Der Leoladen der Schwäbischen Tafel in der Hauptstätter Straße muss umziehen. Das Haus ist zum Großteil im Eigentum der Stadt und soll einem Neubau Platz machen. Das Liegenschaftsamt hilft bei der schwierigen Suche nach einem angemessen großen Laden in der Innenstadt.

Stuttgart - Es hat minus acht Grad. Die Glastüren des Leoladens sind beschlagen, durch die Dunstschicht ist eine Menschentraube verschwommen zu erkennen. „Wenn es so kalt ist, lassen wir die Leute in den Vorraum“, sagt Rita Borodin, die stellvertretende Marktleiterin, als sie pünktlich um 10 Uhr die Türen zur Schwäbischen Tafelöffnet. Einige haben Vortritt: Alte, Gehbehinderte, Kranke, die sich zu gebrechlich für das Gewühl fühlen. Erst zehn bis 15 Minuten später dürfen auch alle anderen Kunden den Leoladen betreten.

 

Der Laden ist einer von fünf in Stuttgart und Fellbach. Sie werden getragen vom Verein Schwäbische Tafel. Edgar Heimerdinger ist Vorstandsvorsitzender des Vereins. In diesem Jahr plagt ihn eine große Sorge: „Wir müssen Ersatzräume suchen, die von Größe, Preis und Erreichbarkeit her ähnlich sind und in der Innenstadt liegen.“ Heimerdinger weiß, dass die Herausforderung groß ist; immerhin hat der Laden an der Hauptstätter Straße 75 ein Lager im Keller, 500 Quadratmeter Marktfläche, ist mit Lkw anfahrbar und kostet im Moment keine 2000 Euro Miete im Monat. Der Vermieter, die Caritas-Gemeinschaftsstiftung, hat den Preis bisher niedrig gehalten.

Stadt hat Baupläne

Doch die Stadt Stuttgart hat andere Pläne mit der Immobilie und verfolgt diese schon seit dem Jahr 2008. „Der wesentliche Teil der Eigentumswohnungen gehört inzwischen uns, an den Käufen der restlichen sind wir dran“, sagt Doris Rüdiger, die stellvertretende Leiterin des Amts für Liegenschaften und Wohnen. Mit dem Eigentümer der Gewerbefläche, der Caritas-Gemeinschaftsstiftung, sei man in Verkaufsgesprächen. „Wir möchten das Gebäude Hauptstätter Straße 75 mit dem Nachbargebäude zusammenführen“, sagt Doris Rüdiger. Im Gebäude mit der Hausnummer 79 sind seit neun Jahren das Schulverwaltungsamt und das Rechnungsprüfungsamt untergebracht. Ob Sanierung oder Abriss und Neubau, darüber würden die Kosten entscheiden. Gesichert ist, dass die Stadt das Gebäude künftig zu Verwaltungszwecken nutzen will.

Im Leoladen stehen die Kunden inzwischen in langen Schlangen an der Kasse, jeder mit einem schwarzen Eimer im Arm, aus dem die Einkäufe lugen. Brokkoli ist heute angeliefert worden, Kürbis, Paprika, Käse, Obst steckt in den Eimern. „Dreizwanzig“, „fünfachtzig“, „drei Euro, 50 Cent“ fordern die Kassiererinnen. „Dafür hätten wir in anderen Supermärkten drei- bis viermal so viel bezahlt“, sagt eine junge Frau, Schülerin und Stammkundin im Leoladen. Auch eine Frau in den 60ern verweist auf die Preise: „Ich bekomme Hartz IV. Von diesen 400 Euro muss ich Telefon, Strom und Medikamente bezahlen. Hier kann ich sehr günstig einkaufen, das hilft sehr.“

Der Andrang habe allerdings zugenommen, bedauert sie. Thirgam Mohammad-Jassim ist Marktleiter und weiß, dass es durchaus zu Rangeleien kommen kann in der Furcht, leer auszugehen. „Deshalb haben wir die Regale umgestellt. Jetzt stehen nicht mehr alle hinter einer Kette und stürmen los, sondern die Kunden werden in einer Schlange durch den Laden geführt“, sagt er. Er kam 2000 als Asylbewerber aus dem Irak. „Früher war ich Hotelmanager, heute helfe ich armen Leuten.“

Täglich beliefern 21 Fahrzeuge und ein Lkw die Tafelläden mit Lebensmitteln, deren Verkaufswert im Handel aufs Jahr gerechnet rund acht bis zehn Millionen Euro beträgt. Doch auch die Zahl der Kunden stieg durch den Zuzug von Flüchtlingen seit dem Jahr 2015 auf jetzt circa 2000 täglich. Mohammad-Jassim hat ein großes Herz, aber dass einer ungerechtfertigt mehr mitnimmt, als er braucht, weiß er zu verhindern: „Wenn einer sagt, er hätte eine große Familie, dann darf er mit einer Bescheinigung vom Jobcenter wiederkommen. Auf der steht, wie viele Personen zur Familie gehören, und wir stellen ihm dann eine entsprechende Einkaufskarte aus.“ Heidi Burkhardt hilft ihm bei der Kontrolle. Die Ehrenamtliche mit dem T-Shirt, auf dem in vier Sprachen „Hilfe“ steht, sagt: „Wenn einer drei Beutel Mandarinen mitnehmen will, muss man schlichten.“ Öfter werde sie um Rat gefragt, was denn in der Packung drin sei. Ein Sprachenproblem sei das überhaupt nicht: „Wir Leute vom Leoladen sind international“, sagt Mohammad-Jassim lachend.

Ganz ohne Widerstand verkauft die Caritas-Gemeinschaftsstiftung die Immobilie, ehemals ein Stifter-Geschenk, nicht: „Bürgermeister wie Amtsleiter bei der Stadt bemühen sich um eine gute Lösung“, sagt Heinz Wolf, der Vorsitzende der Gemeinschaftsstiftung. Und er sagt auch: „Bevor keine gute Lösung gefunden wurde, verkaufen wir nicht.“ Von Seiten der Stadt heißt es: „Uns ist klar, dass wir hier in der Umgebung was Neues finden müssen. Unser Zeitplan hängt davon ab. Ob da ein Jahr reicht, kann ich nicht sagen“, so Doris Rüdiger.