbeitnehmer 8,2 Prozent.