Das schwäbische Cleverle bekommt Konkurrenz aus dem Oberen Galiläa. Dort hat man zum Beispiel bereits bemerkt, dass Lachen gesund ist – und man lehrt Klinik-Clowning.

Kreis Ludwigsburg - Es lebe die Stauregion Stuttgart! Bei ihrer Fahrt von Jerusalem ins Obere Galiläa im Norden Israels erlebt die 19-köpfige Besucherdelegation aus dem Kreis Ludwigsburg, was die viel zitierte Stauregion Stuttgart eigentlich ist: ein Witz! Stop and Go, Stoßstange an Stoßstange zuckelt der Bus in Richtung des Dreiländerecks Israel, Libanon, Syrien. In den Ohren der Gäste klingt ein beliebtes Zitat regionaler IHK-Sonntagsreden: „Mobilität ist das Standortrisiko Nummer Eins“. Doch dass Stau keine schwäbische Erfindung ist, zeigt sich hier überdeutlich. Gleiches gilt für das Käpsele, den erfinderischen Feingeist mit Marketing-Qualitäten. Die Ludwigsburger Delegation besichtigt Shamir Industries im Kibbuz Shamir.

 

Mit aufgebaut wurde das Unternehmen vom Galiläischen Landrat Giora Salz. Heute punktet der Betrieb mit erstaunlicher Innovationsgewalt: In City-Laboren lassen die Israeli in Großstädten maßgeschneiderte Brillen oder Kontaktlinsen herstellen – to go, quasi, also binnen drei Stunden abholbereit. Die Software, die aus Optikerrezepten fertige Gleitsichtbrillen macht, ist ein weltweiter Verkaufsschlager – mit klangvollen Namen wie Ray Ban oder Adidas als Kunden. „Dieses Rezept hier könnte aus Ludwigsburg sein“, erklärt Giora Salz. Binnen 48 Stunden werde hier in der Produktion aus einem Papier eine passgenaue Sehhilfe. Das regt den Kreisrat Albrecht Dautel (Freie Wähler) zu einer Analogie an: „Wenn wir vom Landratsamt etwas wissen wollen, dauert es auch 48 Stunden, bis wir eine Antwort kriegen“, sagt der Walheimer Bürgermeister. Sein Fraktions- und Amtskollege aus Affalterbach, Steffen Döttinger, korrigiert: „Eher 48 Tage!“

Weitgehend staufrei geht es weiter zum unweit gelegenen Ziv Krankenhaus. Dort berichtet der Chefarzt der Kinderstation, Anthony Luder, von seinen schönen Arbeitsbedingungen. Von seinem Büro aus hat er einen wunderbaren Ausblick auf den See Genezareth: „Sie wissen schon, da ist ein Mann mal drübergelaufen und hat etwas mit Fisch gemacht“, erzählt der gebürtige Brite in Würdigung seiner humoresken Wurzeln. Als er seiner Frau eröffnet habe, dass er in Israel arbeiten wolle, habe diese geantwortet: Das letzte, was sie tun wolle, sei, in Israel zu leben. „Also tun wir jetzt das Letzte: Wir leben in Israel.“

Jetzt kommt der eingangs erwähnte Witz. Stuttgart: das Wort ist für Israeli offenbar zum Totlachen komisch. Das jedenfalls beteuert eine sehr spezielle Dozentin an der medizinischen Fakultät des Ziv Krankenhauses. Das Wort „Stutt“ (sprich: Schtutt) bedeutet auf Hebräisch etwas wie Quatsch oder Blödsinn, und „Gart“ klinge wie das Englische „Guard“ (Wache). Dass ein Vertreter der Quatschwachenzeitung ihrem Kurs beiwohnen will, erheitert die Lehrerin: Sie unterrichtet hier neuerdings Klinik-Clowning – und zwar für Ruheständler, die sich ehrenamtlich einbringen wollen. Arbeit gibt es genug. In der Klinik werden die üblichen Krankheiten behandelt, aber auch Kinder, die vom Syrischen Bürgerkrieg traumatisiert sind. Lachen ist gesund. Und tatsächlich findet sich ein lustiges Grüppchen von 16 rüstigen Damen und Herren, die mit ihrer Dozentin das tun, was man auf Jiddisch „schäkern“ nennt.

Ganz im Ernst will Mosche Dessau im Forschungsinstitut nebenan die Welt verbessern. Als Molekülforscher und Kristallograf rückt der junge Mann gefährlichen, aber weitgehend unerforschten Viren zu Leibe. Er halte es für ein Unding, dass Krankheiten wie Ebola jahrzehntelang kaum erforscht würden, nur weil sie nicht im industrialisierten Westen verbreitet seien. Für solche kaum erforschten Erreger lohne es sich, die Funktionsweise zu erkunden, um sie dann stoppen zu können.

Er hätte auch in Tel Aviv oder im Ausland forschen können, sagt der Idealist im legeren Beatles-T-Shirt. Doch aus zwei Gründen habe er sich für das Provinz-Institut im Norden entschieden. Erstens: dort herrsche dynamische Aufbruchstimmung. Und zweitens, jetzt kommt’s: „Ich hasse Staus.“ Oha! Staus sind allem Anschein nach auch in Israel ein Standortrisiko . . .