Günther Rath ist herumgekommen auf der Welt, hat viele außergewöhnlichen Menschen getroffen und sich stets politisch engagiert. Derselbe Mann sitzt für die Linke im Sillenbucher Bezirksbeirats. Er sagt, er sei jetzt hier angekommen.

Sillenbuch - Ein zwölfjähriger Junge sitzt in den 50er-Jahren am Fenster und schaut auf den Hafen in Cuxhaven. Immer wieder legen amerikanische Schiffe an. All die fremden Menschen mit zum Teil unterschiedlicher Hautfarbe flanieren die Uferpromenade entlang. In der Kinomatinee sieht er einen Film über das ferne Papua Neuguinea. Männer, die kaum bekleidet traditionelle Tänze aufführen. Manche Zuschauer mögen vielleicht befremdet auf die Leinwand schauen. Im Nachkriegsdeutschland der Adenauer-Jahre gilt schließlich schon Italien als exotisch. Der Zwölfjährige hingegen ist hingerissen. Das, so weiß er, wird er selbst eines Tages mit eigenen Augen sehen.

 

Günther Rath hat sich seine Kindheitsträume erfüllt

Günther Rath blickt heute auf das Kind zurück, das Träume hatte und auf den Erwachsenen, der sie sich erfüllt hat. Er ist 69 alt und sitzt in seinem Sillenbucher Wohnzimmer. Rath ist der Mann der Linken-Bundestagsabgeordneten Annette Groth. Nach der Gemeinderatswahl in Stuttgart hat er nun gleichfalls für die Partei als Sillenbucher Bezirksbeirat ein politisches Amt inne. Er freue sich, in seinem direkten Umfeld etwas zu verbessern, sagt er. Lokal handeln, global denken sei dabei sein Motto.

Es ließe sich auch anders sagen. Ein Mann, der sich bisher in der Entwicklungshilfe oder als Forscher mit Problemen der sogenannten Dritten Welt auseinandergesetzt hat, sucht sich jetzt ein Betätigungsfeld vor der Haustür. Das politische Amt im Sillenbucher Bezirksbeirat ist Günther Raths Art zu sagen, dass er in Sillenbuch angekommen ist. Denn politisch engagiert war er in der Vergangenheit immer, nur nicht immer in Deutschland.

Der Bankkaufmann studierte Sozialwissenschaften

In den 60er-Jahren bricht Günther Rath von Norddeutschland aus nach Afrika auf. Von dort geht die Reise über Asien nach Australien und Jahre später wieder zurück nach Europa. Rath ist verschiedenen Berufen nachgegangen. Am Anfang und lange noch während seiner Zeit in Südafrika und Australien war er Bankkaufmann. Später holte er auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nach, studierte Sozialwissenschaften, arbeitete jahrelang an der Universität in Forschungsprojekten. Zwischendurch betrieb er auch mal ein Reisebüro. Letztlich war er für die Finanzabteilung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Genf tätig und pendelte zwischen der Schweiz und New York. Später arbeitete er auch für Brot für die Welt in Stuttgart.

Rath führte ein Leben, bei dem einem Zuhörer leicht schwindelig werden kann. So viele bereiste Länder, so viele erfolgreich betretene berufliche Pfade, so viele Begegnungen. In Südafrika trifft der Deutsche den Anti-Apartheid-Aktivisten Denis Goldberg. Zufällig habe er ihn angesprochen, ohne zu wissen, dass sein Gegenüber mit Nelson Mandela vor Gericht stand.

Viele Begegnungen haben sein Leben geprägt

Der Kontakt mit dem südafrikanischen Bürgerrechtler besteht bis heute. Doch die Freundschaft mit dem Anti-Apartheids-Kämpfer ist bloß eine von vielen, die Günther Raths Leben geprägt haben. Er spricht von glücklichen Fügungen in seinem Leben, die ihn immer wieder mit außergewöhnlichen Menschen in Kontakt gebracht haben. „Abenteuer sind für mich Begegnungen mit spannenden Menschen“, sagt er.

Ein solches Abenteuer hat sich zu einer Konstante in Günther Raths Leben entwickelt. Über das Engagement gegen die Militarisierung des Pazifiks beispielsweise durch die Atomtests der Amerikaner und Franzosen, hat er seine Frau Annette Groth kennengelernt. Beide bilden nicht nur eine Lebens-, sondern auch eine Interessengemeinschaft. Denn beide setzten sich politisch und beruflich seit Jahren mit Problemen der sogenannten Dritten Welt auseinander. Annette Groth folgte dabei ihrem Mann über Jahre nach Genf, später führten beide eine Fernbeziehung aufgrund von Arbeitsorten auf zwei Kontinenten.

Jetzt ist er in Sillenbuch zuhause

Nun sitzt Annette Groth also im Bundestag, begleitete jüngst Angela Merkel nach China. Günther Rath findet das gut. „Jetzt ist sie mal dran“, sagt er. Er wird sich im Bezirksbeirat mit ganz anderen Dingen beschäftigen müssen als den Beziehungen zu China. Für ihn passt das offenbar nun zum Lebensplan. „Ich fühle mich in Sillenbuch zuhause.“