Innerhalb von nicht einmal zwei Jahren hat sich der Wert der Grundstücke für eines der größten Wohnbauvorhaben in Stuttgart deutlich erhöht. Welche Rolle spielte dabei die Deutsche Bank?

Stuttgart - Innerhalb kurzer Zeit hat sich der Wert der Grundstücke für eines der größten Wohnbauvorhaben in Stuttgart deutlich erhöht. Im August 2013 wurde ein Großteil der Grundstücke für das Bauprojekt „Wohnen im Theaterviertel“ am Pragsattel für 6,7 Millionen verkauft. Im März 2015 wechselten diese Flächen erneut den Eigentümer. Doch diesmal für etwa die dreifache Summe. Der ehemalige Eigentümer der Flächen, der Teppichhändler Sabet, geht von einem in Wahrheit noch deutlich höheren Kaufpreis aus und sieht sich nun in seiner Ansicht bestätigt, die Grundstücke seien beim ersten Verkauf absichtlich unter Wert verkauft worden.

 

Der Immobilienstreit am Pragsattel lässt sich so zusammenfassen: Der in die Insolvenz geratene ehemalige Besitzer der umkämpften Flächen zwischen der Rhein-stahl- und der Maybachstraße, auf denen rund 300 Wohnungen gebaut werden sollen, der Teppichhändler Sabet, behauptet, die Grundstücke seien verschleudert worden. Die Flächen wurden am 16. August 2013 für 6,7 Millionen Euro im Rahmen des Insolvenzverfahrens verkauft.

Schwere Vorwürfe an die Deutsche Bank

Sabet führt bislang Gutachten und Studien an, die belegen sollen, dass die Flächen einen wesentlich höheren Wert hätten. Hafez Sabet, der Sohn des Firmengründers, behauptet: „Die Deutsche Bank hat die Firmen der Familie in die Insolvenz getrieben, um sich die Vermögenswerte des Unternehmens unter den Nagel zu reißen.“ Sabet hatte Kredite bei der Deutschen Bank aufgenommen. Sein Vorwurf: die Bank sei an der Firmenstruktur der neuen Eigentümer beteiligt und wolle so vom erwarteten Projektgewinn des Theaterviertels profitieren.

Die Deutsche Bank teilt dazu mit, man sich nicht zu Kundenbeziehungen äußere. Thomas Schulz, der Sprecher des Insolvenzverwalters Steffen Beck, der die Verkäufe durchgeführt hat, erklärt bislang stets: „Es ist die gesetzliche Pflicht des Insolvenzverwalters, das bestmögliche Ergebnis für die Gläubiger zu erzielen.“ Zudem sollten die Grundstücke drei Mal mittels einer Zwangsversteigerung veräußert werden. „Der Abschluss vom 16. August 2013 war somit das beste erzielbare Angebot“, sagt der Sprecher. Und: „Herr Beck ist all seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen.“

Der Fall ist vor Gericht gelandet

Im Zuge des Insolvenzverfahrens hat es zahlreiche Gerichtsverfahren gegeben. Im Rahmen derer seien viele von Sabets Behauptungen aus den vergangenen Jahren mittlerweile gerichtlich zurückgewiesen worden, so Schulz. Sabet will mit seinen Anliegen nach eigenen Angaben aber zur Not noch bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Der Sprecher des Insolvenzverwalters sagt, die Gutachten zum Wert der Grundstücke, die Sabet anführt, seien „auf einer nicht nachvollziehbaren Grundlage“ erstellt worden.

Doch inzwischen stützt Sabet sich nicht mehr allein auf Gutachten. Im August 2013 waren die Käufer die Projektgesellschaften Maybach eins bis vier. Diese haben die Grundstücke inzwischen erneut veräußert. Wie im April 2015 berichtet, ist der Käufer der Bauträger und Investor Formart. Über den Kaufpreis hatten sich sämtliche Beteiligten damals allerdings ausgeschwiegen. Doch nach aktuellen Informationen der Stuttgarter Zeitung wird in dem Vertrag vom Frühjahr 2015 der Verkaufspreis mit 17,1 Millionen Euro angegeben; also eine Verdreifachung des Preises im Vergleich zum August 2013.

Sabet schätzt den Weiterverkaufspreis noch höher ein

Dabei schätzt Hafez Sabet den tatsächlichen Preis noch höher ein: Der Vertrag zum schnellen Weiterverkauf an Formart sei umfangreich und komplex, sagt er und fügt an: „Neben dem im Kaufvertrag definierten Preis von 17,1 Millionen Euro gibt es eine Vielzahl weiterer Gegenleistungen, die zu einem Gesamtkaufpreis in Richtung von 22 Millionen Euro führen.“ Doch schon der geringere Wert reiche aus, um „die Treuwidrigkeit, Insolvenzzweckwidrigkeit, Sittenwidrigkeit und Gläubigerbenachteiligung des ersten Kaufvertrags vom August 2013 eindrucksvoll zu bestätigen“, so Sabet.

Auf Anfrage erklärt der neue Eigentümer Formart zur Differenz zwischen den beiden Verträgen: „Zum Zeitpunkt des Ankaufs haben wir den Grundstückswert auf Basis der damaligen Kenntnisse ermittelt und den Kaufvertrag dementsprechend ab-geschlossen“, so die Sprecherin Marie-Louise Roßmy im Namen von Formart. Über zuvor stattgefundene Transaktionen seien keine Details bekannt gewesen. Dem-nach könne man mögliche Preisveränderungen nicht kommentieren. Eine Gefahr für die geplante Wohnbebauung gebe es keine, so die Sprecherin weiter.

Insolvenzverwalter weist die Vorwürfe von sich

Thomas Schulz, der Sprecher des von Sabet kritisierten Insolvenzverwalters, erklärt nun auf erneute Nachfrage: Der nun angeführte Vertrag sei Steffen Beck nicht bekannt. Trotzdem, so Schulz, erlaube man sich „einige Hinweise“: Man müsse sich etwa fragen, inwieweit die Kriterien der Baugenehmigung oder eines vollständig projektentwickelten Grundstücks in dem neuen Vertragswerk berücksichtigt seien. Zudem stelle sich die Frage, ob die für die Wohnbebauung zusätzlich benötigten städtischen Grundstücke in diesem Vertrag einbezogen seien, betont Schulz.

Dazu erklärt Stuttgarts Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne): „Beim Projekt von Formart sind wir noch in der Abstimmung von baurechtlichen und städtebaulichen Themen im Vorfeld eines Bauantrags.“ Und: „Der Verkauf der städtischen Grundstücke hat noch nicht stattgefunden“, erklärt Pätzold weiter.

Ob es unter diesen Umständen wie an-gekündigt im Jahr 2016 zu einem Baustart für die rund 300 Wohnungen auf dem Prag-sattel kommt, ist weiterhin nicht sicher. Thomas Schulz jedenfalls bleibt dabei, dass der Insolvenzverwalter im August 2013 zum „besterzielbaren Preis“ verkauft hat.