Peter Hauk gibt den Vorsitz der CDU-Landtagsfraktion an Guido Wolf ab. Sein Trostpreis: er wird erster Stellvertreter. Spitzenkandidat Guido Wolf kam in Köln derweil der Kanzlerin näher.

Köln/Stuttgart - Anderthalb Tage lang ist Guido Wolf inkognito unterwegs in den Kölner Messehallen, wo die CDU ihren Bundesparteitag veranstaltet. Außer seinen Landsleuten kennt ihn kaum einer. Er tritt auch nicht in Erscheinung. Wolf ist auf der Rednerliste nicht vorgesehen. Er bleibt vorerst eine Randfigur. Das soll sich ändern – aber nicht allzu schnell. Wolf lässt viele Gelegenheiten verstreichen, ins Rampenlicht zu treten. Er hat viel hinter den Kulissen zu tun.

 

Am Mittwochmorgen ist der Saal eher schütter besetzt. Wolf hat eine lange Nacht hinter sich, in der er Peter Hauk überzeugte, den Fraktionsvorsitz zu räumen. Er stürmt auf die Bühne, als würde ihn das Resultat beflügeln. Und was er dem Teil der 1001 Delegierten, der noch nicht abgereist ist, mitzuteilen hat, zeugt von überbordendem Selbstbewusstsein: „Dieser Bundesparteitag kann nicht vorbeigehen, ohne dass ich mich Ihnen vorstelle“, sagt Wolf bei seinem Rededebüt. Laut Tagesordnung sollte er jetzt über den Leitantrag des Bundesvorstands reden. „Wir arbeiten für Deutschlands Zukunft“, lautet der Titel. Wolf arbeitet an seiner eigenen Zukunft. Er habe ein „unbändiges Ziel“, teilt er dem Konvent mit. Das Ziel ist der Amtssessel, auf dem im Moment noch Winfried Kretschmann sitzt.

Langsame Annäherung an die Kanzlerin

Der Rest seines Redebeitrags klingt, als würde Wolf das Manuskript aus dem parteiinternen Wahlkampf vor dem Mitgliederentscheid einer Zweitverwertung zuführen. Baden-Württemberg verkaufe sich unter Wert, sagt er. Es geht jetzt nicht um die CDU, sondern um Kretschmann & Co. Baden-Württemberg sei „ein Land der Bedenkenträger“ geworden, sagt Wolf. Er spricht vom neuen Wohnungsbaugesetz und nennt es „Efeu-Novelle“ – auf Anhieb versteht das hier keiner. Nach einigen Minuten kommt er dann doch wieder auf seine Partei zu sprechen. Die Südwest-CDU, betont Wolf, habe sich „zu einem geschlossenen Auftreten entschieden“.

In Zwiegesprächen lässt die Geschlossenheit noch sehr zu wünschen übrig. Wolf versichert aber, dass die Kandidatenkür „keine Gräben“ aufgerissen habe. Dafür habe er auch Thomas Strobl zu danken. Wolf spricht von „fairem Umgang“. Dann ist seine Premiere auch schon vorbei. Er verlässt die Bühne aber nicht, sondern setzt sich neben Angela Merkel. Da bleibt er eine Weile sitzen, ohne dass Merkel sich weiter um ihn kümmern würde. Sie widmet sich ihren Unterlagen. Wolf muss geraume Zeit warten, bis sie sich endlich ihm zuwendet. Aber die Audienz währt nur kurz.

Ex-Innenminister Rech hadert

Die Politik lässt keine Atempausen. Am Mittwochnachmittag steht Peter Hauk schon wieder am Rednerpult des Landtags – die Beratungen zum Landeshaushalt verlangen nach dem Fraktionschef und Oppositionsführer. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht. Doch Oppositionsführer ist Hauk zu diesem Zeitpunkt de facto schon nicht mehr. Und auch Fraktionschef ist er die längste Zeit gewesen. Schon am Vormittag hatte die CDU-Landesgeschäftsstelle eine Erklärung der Kombattanten im CDU-Machtkampf versandt. Deren Kernbotschaft lautete: „Peter Hauk erklärt seine Bereitschaft, nach der Wahl von Guido Wolf zum Spitzenkandidaten der CDU Baden-Württemberg sein Amt als Fraktionsvorsitzender niederzulegen und Guido Wolf als seinen Nachfolger der Fraktion zur Wahl vorzuschlagen.“ Der Stabwechsel wird Ende Januar vollzogen. Am 24. Januar 2015, ein Sonntag, kürt die Landespartei in Ulm Wolf zum Spitzenkandidaten – Kanzlerin Angela Merkel hat sich schon angesagt. Am Dienstag darauf folgt der Wechsel in der Fraktion.

Als Trostpreis winkt Hauk ein noch neu zu schaffender Fraktionsposten. Mittels Satzungsänderung wird die Position eines Ersten stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden kreiert. Dies allerdings gefällt nicht jedem. Der ehemalige Innenminister Heribert Rech hadert: „Zwischen dem Mississippi und dem Ural gibt es niemanden, der erklären kann, weshalb wir jetzt noch dieses Amt brauchen.“ Rech ist erkennbar erregt. „Wir kommt es denn bei unseren Mitgliedern an, wenn wieder Hinterzimmerabsprachen getroffen werden“, fragt er. Er habe auch kein Kompensationspöstchen verlangt, als er nach dem Regierungswechsel 2011 das Innenressort verlassen musste. Allerdings hatte sich Rech damals – vergeblich – für das Amt des Parlamentspräsidenten beworben.

Wolf bittet um Geduld

Auch Hauk soll sich, nachdem ihm zuletzt klar geworden war, dass er sich an der Fraktionsspitze nicht würde halten können, für die Nachfolge Wolfs im Präsidentenamt interessiert haben. Das Thema habe kurzzeitig eine Rolle gespielt, bestätigt später am Tag Guido Wolf. Doch eine solche Rochade, die als einziges Ziel die Wahrung von Besitzständen hätte erkennen lassen, wäre in der Öffentlichkeit verheerend aufgenommen worden. Der Protest hätte auch den gerade gewählten Spitzenkandidaten beschädigt. Das konnte die CDU nicht wollen. Wolf witterte die Gefahr.

Zwar kündigt Rech heißen Herzens an, die Extrawurst für Peter Hauk als herausgehobener Vize-Fraktionschef werde keine Mehrheit finden. Andere Abgeordnete aber winken ab. Sie sind froh, dass es überhaupt eine Einigung gibt. „Für eine Lösung bin ich bereit, diesen Preis zu zahlen“, sagt denn auch der Ex-Kultusminister Helmut Rau.

Munter spekuliert wird über die Nachfolge im Amt des Landtagspräsidenten. Genannt werden unter anderen der frühere Minister Wolfgang Reinhart, die Ex-Ministerin Monika Stolz und die frühere Staatssekretärin Gurr-Hirsch. Es soll noch etliche mehr Interessenten geben.

Gegen Abend richten sich die Kameras wieder auf Guido Wolf, der nach den strapaziösen Tagen in Köln nun wieder im Landtag eintrifft. Geschmeidig weicht der Spitzenkandidat allen kritischen Fragen aus. Greift er jetzt auch nach dem CDU-Landesvorsitz? Wolf bittet um Geduld. Er will sich für die Entscheidung noch etwas Zeit nehmen. „Ich traue mir den Landesvorsitz zu“, sagt er. Aber er wolle nicht aus der Hüfte schießen. Geschlossenheit sei das Ziel. Nicht wenige in der Partei sagen, Landeschef Thomas Strobl solle das Amt im eigenen Interesse abgeben. Denn: „Bleibt er Parteichef, und wir gewinnen die Wahl, ist trotzdem Wolf der Held. Verlieren wir, ist Strobl der Schuldige.“