Diese Ungewissheiten öffnen den Kritikern viele Türen. Doch wer jetzt auf den grünen Verkehrsminister und auf den OB zeigt, sollte bedenken, dass es zuvor eine jahrelange Untätigkeit von CDU-FDP-Regierungen gab, sagt Redakteur Thomas Durchdenwald.

Stuttgart - Manch einer kann es nicht mehr hören: Feinstaubalarm. Nimmt man die Periode seit Jahresbeginn zum Maßstab, dann ist die Alarmzeit in Stuttgart längst Alltag. Bis Mitte Februar gab es 29 Tage mit Feinstaubalarm. Wie im Alltag verhält sich auch das Gros der Autofahrer: Der Appell, freiwillig auf das Auto zu verzichten, verpufft. In der nächsten Woche wird wohl der 35. Überschreitungstag beim Feinstaub registriert. Das ist die Grenze, die während eines ganzen Jahres nicht erreicht werden sollte.

 

Man kann das ignorieren, wie es jene tun, die beispielsweise die vielfach belegten Gesundheitsgefahren durch die hohen Feinstaub- und Stickoxidwerte leugnen. Man kann das dramatisieren wie jene, die nicht anerkennen, dass es in den vergangenen Jahren Fortschritte im Kampf für eine saubere Luft gegeben hat und dass eine ungewöhnliche Witterung die Lage momentan verschärft. Und man kann – drittens – versuchen, auf die Situation zu reagieren.

Verkehrsbeschränkungen nur an Feinstaubtagen

Nach Jahren mutloser Untätigkeit der Politik und dem gescheiterten Versuch, auf freiwilliger Basis Verbesserungen zu erreichen, muss die grün-schwarze Landesregierung handeln, will sie eine Blamage vor Gericht verhindern. Auch wenn ein heftiges Tauziehen zwischen Grünen und CDU voranging und die Vertreter des Verkehrsministeriums in einigen Punkten bis zuletzt einem verwirrenden Zickzackkurs folgten, geht das, was jetzt geplant ist und am Dienstag vom Kabinett abgenickt wurde, in die richtige Richtung.

Die Verkehrsbeschränkungen konzentrieren sich auf Feinstaubalarmtage, an denen zu hohe Schadstoffwerte drohen. Sie gelten zunächst nicht für ganz Stuttgart, sondern nur für die hoch belasteten Zonen im Kessel und in einigen Bezirken. Sie betreffen die Dieselfahrzeuge, die die Umwelt besonders belasten. Gewiss: Abgase machen nur einen geringen Anteil der Feinstaubbelastung aus, der Autoverkehr mit Abrieb bei Reifen und Bremsen aber einen großen. Insofern muss die Zahl der Autos reduziert werden. Dann jene herauszugreifen, die für die hohen Stickoxidwerte – laut Experten das größere Umweltproblem – mitverantwortlich sind, ist konsequent. Zudem sind viele Ausnahmen für den Wirtschaftsverkehr vorgesehen. Trotz einiger Härten ist das Konzept aber insgesamt moderat. Auch bei der Einführung des Katalysators und der Roten, Gelben und Grünen Plaketten wurde der Untergang des automobilen Abendlands beschworen. Dann ging es doch relativ problemlos ab.

Es gibt noch viele ungeklärte Fragen

Dennoch sind viele Fragen offen. Wird das Fahrverbot durch die Blaue Plakette geregelt? Davon ließ sich nach einigem Zögern auch der schwarze Teil der Landesregierung überzeugen, auf Bundesebene aber scheint das schwer durchsetzbar. Muss sich die Stadt mit einem neuen Zusatzschild behelfen? Wie wird kontrolliert? Wie reagieren die Gerichte, vor denen sich Land und Stadt zu wirksamen Maßnahmen verpflichtet haben? Und es gehört auch zur Wahrheit, dass es zwar belastbare Berechnungen gibt, wie sich die Schadstoffe verringern, aber niemand mit letzter Sicherheit weiß, ob dies auch so eintreten wird.

Diese Ungewissheiten öffnen den Kritikern viele Türen. Doch wer jetzt auf den grünen Verkehrsminister und auf den OB zeigt, sollte bedenken, dass es zuvor eine jahrelange Untätigkeit von CDU-FDP-Regierungen gab. Und manches wäre nicht so schlimm, wenn die Autoindustrie Dieselautos gebaut hätte, die nicht nur auf dem Prüfstand Saubermänner sind. All jene, die sich allein wegen des Wortes Feinstaubalarm Sorgen ums Renommee Stuttgarts machen, sollten sich überlegen, wie groß der Imagegewinn wäre, wenn es gelänge, die Grenzwerte einzuhalten. Auf freiwilliger Basis ist das in der Autostadt Stuttgart, auch das ist eine bittere Wahrheit für unsere Gesellschaft, jedenfalls nicht gelungen.