Für Margret Ruep zahlt es sich aus, dass sie erst jetzt als Amtschefin abgelöst wurde: Im Mai erreichte sie den Anspruch auf eine deutlich höhere Pension. Kultusminister Stoch dementiert ein solches Kalkül.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der 14. Mai 2013 war ein entscheidendes Datum für Margret Ruep. An diesem Tag amtierte sie genau zwei Jahre als Ministerialdirektorin im Kultusministerium – und damit endlich lange genug, dass ihre aktuellen Bezüge eines Tages Grundlage für die Berechnung ihrer Pension würden. Der finanzielle Sprung, den die heute 63-jährige Pädagogin 2011 mit der Berufung nach Stuttgart gemacht hatte, sollte sich dann auch im Ruhestand dauerhaft auszahlen.

 

Zuvor, als Rektorin der Pädagogischen Hochschule Weingarten, saß Ruep auf einem Posten der Besoldungsgruppe W 3. Grundgehalt: 5600 Euro. Ihre Versorgungsansprüche hätten sich indes aus dem B-5-Sold (7900 Euro) ergeben, den sie als frühere Oberschulamtspräsidentin erhielt. Als Amtschefin verbesserte sie sich schließlich auf B 9, also gut 9800 Euro. Knapp 8000 oder knapp 10 000 Euro als Grundlage des Ruhegehalts – das macht bei gut 70 Prozent des letzten Salärs über die Jahre ein erkleckliches Sümmchen aus.

Über die Zwei-Jahres-Klippe gerettet

Entsprechend gespannt wurde im Kultusministerium, aber auch in anderen Ressorts beobachtet, ob Ruep die Zwei-Jahres-Klippe nehmen würde. Schon zu Zeiten der früheren Ministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD), die die einstige CDU-Frau geholt hatte, galt sie weithin als überfordert; die Führungsprobleme des Ministeriums habe sie zu einem guten Teil mitzuverantworten. Im Blick auf den Stichtag fragte die StZ daher im Frühjahr beim „Kumi“ an, ob der neue Hausherr Andreas Stoch (SPD) die Amtschefin vorher ablösen werde. Doch Stochs Sprecher wies das weit von sich: dafür gebe es keinen Anlass, nichts dergleichen sei geplant.

Knapp zwei Monate später, am Dienstag dieser Woche, wurde Ruep dann doch in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Nicht die Ablösung an sich verwunderte in der Landespolitik, sondern dass der neue Minister sich damit so viel Zeit gelassen hatte. Prompt kursierten Vermutungen, die Ministerialdirektorin sei gezielt wegen der Pension über die Zwei-Jahres-Frist hinaus im Amt gehalten worden. Einen solchen Fall gab es unter grün-rot schon einmal: der noch keine zwei Jahre amtierende „MD“ des bis dahin CDU-geführten Innenministeriums wurde nach dem Regierungswechsel 2011 noch eine Weile im Staatsministerium weiterbeschäftigt, bis er die Pensionsansprüche nach B 9 erdient hatte. Schon damals wurde gefragt, ob eine solche Großzügigkeit auf Kosten der Steuerzahler eigentlich angemessen sei – zumal angesichts der vielbeklagten „Pensionslawine“. Man wisse, „dass dies skeptisch gesehen werden kann“, habe sich aber „für den verantwortungsvollen Umgang“ mit dem Spitzenbeamten entschieden, verlautete aus der Staatskanzlei. Im Fall Ruep soll es solche Überlegungen nicht gegeben haben. Die „Frage der Pensionsberechtigung“ habe bei der Personalentscheidung „keine Rolle gespielt“, versichert Kultusminister Stoch.

Kopfschütteln über den Bildungsberater Fratton

Offiziell keine Rolle spielte auch Rueps Nähe zu dem Schweizer Bildungsunternehmer Peter Fratton, der sich kürzlich nach Kritik aus der Fachwelt („unwissenschaftlich“) als Berater der Landesregierung verabschiedet hatte. Dabei war die Ministerialdirektorin dem Mann eng verbunden. Dessen Lehre vom „selbst organisierten Lernen“, von Lehrern als Lernbegleitern und Schülern als Lernpartnern, fiel bei ihr auf besonders fruchtbaren Boden. Stoch dagegen ging kürzlich demonstrativ auf Distanz zu den „pädagogischen Urbitten“ des Schweizers: „Bringe mir nichts bei; erkläre mir nicht; erziehe mich nicht; motiviere mich nicht.“

Noch deutlicher wurde der Ministerpräsident – und Ex-Lehrer – Winfried Kretschmann, als ihn die StZ auf Fratton ansprach. „Ich kenn’ den jetzt persönlich nicht“, erwiderte er. Von den Urbitten und den „antipädagogischen Thesen“ habe er erst kürzlich aus der Zeitung erfahren. „Davon halte ich nichts, um nicht zu sagen, gar nichts“, entfuhr es Kretschmann. Bei der Lektüre hätten sich ihm „die Haare gesträubt“: „Was das soll, ist mir schleierhaft.“ Es sei jedenfalls ausgeschlossen, dass Fratton mit den „extremen Thesen“ noch Einfluss auf die Bildungspolitik habe.

Kannte Kretschmann ihn oder nicht?

Ganz so überrascht konnte Kretschmann eigentlich nicht gewesen sein. Erst vor fünf Jahren, als Fraktionschef, hatte er Fratton als Referenten bei einer Anhörung der Landtags-Grünen zur „Schule der Zukunft“ begrüßt. Ausweislich des Protokolls redete der Schweizer dort ausführlich über seine bewusst provokativen Urbitten und die „Lernfamilie“ aus Lehrern und Schülern. Kritische Nachfragen oder gar Widerworte Kretschmanns sind nicht überliefert. Zuständig seien damals, im Juni 2008, die Fachpolitiker der Fraktion gewesen, sagte ein Regierungssprecher der StZ; der heutige Ministerpräsident habe „nur ein Grußwort gesprochen“.