Beim Besuch der Partner in Israel stößt die Gruppe aus Ludwigsburg auf Paradoxien. Ein Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hinterlässt die Besucher zunäschst schweigend.

Kreis Ludwigsburg - Kommen wir zum ernsten Teil der Veranstaltung. Bisher hat die 19 Mitglieder starke Delegation aus dem Kreis Ludwigsburg bei ihrem Israel-Besuch nur die Sonnenseiten des Landes kennengelernt. Die beiden Begleiterinnen und Mitarbeiterinnen der Partnerregion Oberes Galiläa – Dafna und Nirit – haben zusammen mit dem smarten Stadtführer Lior gezeigt, was das Land so liebenswert macht: Jerusalem, eine unglaubliche Stadt voll religiöser Fanatiker und Widersprüche; das Tote Meer, wo selbst ein Nichtschwimmer nicht untergeht; die Festung Masada, ein Sinnbild früher Ingenieurskunst und idealistischer Widerstandskraft (gegen die römische Besatzung). Aber vor allem: Spaß, Freude und Herzlichkeit, wohin die Ludwigsburger auch kommen. Von genialem Nachhol-Sommerwetter ganz zu schweigen.

 

Doch nun, an ihrem zweiten Tag im Heiligen Land, erleben die Gäste aus Deutschland, warum es überhaupt nicht selbstverständlich ist, so freundlich behandelt zu werden – oder dass sie überhaupt hier sind. Der Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ist ein Pflichttermin, bei dem mancher gestandene Kreisrat schon im Vorfeld gesteht, „ein bisschen Bammel“ zu haben. Der Name des Museums bedeutet „Erinnerung an die Namen“. Hier wird versucht, das Unbeschreibliche zu beschreiben, das selbst in diesen nackten Zahlen nicht begreiflich wird: Sechs Millionen Juden, darunter 1,5 Millionen Kinder, wurden Opfer der nationalsozialistischen Mordmaschinerie während des Zweiten Weltkriegs. „Die Katastrophe“ nennt die Museumsführerin das. Bedrückt schreiten die deutschen Besucher durch den kühlen, nackten Betonbau, dessen Wände sich nach oben hin bedrohlich zu einem Dreieck formen. Im Zickzack, wie Nähnadeln durchkämmen sie diesen wohl schwerstmöglichen historischen Stoff. Nicht nur der Landrat Rainer Haas erfährt, dass es Amtsvorgänger gab, die das Ausreiseverbot und die Stigmatisierung der Juden durch ein „J“ im Pass sanktionierten. Fassungslos stehen sie vor einem Modell der Vernichtungsfabrik Auschwitz, wo erläutert wird, wie binnen 20 Minuten 2000 Menschen umgebracht wurden. Später, nach gut zwei Stunden im Museum, ist die beklemmende Atmosphäre in der nur von Kerzen beleuchteten Kindergedenkstätte, wo die Namen der so früh vernichteten Kinder vorgelesen werden, nur schwer auszuhalten. Haas’ galiläischer Amtskollege Giora Salz begleitet die Gruppe und wischt sich klammheimlich eine Träne aus dem Augenwinkel. Nach der Führung ist fast niemandem nach Klatschen zumute. Die Gespräche verstummen für eine Weile.

Die mitunter hochproblematischen Folgen dieser Katastrophe haben die Ludwigsburger bereits zuvor hautnah zu spüren bekommen. In der Nacht sind im Jerusalemer Mount Zion Hotel befremdliche Geräusche zu hören – ein Knallen, Schüsse, Feuerwerk? Hubschrauber überfliegen einen Vorort am Fuße der Altstadt, Polizeisirenen erklingen. Der Stadtführer Lior erklärt tags darauf, das sei die Beerdigung eines arabischen Mannes gewesen, der die Woche zuvor zwei Frauen und ein Kind mit dem Auto überfahren hatte – und anschließend von der Polizei erschossen wurde. „Die Lage ist gerade sehr angespannt“, sagt Lior. Die Beerdigung wurde von der Polizei auf 40 Besucher beschränkt, um eine Eskalation zu verhindern. Doch einige fingen an, mit Feuerwerkskörpern auf die Polizei zu schießen. So bekommt der Besuch der zionistischen Gedenkstätte Mount Herzl, wo der Staatsgründung 1948 und dem Unabhängigkeitskrieg gegen die Araber gedacht wird, für die Delegation eine besonders aktuelle Note.

Auf dem Berg trifft die Delegation Schüler des Gerlinger Robert-Bosch-Gymnasiums, die gerade auf Austauschbesuch in Galiläa weilen. Jerusalem ist ihre letzte Station. Unbefangen, aufgeschlossen, frei von Vorurteilen begegnen sich die Jugendlichen. Doch ein Besuch der Altstadt von Jerusalem bleibt den Gerlingern verwehrt, wie ein Lehrer mit Bedauern erklärt. Das staatliche Schulamt habe das verboten – man wolle kein Risiko eingehen.