Dj Ringo redet Tacheles. In seiner Gute-Nacht-Geschichte gibt der Musik-Nerd offen zu, dass er voll down ist mit Beyoncé, aber Szenen für ihn gar nicht gehen. Was der 27-Jährige sonst so aus dem Platten-Kistchen plaudert, lest ihr wie folgt. 

Stadtkind: Tanja Simoncev (tan)

Stuttgart - Musik-Nerd, Band-Gitarrist, DJ-Kollege - Ringo a.k.a. Florian Stelzl ist nightlife-erfahren hoch Zehn und das vor allem seit seinem Job im Zwölfzehn. Das war aber nicht im Jahr 2010. Denn da zog der 27-Jährige aus dem Remstal in den Kessel. Nach einem extrem kurzen Philosophie-Studium war noch schneller klar: das Nachtleben wird sein (zweites) Zuhause. Beim Jobben an der Bar oder den DJ-Gigs in diversen Locations ist noch was save: Ringo mag und macht keine halben Sachen. Als Perfektionist aus Leidenschaftt gibt er immer 100 Prozent, kein Wunder gab's im Zwölfzehn gleich mal die Beförderung zum Geschäftsführer obendrauf.

 

Platten-Nerd und Human Abfall

Doch auch tagsüber beweist der Musik-Liebhaber Präsenz. Neuerdings bei seinem Studium an der Hochschule der Medien, seit einem Schul-Praktikum aber auch im Plattenladen Second-Hand-Records. "Dort bekam ich schnell Einblick in viele Genres, hörte mich durch sämtliche Fächer." Die erste Scheibe kaufte sich der Platten-Nerd übrigens 2003. Das sei noch ganz anderes Zeug als heute gewesen, so US-Punk/Punk-Rock aus den späten 70-ern." Mit dem DJ-ing ging's aber erst 2011 so richtig los.

Und heute so? Da macht er unter anderem Musik mit der Band "Human Abfall". Die Band-Boys lernte Florian, der mittlerweile in Stuttgart-West wohnt, übrigens bei seinem Job im Zwölfzehn kennen, man teilte außerdem die gleiche Leidenschaft: das Plattensammeln. Mit der Gruppe sei nun alles auf einem komfortablen Niveau. "Wir machen das, was wir machen und es macht total Spaß." Ab März geht's by the way auf Tour.

Aber warum eigentlich Ringo? "Den Spitznamen habe ich seit etwa zehn Jahren", erinnert sich der DJ. "Mein guter Freund und damaliger Band-Kollege Joscha Brettschneider und ich fanden es immer witzig, wenn sich lokale Band-Mitglieder Pseudonyme gegeben haben. Da wurde aus einem Fridolin Häberle, der genauso pickelig und milchgesichtig war wie wir, mal ganz schnell ein Jim McOverdrive, Johnny Fuckface oder so ähnlich." Darüber habe man sich gut amüsiert und irgendwann beschlossen: "Dann sind wir jetzt eben Elvis Brettschneider und Ringo Stelzl."

All in the Mix

Und als genau der begegnet er der Musik und dem Leben mehr als open-minded. Was den 27-Jährigen dabei übertrieben nervt: Das Schubladen- bzw. Genre-Denken vieler. "Ich mag Szenen nicht, die gehen mir schnell auf den Sack. Cool ist, wenn man innerhalb von einem Set erkennt, dass der DJ einen weiteren Horizont hat." Alles andere sei doch langweilig. "There's not a problem that I can't fix 'cause I can do it in the mix", lautet deshalb sein Credo. Und Ringo gibt offen zu: "Ich bin auch total down mit Drake und Beyonce, habe da echt null Berührungsängste." Anders bei Alkohol, den rührt er nämlich nicht an. Dafür gibt's ein Ginger-Ale und am nächsten Tag definitiv keinen Kater.

Jetzt wird aber mal schön aus dem Platten-Kistchen geplaudert: Bringt it on, Ringo.

Ende gut, alles gut

Letztes Jahr im März habe ich in einem Club außerhalb von Stuttgart gespielt. Ich kannte den Laden nicht, wurde aber von Emil hinempfohlen - alles okay. Ich habe das Auto von meiner Freundin in der Nähe geparkt, gehe rein, schaue mir das Ganze an, plaudere mit dem Warm-Up-DJ. Als ich dann aufbauen wollte, meinte der Veranstalter: "Ne ne, wir gehen jetzt mal runter, wo du gleich auflegst." Unten angekommen, die Überraschung: Vor mir tat sich eine 600-er-Halle auf, mit acht Meter hohen Decken, einfach eine riesen Disse, die man versuchte, mit Schneekanonen-Hitzestrahlern aufzuheizen. Kurz vor zwei Uhr sollte ich dann auflegen.

Info am Rande: Der DJ vor mir gab schon Vollgas, mit Songs wie "Candy Shop", die ich absolut nicht abkann. Egal, ich versuchte mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, auch weil die Halle um zwei Uhr immer noch leer war. Also spielte ich mein eigenes Warm-Up, dann das Set. Es wurde und wurde aber nicht voller. Oben ging's hingegen gut ab, also wurde die Party kurzerhand dorthin verlegt. Ich habe dann da noch eine Stunde gespielt, hat gepasst. Danach bin ich zum Auto gelaufen, eingestiegen und hab mir nur gedacht: "Boah, geil. Und morgen geht's nach Thailand in den Urlaub." Als ich dann losgefahren bin, waren die Scheiben total beschlagen und ich flitze 200 Meter nach dem Club über de Bordstein drüber, die Folge: Platten.

Ich stellte die Karre notdürftig ab und ging zurück zum Club, wo ich nach einem Wagenheber fragte. Zurück am Auto fing es nicht nur an zu schneien, es stellte sich auch heraus, dass sich im Kofferraum kein Ersatzreifen befand. Den ADAC konnte ich auch nicht anrufen, weil ich keinen Handy-Empfang hatte. Der Ersatzreifen befand sich übrigens unter dem Auto. Ich legte mich dafür dann sogar in den Matsch, kam aber mit dem Drehkreuz nicht hin. Es fuhr auch kein Zug mehr, also musste ich mit nasser Hose beim Veranstalter auf dem Sofa pennen.

Am nächsten Tag klärte sich dann alles, das Auto wurde repariert. Und ich war statt um 5 Uhr nachts, erst um 17 Uhr am nächsten Tag zu Hause. Dann sollte es ja ab in den Urlaub. Wir fuhren abends zum Flughafen, standen erstmal dick im Stau, unser Flieger hatte sechs Stunden Verspätung und wir verpassten unseren Anschlussflug in Dubai. Krasse Katastrophe, ich war völlig fertig. Der Urlaub in Thailand war dann aber super.

Analog ist besser

Neulich kam bei einem DJ-Gig jemand auf mich zu und meinte mit Blick auf mein Serato (DJ-Software): „Tolle Musik, aber du machst es dir ja ganz schön leicht.“ Ich wusste nicht so recht, was ich darauf sagen sollte und reagierte mit einem perplexen Blick. Natürlich hat er völlig recht, aber bei seinem Satz schwingt definitiv auch eine romantische Vorstellung von DJ-ing mit, die mit der Realität wenig zu tun hat.

Seit 2014 spiele ich die meisten Gigs mit Serato. Damit kann ich Dateien auf dem Laptop mit zwei Schallplatten steuern und genauso auflegen wie mit waschechtem Vinyl. Früher war DJ-ing das Privileg derer, die sich eine Plattensammlung leisten konnten. Heute kann sich jeder für 100 Euro eine Serato-Box kaufen oder einfach mit USB-Stick zum Gig auftauchen. Analog-Verfechter trauern hier ihrem verlorenen Monopol nach und stänkern, dass jetzt jeder auflegen könne. Es stimmt schon: Musik ist heute auch ohne prallen Geldbeutel verfügbar. Ein paar tausend Schallplatten machen einen aber genauso wenig zu einem fähigen DJ wie eine Million Dateien auf dem Rechner.

Musik, Mixer, Medium

In der Soul-Szene gibt es das Dogma, dass man nur die erste Pressung einer Platte spielen darf. Der „No Reissues, no compilations, no bullshit“-Claim einer Party bringt mich regelmäßig zum Schmunzeln. Der ursprüngliche Gedanke war, dass die Musik originell bleiben soll und nicht jeder die gleichen Platten spielt. Dank Scheuklappen-Denken ist dieser Anspruch über die Jahre zur Farce geworden: Wer bereit ist 500 Euro für ein Stück auszugeben, darf es spielen und gilt als guter DJ. Klar, ein guter DJ braucht immer eine originelle Auswahl, er muss aber auch technisch fit sein und wissen, wie man ein Set über den ganzen Abend gestaltet. Das klingt einfach, gelingt aber nur, wenn man sich lange und intensiv mit Musik und Mixer beschäftigt und ist vom Medium unabhängig.

Nur um die Vinyl-Esotherik zu bedienen, mache ich mir nicht Rücken und Platten kaputt, verzichte auf digitale Veröffentlichungen und ärgere mich, weil Leute gegen das DJ-Pult torkeln, die Nadeln springen und der Bass koppelt. Platten schleppe ich nur noch, wenn es der Anlass hergibt, dann aber umso lieber. Vielleicht lasse ich mir demnächst Visitenkarten drucken mit der URL zu diesem Artikel und kann mir diese lästig verklärte Digital-/Analog-Realness-Diskussion ein für allemal sparen.