Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) geht in einem Gutachten für die Kammern im Land von steigenden Stromkosten aus. Die Prognose: plus 70 Prozent bis 2025.

Karlsruhe - Der Ausstieg aus der Atomenergie stellt die heimische Energiewirtschaft ebenso wie deren Kundschaft vor enorme Herausforderungen. Das geht aus einem Gutachten des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hervor, das die baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (IHK) in Auftrag gegeben haben. „In baden-württembergischen Unternehmen wächst die Unruhe“, sagte Peter Kulitz, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags, bei der Präsentation der 200 Seiten dicken Arbeit. Kulitz, der auch Präsident der Ulmer IHK ist, befürchtet, dass die Risiken der Energiewende nicht klar gesehen werden – hinsichtlich Liefersicherheit und Preisentwicklung. Zumindest denkbar ist auch eine große Stromlücke. So hat das KIT eine Extremsituation mit einem Bedarf von 12 Gigawatt für Januar 2025 angenommen und untersucht. Danach könnte es trotz eines Ausbaus der erneuerbaren Energien zu einer Leistungslücke von 6,5 Gigawatt kommen. Diese Lücke ließe sich durch den Bau von Pumpspeichern, Anlagen zur Kraft-Wärme-Koppelung sowie Gaskraftwerken zwar auf 3,9 Gigawatt reduzieren, aber zusätzlich zu den aktuellen Importen von 2,4 Gigawatt müssten dann weitere 1,5 Gigawatt importiert werden. Kulitz ist nicht sicher, ob diese Mengen zu vertretbaren Preisen verfügbar sein werden.

 

Ziel der baden-württembergischen Landesregierung ist, bis zum Jahr 2020 den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion im Land auf 38 (2010: 17) Prozent zu erhöhen. Das KIT blickt auf das  Jahr 2025, also die Zeit nach dem Abschalten des letzten Atomkraftwerks. Dann müssen nach Schätzung der Forscher sogar 40 bis 42 Prozent des Stroms durch erneuerbare Energien zur Verfügung gestellt werden. Peter Fritz, Leiter des KIT-Zentrums Energie, ist ebenso wie der Karlsruher IHK-Präsident Bernd Bechtold nicht davon überzeugt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im gewünschten Tempo vorankommt. Sie rechnen vor: Nach den Zielen der grün-roten Landesregierung müssten in Baden-Württemberg bis 2020 noch 1200 Windräder in Betrieb gehen. Seit der Ankündigung der Pläne lieferten aber nur sechs Windräder Strom; doppelt so viele Anlagen müssten bis 2020 Monat für Monat in Betrieb gehen, um das Ziel noch zu erreichen. Bechtold, dessen IHK für das Thema Energie zuständig ist: „Das ist doch eher unwahrscheinlich.“

Nach Ansicht der Gutachter wird die Energieversorgung im Land nicht nur unsicherer, sondern auch teurer. So sagt das KIT einen Anstieg der Großhandelspreise um 70 Prozent voraus. Bechtold: „Bereits heute liegen die deutschen Strompreise deutlich über dem europäischen Durchschnitt.“ Ein weiterer Anstieg schade der Konkurrenzfähigkeit der heimischen Wirtschaft. Er verwies auf Frankreich, wo der Strom um 40 Prozent billiger sei als im Südwesten. Nach Ansicht des Karlsruher IHK-Präsidenten muss Strom künftig intelligenter genutzt werden. Er verlangt eine Abkehr von Einheitspreisen und eine Hinwendung zu Preisen, die sich im Tagesverlauf an der jeweiligen Angebots- und Nachfragesituation orientieren. Der Verbraucher müsse jederzeit wissen, wie viel ihn der Strom gerade koste.

Der Anteil der Stromimporte ist in den vergangenen Jahren von 17 Prozent auf zuletzt 34 Prozent gestiegen. Soll der Anteil wieder auf den ursprünglichen Wert gesenkt werden, dann müsste nach Darstellung von Fritz entweder der Verbrauch drastisch gesenkt werden oder es müssten neue Kohle- und Gaskraftwerke zugebaut werden, die zu einem Anstieg der CO2-Emissionen um 70 Prozent führen.