Der Grüne Volker Ratzmann gehörte lange einem Gesprächskreis um EnBW-Chef Hans-Peter Villis an. Nun ist er dort ausgeschieden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Allzu viel Stallgeruch bringt Volker Ratzmann (52) als neuer Vorposten der Grünen in der Berliner Landesvertretung nicht mit. Das Spielfeld des in Bayern und Niedersachsen aufgewachsenen Juristen war bisher die Berliner Landespolitik, wo er acht Jahre lang – bis 2011 – die Fraktion im Abgeordnetenhaus führte. Zum Land Baden-Württemberg, in dessen Diensten er seit wenigen Wochen steht, weist seine Vita gerade mal zwei Bezüge aus: 1980 absolvierte er in einer Dialyse-Station in Freiburg seinen Zivildienst, 2009 heiratete er die Freiburger Grünen-Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae, mit der er heute zwei Kinder hat.

 

Wenig bekannt ist Ratzmanns dritter Bezug zum Südwesten, nämlich zur Energie Baden-Württemberg AG, kurz EnBW. Zu dem Karlsruher Stromkonzern und dessen Noch-Chef Hans-Peter Villis pflegte er bis vor kurzem eine ganz besondere Verbindung: Der Grüne war regelmäßiger Gast in einem Gesprächskreis, in dem Hans-Peter Villis seine Ideen und Gedanken zur Diskussion stellte.

Von einem Berliner Personalberater eingeladen

„Sounding board” hieß das vertrauliche Gremium, das zuletzt durch illustre Teilnehmer wie den Mappus-Freund und Investmentbanker Dirk Notheis (CDU) oder Mappus’ einstigen PR-Berater Dirk Metz (CDU) von sich reden machte. Er sei vor einigen Jahren von einem Berliner Personalberater in die Runde eingeladen worden, bestätigte Ratzmann der StZ, und wohl ein halbes Dutzend Mal dabei gewesen. Ein Grüner als Ratgeber eines Atomkonzerns – das ist eine pikante Konstellation. Sie erregte schon einmal Aufsehen, als 2006 die Mitgliedschaft des Ex-Fraktionschefs und Ex-Staatssekretärs Rezzo Schlauch im EnBW-Beirat bekannt wurde. Die SPD reagierte damals mit Spott („Atomstrom wird grün“), die eigene Partei irritiert bis gequält: es handele sich um eine ganz persönliche Entscheidung. Schlauch focht die Kritik nicht an. Er gebe seine ablehnende Haltung zur Kernkraft natürlich „nicht an der Garderobe ab“, verteidigte er sich, sondern vertrete sie in dem Gremium „sehr deutlich”. Dass er sich zudem als Fan des damaligen Konzernchefs Utz Claassen outete, ließ manchen Parteifreund schlucken. Als der Ex-Politiker 2010 selbst ins Gasgeschäft einstieg, gab er das Mandat wegen möglicher Interessenkonflikte ab.

Welten zwischen Ratgeber und Beratenem

Auch im Fall Ratzmanns liegen Welten zwischen Ratgeber und Beratenem. Der Grüne war schon als Teenager im Widerstand gegen das Atomendlager Gorleben aktiv. Sein Gesprächspartner Villis träumte dagegen noch vor wenigen Jahren öffentlich davon, eines Tages ein Atomkraftwerk neu zu bauen. Das hinderte Ratzmann indes nicht, die Einladung des ihm aus der Berliner Landespolitik bekannten Personalberaters Peter Paschek in den Gesprächskreis anzunehmen. Er habe sich dort „nicht als Berater von Herrn Villis” verstanden, sondern eine bunt besetzte Runde mit ganz unterschiedlichen Ansichten vorgefunden, sagte er der StZ. Wie einst Schlauch will Ratzmann bei den Treffen für die Abkehr von der Kernkraft geworben haben – lange freilich ohne sichtbaren Erfolg. Der EnBW-Chef habe sich seine Argumente freundlich angehört, sie aber nicht aufgenommen. Mit dem Atomfan Metz dagegen lieferte sich der Grüne einmal einen lebhaften Wortwechsel. „Noch spannender“ seien die Gespräche nach Fukushima und dem Atomausstieg geworden. „Für mich war das hochinteressant, ich habe da viel gelernt“, resümiert Ratzmann. Manche Vorstellung der Grünen sei in der Runde einem „Praxistest“ unterzogen worden.

Keine Vergütung für die Mitwirkung

Die Mitwirkung in dem Gremium sei „unvergütet“ gewesen, berichtet der Grüne. Als Abgeordneter habe er sie nicht offenlegen müssen, aber auch keinen Hehl daraus gemacht. Mit dem Eintritt in den Dienst des Landes Baden-Württemberg hätte er freilich eine Genehmigung benötigt. Doch wegen des Rollenwechsels vom Politiker zum Beamten verabschiedete sich Volker Ratzmann ohnehin aus dem „Sounding Board“; beim jüngsten Treffen im April war er schon nicht mehr dabei. Das Thema Energie wird den Juristen, dem Parteifreunde durchaus höhere Aufgaben zutrauen, auch in der neuen Funktion nicht loslassen: Als bundespolitischer Koordinator von Ministerpräsident Winfried Kretschmann soll er sich auch um die Energiewende kümmern.