Das Thema Gerechtigkeit sollte nach Ansicht führender Grünen-Vertreter im Land ein zentraler Baustein des Bundestagswahlkampfs werden. Doch manche verstehen das keinesfalls finanzpolitisch.

Stuttgart - Eigentlich müssten die Grünen ja gewarnt sein: Ihre Steuerkampagne im Bundestagswahlkampf 2013 ist ihnen nicht gut bekommen. Das magere Ergebnis von 8,4 Prozent im Bund und elf Prozent im Land hat auch mit der Angst vieler Wähler vor höheren Abgaben zu tun. Und doch treibt nichts die Partei derzeit mehr um als das Thema Gerechtigkeit – auch in steuerpolitischer Hinsicht. Vor wenigen Wochen haben sie dieser Frage in Berlin einen eigenen Kongress gewidmet („Es ist genug für alle da“), und im November soll ein Parteitag in Münster die Weichen für die Bundestagswahl 2017 stellen.

 

Auf Bundesebene hat die Debatte darüber bereits vor Monaten Fahrt aufgenommen, als Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter die Wiedereinführung der Vermögensteuer gefordert hatte. Nun gewinnt die Diskussion auch im Südwesten an Dynamik. „Vermögen werden nur geringfügig, die Durchschnittseinkommen aber sehr hoch belastet“, sagt etwa Baden-Württembergs Grünen-Chef Oliver Hildenbrand unserer Zeitung. Da seien „maßvolle Korrekturen“ notwendig.

Vermögensteuer umstritten

Auch mehrere Bundestagsabgeordnete glauben, dass die steuerliche Belastung der Bürger Schlagseite hat: „Wir sind der Meinung, dass man bei der Besteuerung von sehr hohe Vermögen nochmals genauer hinschauen muss“, sagt Fraktionsvize Kerstin Andreae. Es gehe ihr nicht um mehr Einnahmen, sondern um mehr Gerechtigkeit. Dies bedeute, dass die einen dann eben mehr, die anderen aber weniger zu zahlen hätten.

Ob die Partei damit im Wahlkampf eine Vermögensteuer fordern soll, ist allerdings umstritten. Während Andreae dies aus wirtschaftspolitischen Gründen ablehnt, plädiert ihr Tübinger Fraktionskollege Chris Kühn dafür, dass die Länder mit dieser „Millionärsteuer“ den Bau von Wohnungen zu finanzieren: „Die Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts wird sich auch daran entscheiden, ob es uns gelingt, ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“ Für die Finanzierung könnte die Vermögensteuer ein Baustein sein.

Jeder sehe doch, dass der soziale Zusammenhalt in den letzten Jahre erheblich gelitten habe, auch weil die Mittelschicht immer mehr schrumpfe, sagt der frühere Landesvorsitzende. Die Grünen sollten also seiner Meinung nach bis zum Parteitag im November eine offene Debatte führen – dann aber geschlossen hinter den Beschlüssen stehen.

Auch der finanzpolitische Sprecher der  Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, fordert: „Wir müssen da was tun.“ Die Erbschaftsteuer habe die große Vermögensungleichheit bisher jedenfalls nicht korrigieren können, und die Vermögensteuer werde aktuell nicht mehr erhoben. Wenn Vermögen aber zu stark konzentriert seien, mache dies eine Volkswirtschaft auch instabil.

Schick will Prioritäten setzen

Tappen die Grünen damit nicht in dieselbe Falle wie im Wahlkampf 2013? Nicht die Forderung nach einer Vermögensteuer sei damals das Problem gewesen, sondern die Vielzahl der steuerpolitischen Vorschläge, glaubt der Mannheimer Bundestagsabgeordnete. Gerhard Schick: „Da sind die Botschaften durcheinandergekommen.“ Die Grünen seien sich nun einig, dass sie klarere Prioritäten auf wenige Instrumente setzen müssten, anstatt sich zu verzetteln. „Aber das Thema Gerechtigkeit gehört für Grünen-Wähler eindeutig dazu“, erklärt Gerhard Schick.

Ob damit das Drehen an Steuerschrauben verbunden ist, muss sich aber erst noch erweisen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält sich in der aktuellen Steuerdebatte jedenfalls weitgehend zurück. Die Vorhaltungen der Wirtschaft wegen des steuerpolitischen Kurses der Bundespartei vom Bundestagswahlkampf 2013 werden ihm noch recht gut in Erinnerung sein.

Teilhabe schlägt Steuerpolitik

Sein Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Andreas Schwarz, macht schon jetzt keinen großen Hehl daraus, dass er andere als steuerliche Prioritäten setzt, wenn es um das Thema Gerechtigkeit geht: „Wir Grünen sollten auch die Teilhabegerechtigkeit und die Generationengerechtigkeit im Auge haben“, sagt Andreas Schwarz. Mit Teilhabegerechtigkeit meint der Fraktionschef, dass „jeder die Chance zum Erfolg“ haben soll. Starke Familien, mehr Ganztagsschulen, frühkindliche Bildung – das sind die Themen, denen der Grünen-Politiker mehr Strahlkraft beimisst als der Steuerpolitik: „Damit haben wir in Baden-Württemberg gute Erfahrungen gemacht.“

Generationengerechtigkeit wiederum bedeute, dass auch die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit ein zentrales Anliegen im Bundestagswahlkampf werden. Zur finanziellen Gerechtigkeit gehört auch, dass der Bund und die Länder keine neuen Schulden mehr machten und nicht immer auf Pump leben. Ob die Grünen im Land also auf die steuerpolitischen Forderungen einschwenken, ist noch keineswegs ausgemacht.