Die Grünen warnen vor einer Kostenexplosion bei Stuttgart 21. Nach einem Gutachten steigen die Kosten für die ICE-Trasse auf 5,3 Milliarden Euro.

Stuttgart - Die Kosten für die mit dem umstrittenen Projekt "Stuttgart 21" verbundene ICE-Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm liegen einem Gutachten zufolge wesentlich über den bisherigen Annahmen. Die von der Grünen-Landtags- und Bundestagsfraktion beauftragten Münchner Verkehrsberater Vieregg/Rössler halten nach eigener Nachberechnung für die 60 Kilometer lange Strecke Kosten von 4,55 Milliarden Euro für wahrscheinlich. Die Bahn hatte im Juli 2,89 Milliarden Euro veranschlagt. Mit Berücksichtigung der Inflation dürften die Kosten bis 2016 laut Gutachten sogar auf 5,3 Milliarden Euro steigen. Die Deutsche Bahn wies die Kostenschätzung "mit Nachdruck als falsch und nicht nachvollziehbar" zurück. Gutachter Martin Vieregg sagte am Mittwoch, sollte die Bahn nicht umplanen und kostengünstigere Tunnelbaumaschinen verwenden, seien sogar Kosten von mehr als 10 Milliarden Euro denkbar. Dies könne insbesondere passieren, wenn man aufgrund der schwierigen hydrologischen Bedingungen im Albaufstieg im schlimmsten Fall auf Wasser in den Höhlen stoße.

Die Planungen der Bahn für die Strecke lägen hinter der aktuellen Tunnelbautechnik und wiesen noch den Stand von vor zehn Jahren auf. Die Bahn habe bisher die Kosten für einen Kubikmeter Tunnel auf etwa ein Viertel der Kosten veranschlagt, die sie für die ICE-Strecke Ingolstadt - Nürnberg veranschlagt habe. "Das ist relativ unwahrscheinlich, da die geologischen Verhältnisse am Albaufstieg viel schwieriger sind", sagte Vieregg. Zudem kritisierten die Gutachter, dass die Tauglichkeit der Strecke für den Güterzugverkehr behauptet werde, obwohl diese fachlich sehr umstritten sei. Die Gutachter schlugen vor, die Strecke Stuttgart - Ulm umzuplanen. So könne etwa im Abschnitt zwischen Kuchen und Amstetten eine neue Streckenführung mit kürzeren Tunneln gewählt werden. Bei einer solchen kostengünstigeren Variante könnte die Strecke sogar noch bis Augsburg fortgeführt werden, sagte Viereggs Kollege Karlheinz Rössler.

Winfried Kretschmann: "Moratorium ist unerlässlich"


Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Winfried Hermann (Grüne), nannte die Strecke den "größten Kostenknaller" in der gesamten Geschichte des Schienenbaus. "Wir sind überzeugt, dass der Bund die Mehrkosten nicht finanzieren kann", sagte er und forderte einen Ausstieg des Bundes. Ziel der Grünen sei es nicht, den Ausbau kaputt zumachen. Es sei aber "dringend notwendig", die Mittel effizient einzusetzen zur Realisierung des Schienenausbaus insgesamt, sagte Hermann. Die Strecke sei aber nicht so wichtig, wie es nach außen dargestellt werde. Die wichtigste Güterverkehrsachse sei nachweislich im Rheintal. Dafür bleibe kein Geld mehr. Der Bund habe bereits acht bis neun Milliarden Euro der insgesamt elf Milliarden Euro für den Ausbau des Netzes bis 2020 verplant.

Laut dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden Winfried Kretschmann ist ein Moratorium nun "unerlässlich". Auch Bahnchef Rüdiger Grube müsse ein Interesse daran haben, wenn bereits gebaut werde, das Projekt aber nicht finanzierbar sei. Die Bahn wies die in dem Gutachten genannten Zahlen zurück. Hier werde zum wiederholten Male "mit Horrorzahlen" versucht, die Bevölkerung zu verunsichern und Stimmung gegen das Projekt zu machen, sagte ein Sprecher. Die Deutsche Bahn habe erst Ende Juli auf Basis ihrer Entwurfsplanung eine aktualisierte Kostenrechnung vorgestellt, in die exakte Daten über Mengen und Preise sowie Gewerke und geologische Verhältnisse eingeflossen seien und die eine präzise Berechnung der Baukosten ermögliche.