Das Tückische am grünen Star ist sein schleichender Verlauf. Wird er entdeckt, muss er schnell behandelt werden. Eine neue OP-Methode zeigt sich vielversprechend.
Stuttgart - Man sollte nicht immer seinen Augen trauen. Vielleicht bildet sich die Realität viel klarer, deutlicher ab – ohne graue Schleier oder Schlieren, die das Blickfeld einengen. Selber lässt sich das kaum beurteilen. Denn der getrübte Blick kommt nicht über Nacht. Das Glaukom, so sagen es Augenärzte, hat einen tückischen Verlauf. Es braucht Jahre, bis die Zellen des Sehnervs so weit geschädigt sind, dass die Verkleinerung des Gesichtsfeldes irgendwann nicht mehr zu übersehen ist.
Rund 2,2 Millionen Menschen leiden an einer Form des Glaukoms, grüner Star genannt. Bei diesen Augenerkrankungen wird der Sehnerv unwiederbringlich zerstört. Die meisten Fälle werden dadurch ausgelöst, dass das Kammerwasser nicht mehr richtig abfließen kann – also die Flüssigkeit, die Linse und Hornhaut mit Nährstoffen versorgt. Der Druck im Auge steigt und quetscht die Sehnerven. Eine Heilung gibt es nicht. Aber wird der Grüne Star früh erkannt – etwa durch Vorsorgeuntersuchungen wie der Bildgebung mittels Laser (GdX, HRT, OCT) –, lässt er sich sehr gut therapieren, sodass man die Zerstörung des Sehnervs sehr gut aufhalten und eine Erblindung verhindern kann. „Medikamente, die den Augeninnendruck senken, sind der erste Behandlungsschritt, mit dem sich das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen lässt“, sagt Rolf Stiasny, baden-württembergischer Landesvorsitzender des Berufsverbands der Augenärzte.
Die Therapie mit Augentropfen ist nicht für alle Patienten geeignet
Doch nicht alle Patienten vertragen diese gleich gut, klagen beispielsweise über gereizte Augen. Bei manchen tritt mit der Behandlungsdauer ein Gewöhnungseffekt ein. Andere nehmen es mit der Therapietreue nicht so genau. In solchen Fällen raten Augenärzte häufig zu einem Eingriff per Laser, um das Abfließen des Kammerwassers zu erleichtern. Oder aber es wird das Skalpell angesetzt: Bei der Trabekulektomie wird in Binde- und der darunterliegenden Lederhaut ein Ventil gelegt: So sickert das Kammerwasser in andere Gewebsschichten ab.
Seit Kurzem nutzen Ärzte auch Mini-Implantate, die über einen kleinen Schnitt ins Auge eingesetzt werden, sozusagen eine Art Drainage. Ende September wurden die Implantate beim Herbstkongress der Deutschen ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) vorgestellt: „Sie haben die Form winziger Röhrchen, nicht dicker als ein menschliches Haar“, sagt Norbert Pfeiffer, Direktor der Augenklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz. Die Öffnung ist so klein, dass sie nicht genäht werden muss. Daher dauern diese Eingriffe auch deutlich kürzer als herkömmliche Operationen. Die Experten sprechen auch von „Minimalinvasiver Glaukomchirurgie (MIGS)“. Diese sei vor allem für Patienten geeignet, die unter einem mittelstark ausgeprägten Glaukom leiden – bei denen also noch keine oder nur geringe Gesichtsfeldausfälle eingetreten sind. Laut der DOG zeigen erste Auswertungen, dass die Mini-Implantate den Augeninnendruck dauerhaft senken können.
Mini-Implantate – so heißt es – können die Operationen überflüssig machen
Könnte diese Methode also die bisherige als „Goldstandard“ bezeichnete und überaus aufwenige Trabekulektomie überflüssig machen? So manch praktizierende Augenarzt hat daran allerdings Zweifel: „Wir würden es sehr begrüßen“, sagt der Stuttgarter Arzt Aris Pervanidis. „Aber schon frühere Methoden nach ähnlichem Vorbild haben gezeigt, dass sie nicht dauerhaft den Druck senken können.“ So sind beispielsweise nach Lasereingriffen die Öffnungen wieder zugewachsen. „Kleinste Ablagerungen könnten auch bei den Implantaten dazu führen, dass die winzigen Kanäle wieder verstopfen“, sagt Pervanidis.
Nach wie vor gibt es Uneinigkeit darüber, wie sinnvoll Augeninnendruck-Messungen sind
Es wird sich zeigen, inwieweit die Mikroimplantate sich neben den bisherigen Methoden in Deutschland etablieren werden. Bis dahin setzen die Ärzte darauf, Glaukome zu erkennen, bevor der Sehnerven bleibend geschädigt wird. Das soll mithilfe von Früherkennungsmaßnahmen wie der Augeninnendruckmessung gelingen. Doch diese ist umstritten: Der IGeL-Monitor, ein von Kassen betriebener Informationsdienst zur Einschätzung der Selbstzahlerleistungen, bewertet die Augeninnendruckmessung als tendenziell negativ: „Wir können nicht sagen, dass die beiden Untersuchungen wirklich nützlich sind, wir können es aber auch nicht ausschließen.“ Die Datenlage sei zu schwach. Der Augeninnendruck ist nicht zwingend ein Hinweis auf ein Glaukom, sagt auch der Stuttgarter Augenarzt Michael Rödinger. Er rät jedem, ab dem 40. Lebensjahr die komplette Früherkennung vornehmen zu lassen – am besten in Kombination mit einer Analyse des Sehnervs. Denn auch andere Erkrankungen wie Durchblutungsstörungen können die Entstehung der Krankheit begünstigen. Eine solche Vorsorge sei vor allem für Menschen mit genetischer Veranlagung wichtig. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit für einen grünen Star mit dem Alter an.
Wer an einem Grünen Star leidet, sollte Stress vermeiden
Keinen Cent kostet eine Vorsorgemaßnahme, die die DOG bei ihrer Herbsttagung vorgestellt hat: Ruhe bewahren. Studien zufolge reagieren zwei Drittel aller Glaukom-Patienten tendenziell empfindlicher auf Stress als Gesunde. Wer mit autogenem Training entgegenwirkt, kann den Augeninnendruck teilweise senken, mithilfe von Hypnose fällt der Augeninnendruck sogar noch stärker. Auch die Durchblutung des Sehnervs wurde verbessert. Für die Experten der DOG sind somit Entspannungsübungen „eine sinnvolle Ergänzung zur ärztlichen Therapie“.
„Herr Doktor, muss ich meine Augen lasern lassen?“ – Typische Fragen an den Augenarzt