Was im Club passiert, bleibt im Club – von wegen! Bei unseren Gute-Nacht-Geschichten wird ausgeplaudert, was das Zeug hält. Stuttgarter DJs, Barkeeper und Türsteher bekommen absolute Sprecherlaubnis und hauen uns die derbsten Nightlife-Storys um die Ohren. Dieses Mal: Rapper Sickless.

Stadtkind: Tanja Simoncev (tan)

Stuttgart - Siiiiiick sind seine Beats, seine Moves, seine Reime - die Rede ist von Sickless a.k.a. Alexander Föll, falls ihr wisst, wen ich meine. Das Rappen ist sein Ding, genauso wie das Feiern, also lasst uns keine Zeit verschwenden und nicht doof rumeiern. Er soll uns was erzählen, was ihn stresst, was ihn flasht, deshalb überlassen wir ihm gleich das Wort, kurz und schmerzlos, bis es basht. Ursprünglich aus Aalen zog es ihn 2009 nach Stuttgart, in die Mutterstadt des Raps, dort war Hip Hop immer mehr als geschätzt. Also machte er weiter, womit er mit 16 Jahren begann und nahm sich dem einzig wahren Sprechgesang an.

 

Neben Studium und Rap gründete er 2011, das Label "wirscheissengold", mit Freunden, do it yourself. "Wir waren fünf, sechs Dudes, die Bock hatten Musik zu machen." Und wir denken nur: Mensch, die Jungs machen Sachen. Später ergänzte man das Künstlerkollektiv dank Jan Wittekindt mit "wirschneidengold", auch das nur logisch und mehr als gewollt. 2014 erschien - den Uni-Abschluss längst in der Tasche - sein sogenanntes Debüt-Album "Horus", das war mehr als nur 'ne Masche. Rapper Marz kam dazu, zusammen stand man auf Bühnen, das ging ab, im Nu - man konnte sich kaum retten vor Terminen. Im selben Jahr eröffnete man zusammen, als Act, das Hip-Hop-Open, das war groß, und man begann zu proben - für Touren mit Afrob und Edgar Wasser, das geht eigentlich nicht krasser.

Genug mit der Reimerei. Wir kommen jetzt mal runter. Denn Alex hat noch mehr erlebt, das erzählt er uns ganz munter. Ups und vorbei. Der 26-Jährige fing an für die Agentur Full Moon zu arbeiten, fand Gefallen an der Promotiontätigkeit. "Geil war, dass ich da flexibel sein konnte." Und dann ergab das eine das andere und der Rapper, der im Stuttgarter Süden lebt, landete im Team vom Stuttgart Festival - mit dem geilsten Chef der Welt.

Jetzt wird aber weder gerappt, noch gereimt - Sickless hau' sie raus, deine Stories.

R.I.P. Sean Price

Wir haben 2014 in Darmstadt Support für Rapper Sean Price gespielt. In Anbetracht der Tatsache, dass er 2015 verstorben ist, war das Ganze rückblickend noch krasser. Wir sind also in Darmstadt aufgetreten, haben unsere Show in 20 Minuten runtergespielt. Dann hat Sean Price sein Set gespielt und wir wollten im Anschluss natürlich auch ein bisschen mit ihm abhängen und chillen. Doch dies führte zu einer mega skurrilen Situation. Sein Management meinte nur: "Sprecht ihn einfach an, ob er mit euch chillen will." Wir ihn also angesprochen. Dann hat er einfach eine Minute lang an mir vorbeigeschaut und mich ignoriert. Ganz komisch, voll in seinem Film. Als wir später draußen waren, kam sein DJ, PF Cuttin, eine New Yorker DJ-Legende mit eigener Radioshow, auf uns zu. Und Sean Price wurde plötzlich nebensächlich.

Wir haben dann mit PF u.a. über Stuttgarter Hip Hop geredet und er feierte auf einmal Stuttgart voll ab und meinte: "Kolchose, Kolchose, I met DJ Emilio once." Krass, unser Kumpel. Und dann stellte sich heraus, dass DJ Emilio etwa 200 Meter entfernt auf einer Studentenparty auflegte. Als PF das hörte, motivierte er die ganze Gang um Sean Price, mit auf diese Party zu kommen. Dann ging's erstmal noch zum Döner-Mann, der sich auch sonstwas gedacht haben muss. Sean Price immer noch in seiner eigenen Welt. Nach einigem Hin und Her wurden wir dann alle auf die Party reingeschleust und das war halt so 'ne richtige BWLer-Party, nur Weißbrote und ein Zwei-Meter-Hüne namens Sean Price dazwischen, der gleich mal mit den Ladies flirtete. DJ Emilio und PF Cuttin sind sich dann in die Arme gefallen und alles gipfelte in einem DJ Battle, bei dem einige Tracks auch doppelt gespielt wurden. Aber egal, ein mega krasser, verrückter Abend. Vor allem weil Sean Price neun Monate später an einem Herzstillstand gestorben ist.

Die berüchtigte Null

Nächste Story. Marz und ich haben eine berühmte Skala - von eins bis zehn. Also immer wenn wir von der Bühne kommen, bewerten wir quasi den Auftritt. Wir hatten eine berühmte Zehn. Das war im Freund & Kupferstecher beim Lakmann-Konzert. 300 Menschen völlig am ausrasten, verdiente Zehn. Aber wir hatten auch eine berühmte Null. Wir haben damals zuerst in Mössingen gespielt, beim "Umsonst & draußen"- Festival, alles gut, richtig geiles Konzert. Dann am Ende machen wir bei "Klasse von '13" immer eine Cypher in der Menge a.k.a. bilden einen Kreis. Wir also von der Bühne gegangen, haben die Cypher gespielt. Beim Hochspringen zurück auf die Bühne hat es Marz dann echt geschafft, sein Schienbein stumpf auf der Kante aufzuschlagen. Ein Höllen-Schmerz. Er lag da, konnte nicht mehr - das Bein blutig und blau. Dann hat Marz, um das zweite Konzert gut zu überstehen, zwei Schmerztabletten genommen.

Weil das Konzert so geil und wir so euphorisch waren, hatten wir alle vergessen, dass Marz Schmerztabletten genommen hatte und haben getrunken - nicht viel, aber immerhin. Wir hatten dann also noch 'nen Gig in Krauchenwies bei den "No Stress"-Festival-Jungs. Haben dann noch ein Bild mit dem Ortsschild von Killer gemacht - legendär. Kommen dann in Krauchwies an, im tiefsten Urwald. Dort - es war schon dunkel - gefühlt alle Menschen betrunken. Und auch Marz war nicht mehr ganz fit. Wir haben dann also aus einem Truck raus gespielt, der Sound war unter aller Kanone, das Publikum dicht. Und Marz war irgendwie nicht da. Ich dachte nur: "Scheiße, wo bin ich hier gelandet?" Wir haben das Konzert dann mehr schlecht als recht durchgezogen. Ich war so wütend. Auch unser Manager war übelst sauer, wollte sich nur noch beim Veranstalter entschuldigen. Es stellte sich dann heraus, dass der irgendwo am Waldrand war und mit einer Ische rumgemacht hat. Auf der Heimfahrt haben wir dann alle nicht mehr miteinander geredet - Marz und ich sogar eine Woche lang nicht. Mittlerweile können wir darüber lachen. Aber das war ganz klar die berüchtigte Null.

Rätsel-Russe

So, last but not least. Wir waren mit Edgar Wasser auf Tour und haben beim ersten Stopp in Duisburg gespielt. Alles eher trist und grau - typische Industriestadt halt. Als wir nach unserem Gig dann ins Hotel zurückkamen, stimmte irgendwas mit Edgar nicht, er war völlig außer sich. Es kam raus, dass er, als er sein Zimmer betreten hatte, das genaue Gegenteil eines Diebstahls vorfand. Es lagen ein fremdes Handy und fremde Zigaretten auf seinem Nachttisch und das Bett war ein bisschen ungemacht. Edgar fühlte sich in seiner Privatsphäre gestört und war deshalb ziemlich sauer. Und wir anderen standen auch alle im Raum und fragten uns: Was geht hier eigentlich gerade vor sich? Wo kommen die ganzen Sachen her? Dann haben wir alles durchsucht. Da war auch ein bisschen Panik dabei. Und als wir gerade alle voll aufgebraust waren, klingelte das Handy. Alle still. Das war so krass. Es klingelte, dreimal, viermal. Wir wussten: Okay, einer muss jetzt rangehen. Also ist der Manager von Edgar rangegangen.

Am Telefon irgendein komischer, verträumter Dude, der fragte: "Wo ist mein Handy?" Wir haben ihm dann gesagt, wo es ist, in Raum blabla. Er nur: "Okay, ich komme" und legte auf. Dann hörten wir es über uns knarzen, sind voll in Panik geraten und haben geschrien: "Ah, bewaffnet euch." Der Typ kam rein, in Jogginghose und Unterhemd, nahm seine Kippen und sein Handy, bedankte sich und wollte gehen. Er war total verpeilt. Aber wir wollten ihn nicht gehen lassen und er nur: "Ich weiß nicht, ich weiß nicht" mit russichem Akzent. Es war so gruselig. Irgendwann haben wir dann begriffen, dass er echt nichts weiß. Er kam dann auch mit uns raus, eine Zigarette rauchen. Und dann ging die Fragerei los und dabei merkten wir, dass seine Erinnerung ein bisschen gesponnen hatte und völlige Leere in seinem Blick herrschte. Er berichtet von Ereignissen, wie einem Fußballspiel, das er aktuell wahrgenommen hatte, die aber einen Tag zurücklagen. Dem Mann fehlte ein ganzer Tag, so schien es. Dann lief er Richtung Stadtpark suchte sein Auto. Wir blieben verstört zurück, überlegten was mit ihm nicht stimmte, ob und wenn ja, wie er einen Erinnerungsverlust erlitten hatte. Am nächsten Morgen, als wir gerade draußen beim Rauchen standen, kam der Russe raus - mit Frau und Kind - und stieg, ohne uns zu grüßen, in sein Auto. Aber man hat in seinen Augen gesehen, irgendwas war da, aber er hat's nicht gecheckt. Bis heute ist uns die Geschichte ein Rätsel.