Die Landeshauptstadt soll über ihr Wohnungsbauunternehmen SWSG bei Bau und Kauf von Grundstücken und Wohnungen deutlich aktiver werden als bisher. Der Bestand soll auf 30 000 Einheiten wachsen.

Stuttgart - In der Landeshauptstadt steht ein Kurswechsel der städtischen Wohnungsbaupolitik an. Grüne, Sozialdemokraten, die Fraktion SÖS/Linke-plus und Stadtist Ralph Schertlen beschlossen am Donnerstag mit ihrer Mehrheit im Gemeinderat, dass das stadteigene Wohnungsbauunternehmen SWSG am Markt deutlich aktiver werden soll. Dessen Bestand von 18 000 Wohneinheiten soll auf 30 000 Wohnungen wachsen. Ein Termin wurde dafür nicht gesetzt.

 

Der Grundsatzbeschluss soll dazu führen, dass die Kommune selbst mehr vergleichsweise preisgünstige Miet- und mehr Sozialwohnungen anbieten kann. Dazu soll die Stadt Vorkaufsrechte ausüben, neue durch Milleuschutzsatzungen schaffen und mehr Grundstücke kaufen.

OB Kuhn spricht von „Illusion“

OB Fritz Kuhn (Grüne) stimmte wie CDU, Freie Wähler, AfD und FDP gegen den Grundsatzbeschluss, der mit 31 zu 26 Stimmen angenommen wurde. Das Ziel, große Bestände für die SWSG übernehmen zu können, sei eine „Illusion“, so der Verwaltungschef.

Als „reines Illusionstheater“ qualifizierte Kuhn die Forderung von Mieterverein und Haus- und Grundbesitzerverein nach dem Neubau von jährlich 5000 Wohnungen ab. Dafür gebe es in Stuttgart keine Flächen. Zum Vergleich: Im neuen Rosensteinquartier, also auf den heutigen Bahngleisen in der City, erwarte man 7500 Wohnungen. Würde die Forderung umgesetzt, würde die Qualität der Stadt mit viel Grün zerstört, so Kuhn. Außerdem spreche sich eine Mehrheit im Rat, vor allem Grüne und SÖS/Linke-plus, gegen „Wohnungsbau auf dem Acker“ aus.

Sorge um Bündnis für Wohnen

Der OB fürchtet außerdem um sein mühsam geschmiedetes Bündnis für Wohnen. In diesem haben sich 2016 rund 35 Wohnungsbauakteure verpflichtet, der Stadt jährlich 150 ältere Wohnungen für eine gebundene Belegung anzubieten und künftig keine Sozialwohnung mehr vor dem Ablauf der Bindungsfrist durch Rückzahlung des Förderdarlehens abzulösen. Dafür erhalten sie günstigere Grundstücke und Zuschüsse, die eine Eigenkapitalverzinsung von bis zu vier Prozent garantiert.

Auch die SWSG bringe jährlich 50 neue Sozialwohnungen. In diesem Jahr seien 321 Sozialwohnungen zum Bau angemeldet worden. Das Ziel von jährlich 300 würde damit „zum ersten Mal erreicht werden“.

SPD fordert politische Schlüsse

SPD-Fraktionschef Martin Körner, von Kuhn scharf angegriffen, erinnerte den OB daran, dass es sich um einen „gemeinsamen Antrag“ mit den Grünen handele. Aus der dramatischen Situation am Wohnungsmarkt seien politische Schlüsse zu ziehen. Die Baulandpreise in Stuttgart seien seit 2010 um 55 Prozent gestiegen, die Angebotsmieten (Neuvermietung) lägen inzwischen bei über zwölf Euro pro Quadratmeter, im Bestand bei zehn Euro. Es sei klar, dass der Aufbau bei der SWSG nicht schnell erfolgen könne, er müsse aber „als klares Ziel der Stadtpolitik“ formuliert werden.

Silvia Fischer von den Grünen sagte, mit dem Wachstum der SWSG könne mehr preiswerter Wohnraum angeboten werden. Das EnBW-Areal im Stöckach sei eines, bei dem die Stadt sich ihr Vorkaufsrecht sichern müsse. Thomas Adler, Fraktionssprecher von SÖS/Linke-plus, urteilte, die bisherige Wohnungspolitik von Kuhn und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) sei „krachend gescheitert“. Auch die „Abrissorgie“ der SWSG müsse gestoppt werden. Das Bündnis für Wohnen bezeichnete Co-Sprecher Hannes Rockenbauch als „Ausverkauf der Stadt auf Raten“. Die Stadt solle auf eigenen Flächen selbst bauen, anstatt sie Investoren zu geben.

Kuhn stimmt mit der CDU

Die CDU hatte einen Gegenantrag gestellt, mit dem die Abstimmung über den Grundsatzbeschluss aufgeschoben werden sollte. Fraktionschef Alexander Kotz warf dem Öko-Linken Lager vor, es stelle dem Bündnis für Wohnen den Totenschein aus. Für zwei ihrer vier Forderungen erhielt die CDU eine Mehrheit (je 48 Stimmen, dagegen: SÖS/Linke-plus), nämlich die, dass die SWSG gegenüber dem Wohnungsbündnis nicht bevorzugt werden und keine Gettobildung durch reine Sozialwohnungsstrukturen geschaffen werden soll.