Martin Selje hat die Ehrennadel des Landes bekommen. Wäre sie nicht von einem grünen Ministerpräsident abgesandt worden, hätte er sie vielleicht gar nicht angenommen. Seinen Bezirksbeirats-Job hat er aufgegeben, doch er bleibt Ortsvereins-Sprecher.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Birkach/Plieningen - Martin Selje hat sich für die Kirche entschieden. „Ich halte nichts von Ämterhäufungen“, sagt der 66-jährige Mann aus dem Steckfeld. Und deshalb hat der Grüne seinen Job als Stellvertreter im Plieninger Bezirksbeirat aufgegeben. Er braucht seine Energie für den Kirchengemeinderat Plieningen-Hohenheim. Der Turm der Martinskirche wird im nächsten Jahr saniert, „da stehen ein paar wichtige Entscheidungen an“, sagt er.

 

Bei einem anderen hätte er die Nadel wohl abgelehnt

Den Abschied nach mehr als einem Jahrzehnt im lokalpolitischen Gremium nahm der Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum Anlass, um Martin Selje eine Ehrennadel zukommen zu lassen. Der Geehrte nimmt den silbernen Ansteckschmuck gelassen hin. Er witzelt sogar darüber. Gefallen habe ihm daran eigentlich nur eines: dass der Absender der Nadel ein grüner Ministerpräsident sei. „Das ist mir eine besondere Ehre“, sagt Selje. „Ich weiß nicht, ob ich sie von jemand anderem überhaupt angenommen hätte.“ Warum auch? „Ich habe das ja nicht gemacht, damit ich eine Ehrennadel kriege.“

Er hat sich im Bezirksbeirat engagiert, weil er sich schon immer irgendwo engagiert hat. Eben in der Kirchengemeinde ums Eck oder im Ortsverein der Grünen, dessen Sprecher er ist. Und 1998 hat er einen Solarverein gegründet, der den Leuten mit Rat und Tat zur Seite stand. Der Verein war es, der drei Solaranlagen auf die Steckfeldkirche und eine aufs Dach des Paracelsus-Gymnasiums brachte. 2005 war Schluss, „das Ganze ist mir über den Kopf gewachsen“, sagt Selje. „Und das Thema war irgendwie auch durch.“

Er wird wohl noch mit 70 arbeiten

Martin Selje ist im Steckfeld geboren. Er lebt heute im Haus seines Großvaters, war aber auch einige Jahre seines Lebens weg. Er hat in Berlin an der Technischen Universität studiert, danach ist Selje für fast zehn Jahre nach Heidelberg. Nachdem seine erste Ehe in die Brüche ging, kam er zurück nach Stuttgart, zurück ins Steckfeld. 1990 hat sich der Bauingenieur selbstständig gemacht. Er betreibt ein Büro im Fasanenhof, seit fünf Jahren mit einem Juniorpartner. Mit 66 Jahren „bin ich eigentlich reif für die Rente“, sagt er und schmunzelt. „Ich denke, dass ich noch bis mindestens 70 arbeiten werde.“ Denn sein Beruf macht ihm Spaß. Ein Grüner mit Hang zum Beton? Martin Selje sieht darin keinen Widerspruch. „Ich bin nicht gegen das Bauen, ich bin nur gegen Stuttgart 21, aus fachlichen Gründen.“

Genau deshalb wird er die Politik auch nicht ganz sein lassen. „Stuttgart 21 wird für unsere Markung gravierende Einschnitte mit sich bringen“, sagt er. „Das werde ich mit Argusaugen begleiten.“