Was im Club passiert, bleibt im Club – von wegen! Bei unseren Gute-Nacht-Geschichten wird ausgeplaudert, was das Zeug hält. Stuttgarter DJs, Barkeeper und Türsteher bekommen absolute Sprecherlaubnis und hauen uns die derbsten Nightlife-Storys um die Ohren. Dieses Mal: Reiner Bocka und Team Galao.

Stuttgart - Tatort Marienplatz. Tübingerstraße. Da steht ein Café, das nicht ganz das zu sein scheint, als was es sich ausgibt: Hier gibt es keine Getränkekarte, mittags dafür auch mal ein Nutella Brot und abends spielt noch eine Band, während ein paar Leute von außen durch die Fenster blicken und am „Handbier“ nippen. Bar, Konzertlocation, Restaurant? Reiner Bocka nennt es „ein Ort voller Möglichkeiten“, der mit dem Namenschildchen „Galao“ versehen ist. Gemeinsam mit Oliver Brünemann und Marcel Brucker öffnete Bocka vor sieben Jahren das Galao - am 30. April soll das vor Ort übrigens gefeiert werden. Seitdem ist viel passiert in und mit Stuttgarts wohl schönstem, kitschigsten Örtchen. Von der Gründung des Marienplatzfests zum beinahen Immobilienverlust des Galaos. Reiner hat viele (Nacht-)Geschichten durchgemacht. Drum wollten wir von ihm ein paar für eine gute Nacht bekommen. Doch im „Ort voller Möglichkeiten“ ist das gar nicht so einfach. Hier kommt plötzlich eine Gruppe junger Leute rein, da muss noch ein Booking bestätigt werden und dann ist auch noch die Kollegin mit dem Kind da. „Bei uns weiß man nie, wie ein Tag wird“, sagt Reiner, als er sich schließlich hinsetzen kann. Und während seine Erzählung fast so schön wie bei „es war einmal…“ beginnt, begibt sich prompt das halbe Personal und einige Gäste dazu. Sie alle haben eine kleine Anekdote preiszugeben. Dann fangt mal an Team Galao:

 

Das geschenkte Fell

Reiner: Wir haben ungefähr fünfzig Felle, die es uns hier gemütlich machen. Vermutlich liegt inzwischen auch das ein oder andere bei jemandem zu Hause. Aber es kommen auch welche hinzu: Eine gut betuchte, ältere Dame kam mal rein und sagte, dass sie ausgemistet habe. Sie hätte zwei Felle, von denen sie glaube, dass sie hier gut aufgehoben seien. So hatten wir prompt mehr in unserem Inventar.

Werner

Reiner: Wenn wir schon beim Inventar sind, müssen wir auch Werner erwähnen!

Caro: Oh, ja! Werner!! Der ist uns eines Tages beim Marienplatzfest zugelaufen und gehört seitdem zum festen Galao-Bestand.

Reiner: Werner ist ein alter Rocker und trotzdem gefallen ihm unsere Konzerte so sehr, dass er eigentlich immer hier war - bis er von der Stadt in eine andere Sozialwohnung umgesiedelt wurde. Seine offene Bierrechnung haben wir schon abgeschrieben. Abends war er der Letzte, der mit dem Hexenbesen rauskehrte …

Verena: .. und mit dem er dann Luftgitarre spielte! Er ist manchmal sogar auf die Bühne gestürmt, wenn eine Band spielte. Das machte aber irgendwie nie jemandem etwas aus. Es war, als würde es dazugehören.

Reiner: Ja. Vor allem wenn er mal wieder aus dem Krankenhaus abgehauen war und mit Infusionsnadeln und nacktem Oberkörper im Galao saß... 

Der Zuhörer

Verena: Bei uns stehen die Tische immer anders und es gibt auch keine festen Plätze, sodass die Leute meist irgendwann zusammensitzen müssen und so auch ins Gespräch kommen. Einer unserer Gäste ist darauf sogar meist aus. Er kommt allein, setzt sich irgendwo hin und wartet bis sich jemand nebenan oder dazu gesellt - dann hört er zu und klinkt sich ein!

Caro: Er ist immer in einer anderen Gruppe zu finden, ihm scheint das zu gefallen. Manchmal kommt er aber auch mit seiner Frau, dann bleiben sie zu zweit.

Mutter auf der Bühne

Reiner: Wir haben immer wieder Bands, die bei uns spielen und auch bei uns übernachten. Manchmal bleiben sie dann länger oder kommen wieder. Eine Band kam mal zu Besuch vorbei, als sie auf dem Weg zu einem Konzert war und über Stuttgart fuhr. Am selben Abend spielte meine 80-jährige Mutter schnulzige, bayrische Lieder auf der Zither. Die Hardcore-Rocker kamen mit meiner Mutter ins Gespräch und plötzlich waren alle gemeinsam auf der Bühne und jamten. Hier ist alles möglich!

Die Aushilfen

Caro: Es ist wirklich oft der Fall, dass es den Bands bei uns gut gefällt und sie bei Reiner bleiben wollen. 

Reiner: Vielleicht liegt es daran, dass viele nach dem Konzert bei uns sitzen bleiben, alle gemeinsam etwas trinken und dann wieder jemand spielt.

Caro: Jedenfalls blieb auch eine Band mal für zwei Wochen bei Reiner, kam morgens zu uns ins Galao, half beim Bedienen und legte abends bestens Musik auf!

Serienformat

Verena: Ich habe manchmal das Gefühl, dass es bei uns wie in einer Sitcom zugeht - wie bei Friends oder so. Hier ist alles sehr familiär! Wir haben zum Beispiel eine ältere Dame, die bei uns anfing in den Sonnenschirmkästen Blumen zu pflanzen. Einfach so. Ich weiß gar nicht wie und wann das angefangen hat.

Reiner: Sie bringt immer wieder sehr schöne Sträucher, frisches Gemüse oder tolle Pflanzen bei uns vorbei. Und manchmal wird dann auch um einen Preis gefeilscht - um jeden Cent!

Britney Spears

Caro: Einmal war eine Künstlerin zu Gast, die ganz experimentelle und schräge Musik gemacht hat. Man brauchte echt eine Weile, um sich daran zu gewöhnen.

Reiner: Als es dann richtig gut wurde und die Leute mit ihr warm wurden, hat sie aber plötzlich aufgehört und gesagt: „Geht doch zu Britney Spears!“

Caro: Ein paar Wochen später habe ich sie dann auf Viva oder MTV gesehen…

Der geklaute Rabe

Reiner: Als wir das Galao eröffneten, hängte ich einen ausgestopften Raben an die Wand. Ich wollte wissen, wie meine Geschäftspartner damit umgehen und wie sich unsere Zusammenarbeit entwickelt. Alle akzeptierten es - wir haben wirklich eine tolle Zusammenarbeit, die auf gegenseitiges Vertrauen beruht - aber bei einer Feier wurde mein Rabe dann einmal geklaut. Es hatte sich jedoch um so viele Ecken rumgesprochen, dass er irgendwann wieder zurückkam. Seit dem hängt er wieder neben dem Tresen. Toll!

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