Der Line Dance findet im Stuttgarter Norden immer mehr Anhänger. Ursprünglich kommen die Choreografien aus Amerika und Großbritannien und von dort in alle Welt. Und das hat gute Gründe.

Stammheim - Die Fingerkuppen der Golden Nugget Dancer stecken lässig in den Hosentaschen der Jeans, während die Füße in den Cowboy-Stiefeln genau im Takt der Musik einige Schritte nach vorn gehen – dann wieder zurück. Sie stampfen auf den Boden, manchmal auch nur mit den Hacken. Die Musik ist schwungvoll, die Atmosphäre konzentriert. Line Dance wird hier im Golden Nugget Saloon in Stammheim geübt. Das ist zwar nicht schwer zu lernen, aber zu jedem Song gibt es eine eigene Choreografie – und die will geübt werden. Genau das macht ja einen großen Teil des Reizes von Line Dance aus: Dass viele Menschen, die in Reihen nebeneinander und hintereinander stehen, zur Musik genau die gleichen Schrittfolgen ausführen.

 

Austoben in einer typischen Westernlokalität

„Das sieht wirklich toll aus, wenn bei manchen Treffen dann 70 oder 80 Leute gemeinsam dieselbe Choreografie tanzen“, beschreibt Rainer Härle begeistert. Er ist der Vorsitzende des Country und Western Clubs Stuttgart-Stammheim (CWC), zu dem auch die Golden Nugget Dancer gehören. Sie proben immer hier im Golden Nugget Saloon des Vereins an der Münchinger Straße. Der sieht aus, wie man sich so eine Westernlokalität vorstellt: mit Schwingtüren, Büffelkopf, Indianerutensilien, Erinnerungsfotos und einem alten Klavier mit dem Hinweisschild „Don’t shoot the Pianist.“ Hans Kohlruß, der hier zusammen mit einem guten Dutzend Ladies Line Dance übt, gefällt die Atmosphäre. „Es ist schön, dass wir nicht in irgendwelchen sterilen Räumen tanzen, sondern dass alles in den Country-Club eingebettet ist.“ Aber das ist nicht der Hauptgrund, warum die Line Dancer des CWC kontinuierlich mehr werden. „Es ist zwanglos und entspannt – es sind einfach nette Leute“, findet Hans Kohlruß. „Weil’s der Demenz vorbeugt“, ergänzt Gudrun Wälde – und hat die Lacher auf ihrer Seite. Monika Zimmerer kommt her, weil sie sich hier „austoben“ kann. Ihre Ansicht, dass die Bewegung zur Musik riesengroßen Spaß macht, teilen hier alle. Und was speziell für die Damen ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist: Um Line Dance zu tanzen, braucht man keinen Partner. Nur die richtige Anordnung auf dem Tanzparkett, damit man schnell die Hand des Nachbarn findet, wenn die Choreografie beispielsweise „Kettenbildung“ per Handfassen vorsieht.

Der große Erfolg der Golden Nugget Dancer ist nicht zuletzt Trainer Bernd Hild zu verdanken. Er kam mit sechs Leuten im Oktober 2012 auf Rainer Härle zu und fragte, ob der unter dem Dach des CWC eine Line-Dance-Abteilung ins Leben rufen könne. „Da hat er bei mir offene Türen eingerannt“ sagt Härle und lacht. Er selbst hält es zwar eher mit der Westernkleidung und dem Westernschießen als mit dem Selbertanzen. Als Zuschauer ist er aber mit großer Begeisterung dabei.

Hild kennt die klassischen amerikanischen Honky Tonks

Einmal im Monat gibt es Live-Musik im Golden Nugget Saloon. Oft sind es amerikanisch-stämmige Musiker aus der Region, aber es waren schon mehrere Berühmtheiten vor Ort. Die Bands sind wichtig, wie Bernd Hild erklärt. Denn für jeden Song gibt es eine eigene Choreografie, die dann von allen Line Dancern genauso getanzt wird. „Ich stelle mit den Bands CDs zusammen“, erklärt der Trainer, der schon viele Male in den USA und dort in den sogenannten Honky Tonks war, spezielle Kneipen, in denen Live-Musik gespielt – und eben auch Line Dance getanzt wird. Später war er oft im LKA Longhorn, das ja als Longhorn Country & Western Saloon eröffnet wurde und dessen Besucher zu 80 Prozent Amerikaner waren. Die unterrichteten im dortigen Honky Tonk Line Dance.

Auch Choreografien zu aktueller Chart-Musik gehören dazu

Bis heute werden die meisten Choreografien von Amerikanern oder Briten gemacht und ins Netz gestellt, wo sie dann von deutschen Gruppen übersetzt werden, erläutert Hild. Auch Youtube kann beim Erlernen einer Choreografie sehr hilfreich sein. „Da tanzt man dann zur Not mit dem Notebook in der Küche“, sagt er und lacht. Dass die Line Dancer dennoch lieber mit einem echten Trainer üben, beweisen die Zahlen: 70 Tanzfreudige gehören inzwischen den Golden Nugget Dancern an. Die, die von Anfang an dabei waren, beherrschen in etwa 80 Tänze, die jedoch alle aus denselben, unterschiedlichen Grundelementen zusammengesetzt sind. Getanzt wir zu sogenannter Old Country Music, die man noch aus den 1960er Jahren kennt. Ebenso gibt es New Country. Da geht es dann rockiger zu. „Wir tanzen auch zu absolut aktueller Chart-Musik“, erläutert Hild. Bei den Proben geschieht dies meist in Jeans und T-Shirt. Wenn sie zu größeren Treffen fahren, wird stilechte Westernkleidung angelegt, die es in speziellen Shops zu kaufen gibt. Und natürlich, wenn einige sich zusammentun, um am Wochenende irgendwo hinzufahren, wo es Live-Musik gibt. Dafür gibt es einen eigenen Line-Dance-Kalender.

„In Baden-Württemberg sind wir eigentlich alle zwei bis drei Wochen mit zehn bis 15 Leuten unterwegs“, erzählt der Trainer, der mittlerweile Verstärkung von zwei weiteren Trainern und zwei Übungsleiterinnen bekommt. Und das ist auch gut so. Denn deswegen kann am 9. Juni auch wieder ein Line-Dance-Grundkurs beginnen, der an sechs Dienstagen immer von 18 bis 19.30 Uhr stattfindet. Für diesen Kurs ist eine Vereinsmitgliedschaft nicht notwendig. Anfragen und Anmeldungen sind bei der Übungsleiterin Jaqueline Mikulic unter linedance-cwc@web.de möglich.