Die Gruppe Nordteens hat im Dezember den Jugenddiakoniepreis gewonnen, und zwar für ihre Arbeit mit jugendlichen Flüchtlingen. Mit diesen treffen sie sich regelmäßig, machen Ausflüge, kochen gemeinsam, üben Bewerbungsschreiben oder sprechen darüber, was die Jugendlichen bewegt.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

S-Nord - Es ist Donnerstagabend in der Flüchtlingsunterkunft an der Nordbahnhofstraße. Während draußen Menschen durch den Nieselregen heimwärts laufen, packen Miriam Molitor und Thomas Usche im Aufenthaltsraum aus, was sie mitgebracht haben: buntes Papier, Zeitschriften, Scheren, Klebstoff. Die beiden gehören zu den „Nordteens“, eine Gruppe von jungen Menschen innerhalb der evangelischen Jesustreff-Gemeinde, die sich regelmäßig mit Jugendlichen aus dieser Unterkunft treffen. Heute sind zwei Programmpunkte geplant: mit den Jüngeren wollen sie Collagen basteln, mit den Älteren üben, wie man eine Praktikumsbewerbung schreibt. „Für die Kinder gibt es viel Programm hier im Haus“, sagt Thomas Usche, „für die Jugendlichen aber eher nicht.“ „Die langweilen sich oft nachmittags“, ergänzt Miriam Molitor.

 

Hier kommen die Nordteens ins Spiel: Sie möchten die Jugendlichen willkommen heißen, ihnen die Stadt näherbringen, und Ansprechpartner für sie sein, mit dem man auch über Probleme sprechen kann. „Wir machen eigentlich mehr Integrationsarbeit als Flüchtlingsarbeit“, so beschreibt es die 22-jährige Molitor. Dafür sind sie vergangenen Dezember mit dem Jugenddiakoniepreis ausgezeichnet worden, der von der evangelischen Jugend und der Diakonie Baden-Württemberg vergeben wird.

Das Referat für die Schule wird besprochen

Die Nordteens – hauptsächlich Studenten und Azubis – waren mit ihren Schützlingen bereits im Freibad, beim Schlittschuhlaufen, beim VfB Stuttgart im Stadion, haben Plätzchen und Pizza gebacken oder Ausflüge zu Stuttgarter Sehenswürdigkeiten gemacht. Eng eingebunden ist seit der Gründung der Gruppe 2014 auch der Träger des Flüchtlingsheims an der Nordbahnhofstraße, die Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt (AGDW), damit dieser stets informiert ist und Neuankömmlinge auf das Angebot hinweisen kann. Zehn Jugendliche sind an diesem Abend gekommen: Eine Gruppe beginnt, die Zeitschriften durchzusehen, und Bilder für die Collagen auszuschneiden. „Ihr sollt darstellen, wer ihr seid“, erklärt Miriam Molitor. Während die Mädchen Blumen, Einrichtungsgegenständen oder Landschaften auswählen, kleben die Jungen Autos, Fußballspieler und Handys auf ihre Collagen.

Thomas Usche ist derweil mit einem Jungen damit beschäftigt, dessen Referat für die Schule durchzugehen: Er korrigiert Rechtschreibfehler und fragt: „Hast du das im Internet gelesen? Bei Wikipedia?“ Sie sprechen darüber, wie es in der Schule läuft, welche Prüfungen anstehen. Ein Kosovare kommt dazu, er berichtet der Gruppe, dass er nächste Woche abgeschoben wird, zusammen mit Vater und Bruder. Ein junges Mädchen will Miriam erzählen, was sie gerne werden möchte, ist sich aber nicht sicher, wie der deutsche Begriff dafür lautet. Eine Übersetzungs-App auf dem Handy hilft schließlich: „Politikerin“, sagt sie mit einem strahlenden Lächeln, und deutet auf ein Bild von Angela Merkel in einer Zeitschrift.

Das Preisgeld soll für eine Freizeit verwendet werden

Konstanz sei, so erklärt Miriam Molitor, wichtig für die Jugendlichen: Sie müssen sich darauf verlassen können, dass Miriam, Thomas und die anderen North Teens wie verabredet kommen, und dass nicht jede Woche neue Gesichter dabei sind, damit sie Vertrauen fassen können. Die Jugendlichen sollen einfach Teenager sein dürfen, zusammen Spaß haben können. „Das Leben als Flüchtling ist oft mit traumatischen Erlebnissen im Herkunftsland und mit Schwierigkeiten beim Einleben in Deutschland verbunden“, heißt es in der Bewerbung der Gruppe zum Jugenddiakoniepreis. „Junge Menschen haben dabei häufig eine Rolle, die sie an ihre Grenzen bringt. Da sie schneller Deutsch lernen als ihre älteren Verwandten, übernehmen sie Verantwortung für die Familie, beispielsweise beim Dolmetschen auf Ämtern.“

Die jungen Flüchtlinge waren auch gemeinsam mit den Nordteens bei der Preisverleihung. „Dass die Arbeit wertgeschätzt wird, freut uns natürlich sehr“, sagt Miriam Molitor. Das Preisgeld von 2000 Euro wollen sie ebenfalls für ihre Schützlinge verwenden: für weitere gemeinsame Unternehmungen und, vor allem, für eine Sommerfreizeit am Bodensee oder auf der Schwäbischen Alb.