Keine Tagungen mehr in Vorlesungsgebäuden, keine Ausstellungen in der Universität. Die Hochschulen klagen über Einschränkungen durch den Brandschutz. Die grün-schwarze Landesregierung ermutigt Veranstalter, Ausnahmeregelungen besser zu nutzen.

Stuttgart - Zahlreiche Hochschulen im Land klagen über Einschränkungen durch den Brandschutz. Einerseits sollen sie sich stärker für die Gesellschaft öffnen und neue Veranstaltungsformen anbieten, andererseits machen ihnen die Vorschriften einen Strich durch die Rechnung. Öffentliche Veranstaltungen sind besonders in denkmalgeschützten Universitätsgebäuden zunehmend schwierig.

 

Das Problem ist für die Hochschulen durchaus „bedeutend“, sagt ein Sprecher von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). Auf eine Umfrage des Wissenschaftsministeriums zum Brandschutz schickten die Hochschulen 335 Antworten. In fast jeder fünften ging es um Einschränkungen des Betriebs.

Kupferbau für die Öffentlichkeit tabu

Der Kupferbau, das zentrale Vorlesungsgebäude der Universität Tübingen, darf nicht mehr für öffentliche Veranstaltungen genutzt werden, weil die Fluchtwege dafür nicht ausreichen und die Technik im Untergeschoss nur unzureichend vom Erdgeschoss abgetrennt sei. Im Theologicum der Universität wären überdies „umfangreiche bauliche Maßnahmen notwendig“, wenn dort weiterhin Veranstaltungen angeboten werden sollten. Das antwortet das Wirtschaftsministeriums jetzt als oberste Baurechtsbehörde auf eine Anfrage der Grünen.

Für öffentliche Veranstaltungen gelten schärfere Vorgaben als für den alltäglichen Hochschulbetrieb. Studenten kennen sich in den Unigebäuden aus, nimmt man an. Für Menschen, die zu öffentlichen Veranstaltungen kommen, gilt dies nicht ohne Weiteres. Zudem werden zu Tagungen, Ausstellungen oder Theateraufführungen zum Teil sehr viele Personen erwartet. Schwierig wird es, wenn bei Veranstaltungen Foyers oder breite Flure etwa zur Bewirtung genutzt werden. Da sei schnell ein Flucht- oder Rettungsweg verstellt, so das Wirtschaftsministerium.

Keine Plakat auf den Gängen

Bei einer der zahlreichen Gemäldeausstellungen im Mannheimer Schloss musste eines der Bilder kurzerhand entfernt werden. Nicht weil es im Weg stand. Die Leinwand hing an der Wand im Fluchtweg. Weil es jedoch eine Leinwand war, hätte sie Feuer fangen können. Aus demselben Grund sind aus den barocken Mauern der Universität Mannheim die für Universitäten so typischen Plakate eigentlich verbannt, berichtet eine Sprecherin auf Anfrage. Wenn überhaupt welche hängen, dann nur unter teurem Brandschutzglas, um die Feuergefahr in den Fluchtwegen nicht zu erhöhen.

Doch auch der Universitätsbetrieb selbst wird eingeschränkt. An der Universität Freiburg hat man für 38 der 132 Universitätsgebäude „größeren Handlungsbedarf“ für brandschutzrechtliche Sanierungen identifiziert, wie es in der Antwort auf die Anfrage heißt. Solange die Baumaßnahmen laufen, seien in Freiburg große Teile der Buchbestände nicht mehr zugänglich. Tagungen könnten nicht mehr abgehalten werden. An der Uni Stuttgart hingegen geht alles seinen gewohnten Gang. „Die Brandschutzvorschriften sind im Alltag nicht hinderlich“, sagte ein Sprecher und deutet an, dass es Vorteile habe, wenn der Denkmalschutz keine Rolle spiele.

Bis zu 68 Prozent Mehrkosten

Die Vorgaben ziehen zum Teil auch hohe Kosten nach sich. Auf Durchschnittswerte, wie viel teurer eine Sanierung wegen der Brandschutzauflagen wird, mag sich das Wirtschaftsministerium nicht festlegen. Man habe einige Beispiele untersucht. Dabei hätten Brandschutzmaßnahmen zu Mehrkosten zwischen 14 und 68 Prozent geführt. Für das denkmalgeschützte Kollegiengebäude I der Uni Freiburg aus dem Jahr 1911 umfasst das Brandschutzkonzept Baumaßnahmen von 10,8 Millionen Euro. Bei der Sanierung des Westflügels des Barockschlosses Mannheim entfielen 14 Prozent der Baukosten von 15,7 Millionen Euro (2,25 Millionen) auf den Brandschutz.

An den gesetzlichen Regelungen will niemand rütteln. Sicherheit geht vor, betont die Landesregierung. Manchmal schießen jedoch die Hüter der Vorschriften vor Ort über die gesetzlichen Regelungen hinaus. Das finden zumindest die Grünen. Alexander Salomon, der Vorsitzende des Arbeitskreises Wissenschaft, beklagt „ein riesiges Delta zwischen den Entscheidungen vor Ort und den tatsächlichen Vorgaben“. Er gibt mit Blick auf die Sanierungskosten zu bedenken „nicht alles, was bei Neubauten möglich ist, geht auch in bestehenden Gebäuden“.

Wirtschaftsministerium ermuntert zu Ausnahmeregelungen

Er plädiert für Augenmaß. Auch die Landesregierung regt eine pragmatische Auslegung der Regeln an. Es sei „generelles Ziel aller Beteiligten, die Nutzungseinschränkungen möglichst gering zu halten“, erklärt Hubert Wicker, der Amtschef des Wirtschaftsministeriums. Das Land sei „stets bestrebt“ auf die Genehmigungsbehörden einzuwirken, „von Ausnahmeregelungen Gebrauch zu machen“.

Eine innerministerielle Arbeitsgruppe soll Erleichterungen beim Brandschutz im Gebäudebestand prüfen und „die Handhabung der Vorschriften im Einzelfall optimieren“, erklärt ein Sprecher von Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Gleichzeitig sollen Hochschulen wie Aufsichtsbehörden besser über die Rechtslage und deren Möglichkeiten informiert werden. Die Grünen fordern das Land auf, einen einheitlichen Ansprechpartner einzuführen.