Mysteriöse Geschichten und wahre Begebenheiten aus dem Kreisgebiet: Mit einer bizarren Tierseuchenbekämpfung haben sich die Beutelsbacher Ende des 18. Jahrhunderts ihren Necknamen verdient.

Weinstadt - Der Befehl, die abergläubigen Umtriebe in Beutelsbach zu untersuchen, ist damals im Herbst 1796 von ganz oben gekommen, quasi vom Landesherrn, dem Herzog Friedrich selbst. Kaum glaubliche Gerüchte über das wüste Treiben der herzoglichen Untertanen im Remstaldorf seien der Regierung in Stuttgart zu Ohren gekommen, lautete ein recht ungehaltenes Schreiben an das Schorndorfer Oberamt: „Dem Vernehmen nach soll zu Beutelspach der sonderbare Auftritt sich ereignet haben, daß der dortige Farr in der abergläubischen Meinung lebendig vergraben worden sei, damit die Rind-Vieh-Seuche daselbst nachlassen möge.“

 

Commissarische Untersuchung wegen Lebendigbegrabung eines Farren

Bis jene Untersuchung über die okkulten Aktivitäten am einstigen Stammsitz der Württemberger aber als 209-seitiger Bericht über die „Commissarische Untersuchung wegen Lebendigbegrabung eines Farren zu Beutelsbach“ vorlag, hatte es der Waiblinger Amtsschreiber Heinrich Friedrich Boley in der Wengertergemeinde nicht einfach gehabt. Dem herzoglichen Ermittler war allerdings recht schnell klar, dass ein dorfeigener Stier einige Wochen zuvor, am 5. September 1796, sein Leben tatsächlich kläglich in einer Grube auf der Wegkreuzung in Richtung Endersbach ausgehaucht hatte.

Was die Hintergründe des makabren Schauspiels anging, erwiesen sich die Beutelsbacher allerdings als Meister in der Kunst des Verschleierns. Eine Version des sonderbaren Falls mit tödlichem Ausgang: Nach dreimaligem Sturz in die Grube sei „der Hommel“ schon ziemlich tot gewesen, versuchte der Kuhhirte Hans Jerg Becker die vorsätzliche Tierquälerei zu beschönigen. Außerdem, so die Behauptung Beckers, habe der Dorffarre ja selbst bereits die Seuche gehabt.

Zur grausamen Exekution des Rinds gab es allerdings auch ganz andere Aussagen. Die zum Beispiel, das gequälte Tier sei zweimal in der Grube auf den Füßen zu stehen gekommen, weshalb es immer wieder herausgezogen und erneut ins Loch gestürzt wurde. So lange, bis es – den Vorschriften für das heidnische Seuchenritual entsprechend – alle Viere nach oben und in die vier Windrichtungen streckte, in die sich die Seuche verflüchtigen sollte. Nebenbei war es so auch erst problemlos möglich, den hilflosen Koloss mit Steinen und Erde zu bedecken. Ein Auszug aus dem, was der Schnaiter Vikar Jäger damals zu Protokoll gab: „Als sie nun zu diesem Platz gekommen seyen, sey der Farr schon drei Schuh tief unter der Erde bedekt gewesen; der Boden habe sich aber noch bewegt.“

Gespött im ganzen Land

Ob der Feldmaurer Friedrich Ritter, der Feldschütz Hans Jerg Knauer und der Kuhhirte Becker auf Befehl des offenbar fest an Wunderheiler glaubenden Schultheißen Joachim Schuh gehandelt haben oder ob die Bevölkerung die Tierquälerei aus Überzeugung unterstützte, hat der am Ende völlig frustrierte Boley nicht herausgefunden. Da die Beutelsbacher aber als „Hommelvergräber“ zum Gespött im ganzen Land geworden waren, haben einige Bürger fünf Jahre später in einer Bittschrift den Herzog angefleht, die angeblichen Anstifter – den Schultheißen also und einige Mitglieder des Dorfmagistrats – doch noch zu bestrafen. Auch dieser Versuch, die Beutelsbacher vom kollektiven Makel als letzte schwäbische Hochburg des Aberglaubens zu befreien, schlug fehl. Selbst gut 220 Jahre später sind sie noch die „Hommel“, und Spottgedichte über die „Hommelhenker“ oder „Hommelvergräber“ haben sich bis heute gehalten. Jener Spottliedvers hochpolitischer Art zum Beispiel: „Beutelsbach, Zwiefalten, Napoleon, wie reimt sich das zusamm’ / In Beutelsbach vergrabt man Farren / in Zwiefalten sind die Narren / Napoleon hat einen Sparr.....samen Geist/So reimt sich das zusamm’.“