Die Delegation aus dem Kreis Ludwigsburg hat am Mittwoch den Versuchsobstgarten der Region Mittleres Galiläa besucht und bei einer Lasershow die israelische Sicht auf die Eroberung der Golan-Höhen kennengelernt. StZ-Redakteur Markus Klohr berichtet aus Galiläa.

Kreis Ludwigsburg - Die Hormone sind Schuld! Pheromone, Lockstoffe, mit denen Schädlinge nach der sogenannten Verwirrmethode daran gehindert werden, sich fortzupflanzen. Im großen Versuchsobstgarten der Region Oberes Galiläa kommt diese Verwirrmethode häufig zum Einsatz – und sie scheint auch auf die 19-köpfige Besucherdelegation aus dem Landkreis Ludwigsburg abzufärben. Als die Gruppe an diesem Mittwoch den Garten der Partnerregion besichtigt, nimmt der Weinmacher und Kreisrat Albrecht Fischer (CDU) eine Flasche mit den Verwirrhormonen in die Hand. Danach nimmt der Wirrwarr seinen Lauf. Nächste Station: der Wasserfilterhersteller Amiad präsentiert sich und begrüßt per Beamer freundlich die „Ludwigsberg Delegation“. Und die Sitzordnung ist per Namenskärtchen konfus geregelt: Die Kreisrätin Kathrin wird zur Grünen-Fraktionskollegin Swantje Sperling umbenannt (letztere konnte nicht mitreisen).

 

Verwirr-Tag im verwirrenden Land Israel. Schon zum dritten Mal geht die Besuchergruppe über den Jordan – aber es tut gar nicht so weh, wie immer behauptet wird. Zudem muss auch noch vermintes Terrain beschritten werden. Auf den Golan-Höhen im Nordosten Israels haben die Syrer zahllose Landminen hinterlassen, die Minenfelder werden durch Warnschilder markiert. Das vulkanische Mittelgebirgsplateau hat Israel 1967 im Sechs-Tage-Krieg von Syrien erobert und annektiert. Und was steht dort in der größten Siedlung, Katzrin? Ein Hofbräuhaus. Hier wird Gerstensaft nach deutschem Reinheitsgebot gebraut. Sogar einen deutschen „Brewmeister“ gebe es, wird den Ludwigsburgern erläutert. „Golan ist wie München“, hatte der Landrat Rainer Haas den Reisenden schon zuvor versprochen. Wir ergänzen in Anlehnung an den Fußballphilosophen Andy Möller: Golan oder Gelsenkirchen – egal: Hauptsache Spanien. Vollends durcheinander kommt die Gruppe, als sie durch das Golan-Besucherzentrum geführt wird. Erst wird den staunenden Schwaben der Landstrich als ein reales Utopia, als Mischung zwischen Garten Eden und Marlboro Country präsentiert – und zwar in Form eines Panoramakinos mit Dolby-Dröhnung und Stimmungs-Ventilatoren, die teilweise fluffige Föhnfrisuren zeitigen.

Die Grenzen zwischen PR und Propaganda sind fließend

Durchgeschüttelt wanken die Gäste in den Nebenraum. Hier ist der Golan in Miniatur aufgebaut. Sogleich beginnt die nächste Show, eine Art Light-and-Sound-Landschafts-Star-Wars, mit dessen Hilfe zwei Botschaften transportiert werden. Erstens: die heroische Eroberung und Verteidigung des strategisch bedeutenden Plateaus war ein logischer Akt der Selbstverteidigung – schließlich konnten zuvor Syrer von dort oben aus bequem auf israelische Siedlungen runter schießen. Und überhaupt lebten dort schon vor 700 Jahren Juden. Ein Argument, mit dem die islamistische Isis übermorgen in Spanien einmarschieren könnte. Und zweitens: offiziell will Israel, sobald sich Syrien wieder stabilisiert hat, über die Rückgabe der Golan-Höhen verhandeln. Faktisch kann sich das wohl niemand wirklich vorstellen, da bereits zahlreiche Fakten in Gestalt von Siedlungen, Weinbauanlagen oder Brauhäusern geschaffen wurden. Verwirrend ist bei der ganzen Sache, dass nur ein einziges Land die Annexion von Golan offiziell anerkannt hat: Israel selbst. Die zehnminütige Funky-Light-Show hinterlässt die Ludwigsburger mit einer übergeordneten Botschaft: Die Grenzen zwischen PR und Propaganda sind nicht nur schrill wie eine Disco, sondern auch fließend.

Oben am Ostrand der Golan-Höhen – nur 60 Kilometer von der umkämpften syrischen Hauptstadt Damaskus entfernt – fährt den Ludwigsburgern sogleich ein saftiger Schreck in die Knochen. Beim Bürgerkriegs-Sightseeing (Blick über die syrische Grenze) hört man entfernte Schüsse. Doch plötzlich rummst es gewaltig von hinten! Kommen jetzt die Isis-Milizen über die Grenze? Will sich der Diktator Assad etwa den Golan zurückholen? Der Sicherheitschef der Galiläischen Verwaltung beruhigt: „Das war nur eine Übung“, sagt er.