Er ist der DJ mit dem Feier-Gen, für den noch lange nicht Feierabend ist: Hannes Köhn alias KidCut legt diesen Samstag im Cape Collins auf, plauderte aber vorher schon ein bisschen aus dem Nachtleben-Nähkästchen.

Stadtkind: Tanja Simoncev (tan)

Stuttgart - Wie heißt es so schön: "Die besten Geschichten schreibt das Leben selbst." Wenn das mal nicht und ohne Umschweife auf ihn zutrifft: Hannes Köhn bekannt als DJ KidCut ist einer, bei dem es nicht schwer fällt zu sagen: "Mehr Gute-Nacht-Geschichte geht nicht." Warum? Weil der selbsternannte Mixed-Music-DJ sich schon Jahrzehnte im Nightlife tummelt - sonntags auch gern mal in der Spelunke, äh Gaststätte "Rendezvous" versumpfte - und weil bei ihm einfach noch nicht Feierabend ist. Ruhiger werden ist eben nicht sein Ding, auch nicht mit Frau und Kind. 

 

Im hippen Stuttgarter Westen plauderte er kürzlich ganz schön aus dem Plattenkistchen. Dort ist der 36-Jährige übrigens auch geboren und aufgewachsen, dort fand er schnell Gefallen am Musik mixen und Platten drehen. Dann drehten sich erstmal nur die Rollen seiner Rollschuhe, mit denen er nur so durch die Jugendhäuser im Kessel schlidderte und heute dreht sich - nach dem ersten Übergang im Club Prag und einigen Dissen und Off-Locations später - alles mehr oder weniger um die Schankstelle, wo man regelmäßig in trauter Einigkeit "We are family" zelebriert. Doch Abstecher an Turntables anderer Clubs sind trotzdem drin, wie zum Beispiel diesen Samstag im Nachtflug durch das Cape Collins.

Und eins steht dabei immer fest: Hannes gibt - ganz nach dem Prinzip: Es gibt nur ein Gas und das ist Vollgas - immer 100 Prozent. "Ich bin sogar immer noch aufgeregt vor meinen Gigs, weil ich eben immer alles geben will." DJ KidCut liebt aber nicht nur den Exzess, er ist halt auch eine ehrliche Socke und deshalb gibt's von ihm jetzt ganz gerade heraus ein paar Stories, die es in sich haben. 

Um es mit Hannes' Worten zu sagen: "Hate it or love it."

Rave statt Rollerskates

In Stuttgart-Süd hat einer immer die Jugend-Disco veranstaltet und dort hatte ich den ersten Kontakt mit elektronischer Musik. Dann, so im Alter von 16 Jahren, fingen wir im Freundeskreis an, ins Toy zu gehen - zur Afterhour, die ging sonntags vormittags/mittags los und immer so bis 22 Uhr, manchmal auch bis montags um 8 Uhr. Nach und nach sind wir immer früher hin, bis es mal morgens um 6 Uhr war. Für die Eltern gab's die Ausrede: "Wir sind dann mal Rollschuhfahren."

Licht für Getränke

Und dann kam die Zeit, da sind wir immer ins Prag gegangen. Da habe ich dann auch angefangen zu arbeiten und mich ums Licht gekümmert - und dafür free Drinks bekommen. Ich war damals noch keine 18 Jahre alt und das war für mich eine richtig interessante Erfahrung, weil ja damals die ganze Top-Rige an DJs aus der Technoszene am Start war. Ich habe immer nur samstags gearbeitet, weil da Techno lief und ich mich kein bisschen für Hip-Hop interessiert habe. Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich mal Hip-Hop auflege, ich hätte ihm den Vogel gezeigt.

Als Hip-Hop noch groß war

Damals Mitte/Ende der Neunziger, als Hip-Hop in Stuttgart so groß war, da habe ich mich überhaupt nicht dafür interessiert. Ich habe mich auch nie wirklich damit beschäftigt und die Anfänge nicht wirklich im Blut. Also wenn andere mit N.W.A. ankommen, kann ich wenig dazu sagen. Dafür bin ich bei alten Techno-Geschichten voll dabei. Ich war auch damals in der Schule der Einzige, der Techno gehört hat. Und alle immer so: "Was geht denn mit dir ab?", wenn ich montags direkt aus dem Toy und total verballert ankam. Ich war auch optisch der Raver schlechthin: Schlaghose und Buffalo-Treter waren ein Muss.

No-Go: "Atemlos"

Hin und wieder lege ich auf Geschäftsveranstaltungen auf und manchmal zieht musikalisch gar nichts, weil die Leute nur "Atemlos" von Helene Fischer hören wollen. Den Song spiele ich aber nicht, weil ich ihn einfach nicht auf meinem Rechner habe und ich ihn auch nie herunterladen und schon gar nicht spielen werde.

"Die heirate ich mal!"

Eines Abends, bei einem Gig im Club Bett, ist meine Frau an mir vorbeigelaufen und ich habe zu meinem DJ-Kollegen gesagt: "Hey, die heirate ich mal." Er nur so: "Das schaffst du nicht." Ich also los zu ihr und ihrer Freundin, mit einer Flasche Sambucca - die beiden haben ein Glas getrunken, ich die ganz Flasche. Und dann habe ich mich natürlich von meiner besten Seite gezeigt - nicht. Sie ist gegangen, aber ich wusste, dass sie viel in Stuttgart unterwegs ist. Also bin ich immer bei unseren Gigs zwischendurch los in andere Clubs gezogen und habe sie gesucht, aber nie gefunden. Nach vier Wochen bin ich für jemanden im Club Bett eingesprungen und dann war sie da. Tja, und jetzt sind wir tatsächlich verheiratet. 

Ab in die Berge

Nach einem Set im Zapata kam der Chef des Ladens auf uns zu und meinte nur: "Kommt mal mit, wir gehen jetzt Snowboarden." Mein DJ-Kollege und ich damals nur: "Äh, Moment, wir haben nur Platten dabei." Und der Chef so: "Egal, ich zahle euch das." Also ab in den Bus und los ging's. Auf der Fahrt wurde unfassbar viel Absinth getrunken und auf einmal fand ich mich mitten in den Schweizer Bergen wieder. Alle stiegen mit Snowboards und Klamotten aus dem Bus und wir mit unseren Plattenkoffern - schon witzig. Dann ging's in die Hütte, immer weiter getrunken und irgendwann fragte ich: "Hey, wann fahren wir eigentlich zurück?" Cheffe nur so: "Dienstagabend!" Da wurde ich panisch, schließlich musst ich ja ab Montag wieder arbeiten. Ich habe erstmal meinen Vater angerufen, weil ich mit seinem Geschäftswagen zum Zapata gefahren war, den er ja nun selbst abholen musste. Dafür gab's erstmal einen Einlauf. Dann musste ich meine Chefin anrufen und erzählte ihr, ich sei krank. Und sie nur so: "Und was ist das für eine Vorwahl?" Oh man, das war echt ein schräger Tripp.