Begrünte Gebäude machen nicht nur optisch was her, sondern sie sind auch gut fürs Stadtklima. An der Uni ist über das Thema Baubotanik diskutiert worden.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

S-Mitte - An den einen oder anderen Pflanztrog denken Städteplaner durchaus, wenn es um die Bebauung neuer Stadtquartiere geht. Doch für mehr als ein paar kümmerliche Alibi-Bäumchen fehlen in der architektonischen Praxis oft genug nicht nur der Platz und das Geld, sondern auch der Blick. Abgesehen von ein paar per Bauverordnung begrünten Flachdächern, sind umgesetzte Beispiele für die bewusste Einbettung von Pflanzen in ein bauliches Konzept vergleichsweise dünn gesät.

 

Das Institut für Landschaftsplanung und Ökologie an der Universität Stuttgart hat deshalb jetzt mit einem Symposium versucht, den Gedanken an eine Grüne Architektur ein Stück weit aus dem Dornröschenschlaf zu holen. Denn obwohl bei Planern wie bei Bürgern in der Theorie mittlerweile durchaus anerkannt ist, dass sich Baubotanik aufs Klima in der Stadt ebenso positiv auswirken kann wie auf die urbane Lebensqualität der Bevölkerung, hapert es an der konkreten Verwirklichung.

Grün am Bau ist Forschungsobjekt

„Diverse Begrünungstechniken sind seit Jahren bekannt und in ihrer Wirkung auch wissenschaftlich untersucht. Dennoch ist die gebaute Realität oft eine andere“, bringt es die Stuttgarter Professorin Antje Stokman auf den Punkt. Aus ihrer Sicht fehlt es an baulichen Vorbildern, die grüne Architektur nicht nur sichtbar machen, sondern auch gewinnbringend einsetzen. „Es braucht Pilotprojekte, bei denen eine Algen-Fassade oder ein Regenwasser-Konzept nicht nur ein hübsches Add-on darstellt, auf das nach dem Motto ‚Wenn’s stirbt, ist’s auch egal‘ auch gut verzichtet werden kann“, sagt sie.

Vom nötigen Mut, mit frischem Grün mehr als nur ein optisches Gegengewicht zu grauem Beton zu setzen, ist bisher in der steinernen Wirklichkeit moderner Stadtlandschaften nicht viel zu sehen. Selbst bei Projekten mit Prestigefaktor wie den neuen Stuttgarter Einkaufstempeln oder den baulich durchaus mit Extravaganz glänzenden Bürokomplexen hinter dem Hauptbahnhof spielt grüne Infrastruktur allenfalls eine untergeordnete Rolle. Es dominieren Glas und Stein, für bepflanzte Fassaden oder gar den Einsatz ökologischer Technik reichte es weder beim Bau von Bankzentralen noch der wie in Stein gemeißelt stehenden Stadtbibliothek.

Für Roland Huber vom Stuttgarter Projektentwickler Drees und Sommer liegt der Nachholbedarf durchaus an den öffentlichen Auftraggebern. „Das große Manko ist, dass es zu wenig gebaute Beispiele gibt – es braucht eben immer jemand, der ein Thema anschiebt“, berichtete er aus seiner Erfahrung als Berater. Bei der Entwicklung etwa von durch den Abzug der US-Armee frei werdenden Konversionsflächen habe zwar die Qualität der Freiraumplanung inzwischen einen hohen Stellenwert. Beim Gebäude selbst liege der Fokus aber eindeutig auf dem Thema Energie, die Begrünung von Fassaden oder gar Innenräumen spiele in den meisten Konzepten bisher keine entscheidende Rolle.

Allenfalls zehn Prozent der Dächer werden begrünt

Tatsächlich werden nach wie vor allenfalls zehn Prozent der neu entstehenden Dachflächen begrünt, trotz Fördergeldern und behördlicher Verpflichtungen tritt der Markt mit bundesweit etwa acht Millionen Quadratmeter seit Jahren auf der Stelle. Stuttgart hat bekanntlich ein Zuschuss-programm aufgelegt, um vor allem die Besitzer von Bestandsgebäuden zu einer Begrünung zu ermuntern. Bis zu 10 000 Euro Fördergeld können abgeschöpft werden, um Höfe zu entsiegeln und Dächer und Fassaden zu bepflanzen. Laut Alexander Schmid vom Rathaus sind die ersten Projekte bereits umgesetzt. „Mit den positiven Effekten für Staub, Hitzesteuerung und das ästhetische Empfinden stimmt die Kosten-Nutzen-Rechnung“, stellt er fest.

Die Expertin Brigitte Reichmann von der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hält von einer Anschubfinanzierung durch öffentliche Zuschüsse allerdings herzlich wenig. „Ich würde da gar nicht mehr diskutieren, das wird einfach Pflicht und fertig“, sagt sie. Einen Schub für das Thema erhofft sich Reichmann durch einen großen Kongress, der 2017 in Berlin zur Begrünung stattfinden soll. Zur Sprache brachte sie aber auch Schattenseiten wie den Pflegeaufwand – auf einem Schuldach habe sie schon zwei Meter hohe Birken gesehen, weil der Rückschnitt aus dem Blick geraten sei.