Die StZ erzählt Gute-Nacht-Geschichten aus Hotels in Stuttgart. Heute ein Haus mit kirchlichen Wurzeln und weltlichem Charme: Kurzurlaub im Hotel Wartburg im Hospitalviertel.

Stuttgart - Zweiter Stock, Zimmer 223, Einzug von Vater, Mutter und zwei Kindern. Der Flur des Hotels Wartburg im Hospitalviertel ist wie Flure von Mittelklassehotels gerne sind: lang und trist, mit Kratzspuren von Koffern in den Ecken. In dem familientauglichen Doppelzimmer aber kann man es gut aushalten. Die orange-roten Vorhänge mit Blätterornamenten atmen den Charme der 1990er Jahre. Die grün-rot gemusterten Sessel sind genauso neutral wie der Teppich. Und den Schrank aus Furnierholz möchte man im eigenen Schlafzimmer zwar nicht stehen haben, aber im Hotel ist er vertrauenserweckend. Und das Bad ist großzügig und blitzeblank.

 

Ein Teil der Überschüsse fließt in die diakonische Arbeit

Das Hotel Wartburg an der Lange Straße ist ein Haus mit 74 Zimmern und christlichen Wurzeln. Träger des Hotels sind die Evangelischen Wohnheime, ein Verein, dessen Ursprünge bis 1864 zurückreichen und dessen Gründungszweck es war, jungen Menschen in Ausbildung eine günstige Unterkunft zu verschaffen. „Die Menschen sollten einen Ort und eine Gemeinschaft finden und von der Straße weg sein“, erzählt Werner Schäfer, der geschichtsbewusste Geschäftsführer der Evangelischen Wohnheime, dessen Schreibtisch im vierten Stock des Hotels steht.

Der Verein unterhält daneben Obdachlosenheime wie das Hans-Sachs-Haus, Frauenwohnheime wie das Käthe-Luther-Haus und Jugendwohnheime wie das Johannes-Brenz-Haus. Wie passt da ein Stadthotel hinein? „Man kann auch ein Hotel im christlichen Geist betreiben“, versichert Schäfer. Ein Teil der Überschüsse, die das Wartburg erwirtschaftet, fließen jedenfalls alljährlich in die diakonische Arbeit und zum Beispiel in die Weihnachtsfeier im Hans-Sachs-Haus.

Neben dem Doppelbett liegt eine Ausgabe des Neuen Testaments. Einmal aufgeschlagen, landet die Besucherin bei den Römerbriefen des Paulus. Schwere Kost für einen lauen Sommerabend. Ein Kreuz im Zimmer findet sich nicht, eine Einladung zur Morgenandacht auch nicht. Wer in Zimmer 223 nach weiteren Spuren christlichen Lebens sucht, landet in der Minibar. Dort liegen nicht die üblichen Süßigkeiten, sondern fair gehandelte Schokoriegel von Gepa, der Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt. Beim Gang durchs Haus entdeckt man Broschüren des Verbandes christlicher Hoteliers und ein Bild der Reformationsjubiläums-Botschafterin Margot Käßmann.

Wenig Fluktuation unter den Mitarbeitern

Werner Schäfer aber sieht den christlichen Geist des Hauses an anderer Stelle: „Im Umgang mit den Mitarbeitern geht es bei uns nicht um Gewinnmaximierung. Wir pflegen ein faires und demokratisches Miteinander.“ Dieser Umgang sei in der Gastronomie nicht selbstverständlich, auch wenn er sich auszahle. „Wir haben wenig Fluktuation, die Mitarbeiter bleiben.“

Der freundliche Mann an der Hotelbar ist erst seit zwei Monaten als Aushilfe dabei. Bei Bedarf übernimmt er die Nachtschichten an der Rezeption, zu seinen Aufgaben gehört dann auch der Ausschank an der angrenzenden und an diesem Abend einsamen Bar. Ab und an öffnet sich die Schiebetür und der nächste Hotelgast fragt nach seinem Schlüssel, um dann gen Aufzug davonzutrotten. Dazwischen hat der freundliche Mensch von der Rezeption Zeit, von seiner Heimat Iran zu erzählen und zu schildern, wie laut und trubelig es an den Wochenenden vor dem Hotel Wartburg sein kann. Man kann es sich kaum vorstellen. An diesem späten Donnerstagabend in der Bar hört man von draußen nur ein paar vorbeifahrende Autos.

Ärger mit der angrenzenden Partymeile

„Die angrenzende Partymeile ist für uns zum Problem geworden“, sagt die Hotelleiterin Claudia Weller. An manchen Wochenenden sei der Lärm der Feiernden für die Hotelgäste mit Fenstern zur Straße nur schwer zu ertragen. „An der Rezeption halten wir Oropax bereit“, erzählt sie. Die Stammgäste lassen sich von der kollektiven Party nicht abschrecken, viele sind ohnehin Geschäftsleute und kommen unter der Woche. Treu sind dem Wartburg auch die religiösen Einrichtungen im Viertel. Der Hospitalhof schickt seine Referenten in die Lange Straße 49, die jüdische Gemeinde viele ihrer Gäste. Sonderkonditionen bekommt auch das Organisationsteam des Evangelischen Kirchentages, das im Sommer 2015 natürlich in dem Hotel mit kirchlichen Wurzeln nächtigen wird. „Am Kirchentag sind wir ausgebucht“, sagt Weller.

Ins Zimmer 223 dringt in dieser Nacht nur das Brummen der Klimaanlage aus dem Hof. Am Morgen kommt das Brummen der Kinder dazu, die an den Frühstückstisch drängen. Im Essensraum wartet eine mehr als zuvorkommende asiatische Kellnerin und ein leckeres Frühstücksbuffett. Mit fair gehandelten Fruchtaufstrichen.