Es ist eine Probe für eine Situation, in die die Kinder im besten Fall niemals kommen: dass sie sich gegen jemanden zur Wehr setzen müssen. Die Grundschüler in Riedenberg lernen beim Projekt „Wehr dich mit Köpfchen“ genau das.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Riedenberg - Wenn der Blödi am Wegesrand herumlungert, sollten Kinder auf der Hut sein. Er sagt hässliche Ausdrücke oder will einem die Turnschuhe klauen. „Hey, bleib’ mal stehen“, motzt der Blödi das Mädchen an. „Gib mal deine Jacke her.“ Das Mädchen würdigt ihn keines Blickes und läuft erhobenen Hauptes vorbei. Dem Blödi bleibt nicht mehr übrig, als ihm hinterherzuglotzen.

 

Netice Kolb spielt an jenem Tag den Blödi, was unter den Kindern ziemlich Laune macht. Dabei geht es um ein ernstes Thema. Sie will den Drittklässlern der Grundschule Riedenberg beibringen, wie sie in brenzligen Situationen Rückgrat zeigen. „Wehr dich mit Köpfchen“ heißt das Projekt, für das das Gemeinschaftserlebnis Sport (GES), die Polizei und Schulen zusammenarbeiten.

Das Training schüre keine unnötige Angst

Gisela Altekamp, die Klassenlehrerin der 3 b, findet das Alter ihrer Schüler für das Projekt passend. „Einerseits sind sie noch sehr unbedarft“, sagt sie. „Andererseits sind sie weit im Kopf und haben schon von schlimmen Dingen gehört.“ Ihr Eindruck ist allerdings nicht, dass ihnen das Training für den Ernstfall unnötig Angst macht. Im Gegenteil, es schenke ihnen Sicherheit. Von Eltern und Lehrern würden die Kinder ja immer wieder Sätze hören wie „Geh nicht mit Fremden mit“. Wenn ein Polizist das sage, habe es eine ganz andere Wirkung, sagt die Lehrerin.

Oder, wenn Netice Kolb es sagt. Seit zwölf Jahren tingelt sie mit „Wehr dich mit Köpfchen“ für das GES durch Schulen. Es sind die banalen Dinge, die bei Gefahr helfen können: zum Beispiel laut und deutlich Nein zu sagen, selbstbewusst dazustehen, dem Gegenüber fest in die Augen zu schauen, einen Erwachsenen zu Hilfe zu holen oder, wenn alles nichts hilft, das Weite zu suchen. „Dieses Weggehen fällt euch extrem schwer, weil ihr das sonst nicht macht“, sagt Netice Kolb. „Es ist kein Weglaufen.“ Es signalisiere Distanz.

Was ist okay und was nicht?

Der Blödi kann ein Klassenkamerad sein, ein älterer Mitschüler oder ein fremder Mann. Vielleicht will er einen nur ärgern, vielleicht führt er aber auch Böseres im Schilde. Die Kinder sollen spüren lernen, was okay ist und was nicht.

Die Jungen und Mädchen hängen an den Lippen von Netice Kolb. So ruhig und konzentriert dürfte es selten zugehen in der Heinz-Glauner-Halle, wenn knapp zwei Dutzend Drittklässler in Sportklamotten auf den Bänken hocken. Dann dürfen sie selbst ran. Sie stehen sich in zwei Reihen gegenüber, hüben die Mädels und drüben die Jungs. Auf Netice Kolbs Kommando dürfen die Mädchen auf die Jungs zugehen und ihnen gefährlich nahekommen. „Hey, komm mal mit“, rufen die Mädchen. „Nein, ich will das nicht“, antworten die Jungen. Dabei strecken sie ihre rechte Hand aus – als Abstandhalter. Das Grinsen in den Kindergesichtern ist das sichtbare Zeichen, dass der Ernstfall hier nur geprobt wird.

Weitere Informationen gibt es unter http://www.gemeinschaftserlebnis-sport.de/sport-im-ges/selbstbehauptung/wehr-dich-mit-koepfchen/