Der Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus hat für die Aktien der EnBW weitaus mehr bezahlt, als der Energiekonzern damals wert war. Zu diesem Ergebnis kommen renommierte Gutachter im Auftrag des Landes.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der frühere Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat für das EnBW-Aktienpaket der Électricité de France (EdF) mindestens 840 Millionen Euro zu viel bezahlt. Zu diesem Ergebnis kommt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton (Düsseldorf) in einer gutachterlichen Stellungnahme für die Landesregierung. Zum Zeitpunkt der Transaktion im Dezember 2010 war die Beteiligung von gut 45 Prozent danach höchstens 3,83 Milliarden Euro wert, was einem Preis von 34,05 Euro je Aktie entspricht. Mappus hatte den Franzosen jedoch 41,50 Euro bezahlt, insgesamt 4,67 Milliarden Euro. Das Gutachten dient als Grundlage für mögliche Schadenersatzansprüche des Landes und die Schiedsklage gegen die EdF.

 

Überaus kritisch bewerten die Wirtschaftsprüfer die sogenannte Fairness Opinion, mit der die Investmentbank Morgan Stanley des Mappus-Freundes Dirk Notheis den Kaufpreis als angemessen eingestuft hatte. Insbesondere die Übernahmeprämie von 18,6 Prozent auf den damaligen Aktienkurs halten sie für „nicht gerechtfertigt“. Morgan Stanley hatte argumentiert, sie falle im Vergleich mit früher gezahlten Prämien gering aus und sei vor allem deshalb begründet, weil das Land künftig zusammen mit den oberschwäbischen Landkreisen (OEW) eine „klare“ Mehrheit von 90 Prozent an der EnBW halte.

Prüfer halten Paketzuschlag für unbegründet

Dagegen sagen die Experten von Warth & Klein, der Aufschlag wäre nur dann berechtigt, wenn das Land und die OEW gleichgerichtete Interessen verfolgten und sich auf ein koordiniertes Vorgehen einigten; dies sei jedoch nicht der Fall. Da das Land mithin keine Kontrolle erreichte und man die Aktien laut Mappus ohnehin an Stadtwerke oder über die Börse weiterverkaufen wollte, gebe es keinen Grund für eine Prämie. Vielmehr wäre „ein Paketabschlag naheliegend gewesen“, da die EdF offenkundig ein eigenes Interesse an dem Verkauf gehabt habe, urteilen die Prüfer. Hätten die Franzosen ihre Aktien nämlich über die Börse veräußert, „hätte dies den Kurs erheblich nach unten gedrückt“.

Für „ungeeignet“ halten die Gutachter den von Morgan Stanley angeführten Vergleich mit anderen Transaktionen. Dabei handele es sich überwiegend um den Kauf von Stadtwerken, die mit der EnBW nicht vergleichbar seien. Die Käufer hätten dabei fast ausnahmslos eine Mehrheit erreicht, weshalb in den Preisen eine Übernahmeprämie enthalten sei. Zudem lägen die Transaktionen bereits einige Jahre zurück und seien auch deshalb nicht vergleichbar. Als „irreführend“ werten die Prüfer Mappus’ Rechnung, die Zinskosten für den Aktienerwerb durch die EnBW-Dividende zu finanzieren; dem Land bleibe am Ende sogar ein gewisser Überschuss, hatte der Ex-Premier behauptet.

Diese Betrachtung sei fragwürdig, da sie die unterschiedliche Risikostruktur der Zahlungsströme außer Acht lasse, monieren die Prüfer. Zinsen und Tilgung für die Milliardenanleihen müssten nämlich unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg der EnBW in jedem Fall erbracht werden; die Dividende sei hingegen vom Geschäftsverlauf abhängig und damit fraglich. Tatsächlich geht Mappus’ Rechnung schon in diesem Jahr nicht mehr auf, da das Unternehmen die Ausschüttung stark reduziert hat.

Irreführende Rechnung mit der Dividende

Ebenso „irreführend“ finden die Prüfer die von Mappus übernommene Argumentation von Morgan Stanley, das Land erhalte sogar einen „Discount von knapp zehn Prozent gegenüber dem ursprünglichen Kaufpreis“. Dabei ging es um den Preis beim Verkauf der EnBW-Aktien an die EdF im Jahr 1999, nämlich 38,40 Euro je Anteil. Angesichts der Inflation, hatte die Investmentbank vorgerechnet, entspreche dies einem Wert von 45,60 Euro. Über die steigende Dividende hätten die Aktionäre bereits einen Inflationsausgleich erhalten, widersprechen die Wirtschaftsprüfer.

Den von ihnen ermittelten Unternehmenswert stützen die Prüfer auch auf einen Vergleich mit den Energiekonzernen Eon und RWE, deren Aktienkurse 2010 stärker als der von EnBW gefallen seien. Kursstützend habe sich bei der EnBW eine Verkaufsoption im Aktionärsvertrag zwischen OEW und EdF ausgewirkt. Auch die Kursentwicklung der EdF-Aktie zeige, „dass der Markt die Transaktion als eindeutig vorteilhaft für die EdF bewertet hat“.

In der Schiedsklage gegen die EdF hatte das Land zunächst gut zwei Milliarden Euro zurückgefordert. Der nun ermittelte Wert von 840 Millionen Euro liegt deutlich darunter. Die konkrete Forderung könne jedoch noch deutlich höher ausfallen, hieß es aus Regierungskreisen. Risiken aus Beteiligungen, die zu hohen Abschreibungen führten, oder rechtliche Risiken hätten die Prüfer nicht berücksichtigen können.