Einst als Leuchtturm-Projekt geplant, hat sich die Elbphilharmonie in Hamburg zu einem Albtraum entwickelt. Am Freitag wird der Bericht vorgestellt, der Pannen und Pleiten auflistet.

Hamburg - Am Seil eines Krans schwebt das letzte fehlende Fenster der Außenfassade auf Hamburgs bekannteste Baustelle zu. Im 24. Stock stehen Politiker, Architekten und Handwerker zusammen und schauen zu, wie Arbeiter die Lücke in der „gläsernen Welle“ der Elbphilharmonie schließen. Möwen fliegen an dem ehemaligen Kaispeicher in der Hafencity vorbei, draußen auf der Elbe liegen Eisschollen, drinnen feiern die Verantwortlichen den Baufortschritt. Von einem „mehr oder weniger historischen Moment“, spricht Kultursenatorin Barbara Kisseler an diesem Freitagmittag Ende Januar.

 

Das Konzerthaus sieht nun zumindest von außen so aus wie in dem erstmals 2003 präsentierten Entwurf. Mit einem Eröffnungskonzert sollte die Elbphilharmonie eigentlich bereits 2010 feierlich eingeweiht werden. Fertig ist das „Leuchtturmprojekt“ des ehemaligen CDU-Senats jedoch noch lange nicht. Wie es zu der jahrelangen Verzögerung beim Bau und der Verzehnfachung der Kosten kommen konnte, hat ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft untersucht. Dessen vertraulicher Abschlussbericht wird am Freitag vom Ausschuss im Rathaus beraten.

Der Untersuchungsbericht listet Pannen und Pleiten auf

Vertraulich blieben die darin aufgelisteten Pannen und Pleiten jedoch nicht. Der Entwurf des Berichts, 724 Seiten lang, wurde an Medien durchgesteckt. Die Veröffentlichung der Details machte in der Bürgerschaft bereits Ärger. Überraschen konnte der Bericht allerdings niemanden in der Stadt. Die zahlreichen Desaster sind längst bekannt. Planungsfehler sowie Streit zwischen der Stadt und dem Baukonzern Hochtief führten zu Verzögerungen. Dann kamen Statikprobleme hinzu. Die Glas-Stahl-Konstruktion, die auf den ehemaligen, nun entkernten Kakaospeicher aufgesetzt wurde, war zu schwer für das denkmalgeschützte Gebäude. Das Dach musste gesenkt werden. Fast eineinhalb Jahre ruhte insgesamt die Arbeit.

Neben dem Berliner Flughafen steht die Elbphilharmonie in Deutschland als Symbol für gescheiterte Großbauprojekte im Staatsauftrag. Das Hamburger Konzerthaus sollte ursprünglich 77 Millionen Euro Kosten – momentan nennt die Stadt einen Betrag von 789 Millionen Euro, für den der Steuerzahler aufkommen muss.

Albtraum Elbphilharmonie

Zum Start des Projekts geizten die Verantwortlichen nicht mit Superlativen. Sie versprachen einen „Konzertsaal von Weltklasse“, ein „neues Wahrzeichen für die Stadt“ und „eine spektakuläre Bühne für Hamburgs vibrierende Klassikszene“. Als spektakulär gelten in Hamburg heute vor allem die zahllosen Fehler, die beim Bau der Elbphilharmonie gemacht wurden. Der Bericht der Bürgerschaft nennt nun erstmals offen die Verantwortlichen. Vor allem die Landesregierungen unter Ole von Beust (CDU) kommen nicht gut weg: „Eine teils fehlerhafte und eine teils bewusst falsche Information der Bürgerschaft durch den Senat zieht sich wie ein roter Faden bei dem Projekt Elbphilharmonie durch alle Phasen“, zitiert der NDR aus dem Berichtsentwurf.

Schlechte Noten stellten die Abgeordneten dem ehemaligen Ersten Bürgermeister von Beust aus. Er habe sich zu spät um das Prestigeprojekt gekümmert. Beusts Staatsrat in der Senatskanzlei, Volkmar Schön, der außerdem als Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Realisierungsgesellschaft (ReGe) fungierte, zuständig für die Projektkoordination, wird ebenfalls scharf getadelt. Im vorläufigen Bericht heißt es, „Herr Dr. Schön“ sei seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. Auch die frühere Kultursenatorin Karin von Welck kommt nicht gut weg. Sie habe das Parlament zu spät über steigende Kosten informiert. Harsche Kritik gibt es an weiteren Verantwortlichen der ReGe sowie am Baukonzern Hochtief. Das Unternehmen habe, so deutet es der Bericht an, den Angebotspreis zu niedrig kalkuliert, um später Nachforderungen stellen zu können. Auch die Architekten Herzog und de Meuron hätten mehrfach Planungsfristen nicht eingehalten.

Die SPD präsentiert stolz die kleinen Fortschritte

Der Bericht äußert sich nicht zum Krisenmanagement des aktuellen Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD). Seine Regierungszeit gehört nicht zum Untersuchungsauftrag des Ausschusses. Die Opposition wirft Scholz vor, für einen Großteil des Kostenanstiegs die Verantwortung zu tragen. Der Bürgermeister hatte im vergangenem Jahr neue Verträge mit Hochtief abgeschlossen. Das Unternehmen übernimmt demnach künftig sämtliche weitere Risiken und baut das Konzerthaus zu einem Festpreis von 575 Millionen Euro fertig.

Die in Hamburg allein regierenden Sozialdemokraten weisen alle Kritik zurück und präsentieren stolz die kleinen Fortschritte auf der Baustelle im Hafen. Der Zeitplan werde nun eingehalten: Bis Ende Mai muss Hochtief die Fassade in den Innenschächten im Gebäude fertiggestellt haben. Mitte August soll das Dach regendicht sein. Dann kann es mit dem Innenausbau weitergehen. Im Großen Saal wird bereits eine weiße Spezialhaut aufgetragen, die später perfekte Akustik garantieren soll.

Am 31. Oktober 2016 plant die Stadt, das fertige Gebäude zu übernehmen. Im Frühjahr 2017 soll das Konzerthaus eröffnet werden – wenn nicht wieder etwas dazwischenkommt. Hamburger Barkassenkapitäne, die Touristen an der Elbphilharmonie vorbeischippern, amüsieren ihre Fahrgäste seit Langem mit der Auflistung der nicht eingehaltenen Eröffnungstermine. Eingeweiht wurde wenige Hundert Meter von der Baustelle entfernt bereits das Konzerthaus im Kleinformat. Im Miniatur Wunderland wird die Elbphilharmonie bereits seit November 2013 als Hamburger Wahrzeichen präsentiert.