Erst wurde die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall verlacht, dann bekämpft. Heute setzt sie 120 Millionen Euro um und beschäftigt in der Gruppe 500 Mitarbeiter.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Wolpertshausen - Ein Hang über dem tief ins Bühlertal eingeschnittenen Cröffelbach, sattgrünes Gras, ein Maschendrahtzaun, am Tor ein kleines Schildchen, drei Buchstaben drauf: HRH. Die Abkürzung bedeutet in diesem Fall His Royal Highness und wer das Schild genauer anschaut, erfährt auch, warum: „Prinz Charles Schweineweide“ steht unter dem Kürzel. Auch der englische Thronfolger nämlich war vor einigen Jahren in Hohenlohe, hat nicht nur seine Verwandten in Schloß Langenburg besucht, sondern auch dem „Hällischen Landschwein“ eine Visite abgestattet. „Hier weiden meine Schweine“, sagt Rudolf Bühler, dessen Familienname vom Bach Bühler stammt. Ähnlich wie Schafe fressen sie Gras, ernähren sich damit und verhindern gleichzeitig die Verbuschung ihrer Hangweide. „Das kann man nur mit den Hällischen Landschweinen machen“, sagt Bühler, „andere würden das ganze Gelände umgraben“. Warum sie das täten, weiß auch Bühler nicht so genau, „vielleicht, weil sie aggressiver sind“.

 

Seine eigenen Schweine sind offenbar friedfertiger, möglicherweise, weil sie artgerecht gehalten werden, etwa ihren Auslauf haben. Sechs Jahr war Bühler in der Entwicklungshilfe tätig, der „Blick von außen hat das Bewusstsein geschärft“ meint er. Als er zurückkam aus der großen weiten Welt, ging er daran, die heimatliche Schweinewelt umzukrempeln. Ich habe die noch lebenden hällischen Landschweine aufgesammelt“, sagt der Gründer und Vorsitzende der Bäuerlichen Erzeugergenossenschaft Schwäbisch Hall (BESH), „in Hohenlohe, im Schwarzwald und im Saarland.“

Schließlich hatte er ein Dutzend der alten Rasse zusammen, ein Jahr, nachdem er 1984 „in fünfzehnter Generation“ den Sonnenhof in Wolpertshausen von seinem Vater übernommen hatte. Zwei Jahre später gründet er einen Zuchtverband, nach weiteren zwei Jahren zusammen mit acht Aufrechten die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. „Das waren alles weitblickende Bauern, die haben gewusst, dass die industrielle Landwirtschaft in eine Sackgasse führt“, sagt der Retter des schwarz-rosa Landschweines. Anfangs wurden sie belächelt, später bekämpft. „Von der Wissenschaft, vom Bauernverband, von der Fleischindustrie“, erzählt er und nimmt in seinem Büro ein Buch aus dem Regal: „Hier stehen wissenschaftliche Grundsätze für die Tierhaltung, kein Tierfutter war damals ohne Antibiotika, das war ganz selbstverständlich, dass die drin waren“.

Der Verkauf durch Feinkost Böhm in Stuttgart verhalf zu Reputation

Und außerdem habe es nur den Gattungsbegriff Schweinefleisch gegeben – „keinen Hinweis auf die Haltung oder die Herkunft“. Die Ernährungsindustrie war sauer auf die Hohenloher, „weil es nun plötzlich gutes oder schlechtes Fleisch geben sollte“, der Bauernverband meinte, „das geht schneller wieder, als es kam“, rückte aber dennoch einem Haller Hotelier auf die Pelle, der das Landschwein auf seiner Speisekarte hatte. Vor allem aber der Verkauf in Stuttgart, durch Feinkost Böhm verhalf zu Reputation. Das war eine wichtige Werbung, denn das Fleisch der alten Rasse wurde vielfach als „altes Glump“ bezeichnet, hatte zunächst kaum Abnehmer. Inzwischen gilt das Fleisch vom Haller Landschwein als Delikatesse, wird in gehobenen Restaurants angeboten, aber auch von vielen Metzgern.

Aus den acht Aufrechten, die einfach eine andere Landwirtschaft wollten, ist eine Gemeinschaft mit 1460 Mitgliedern geworden, darunter etwa 460 Biobauern wie Bühler, der 1990 seinen Hof auf Ökolandwirtschaft umgestellt hat. Inzwischen geht es nicht mehr nur um Idealismus: „Es muss sich rechnen, sonst funktioniert es nicht“, sagt der Gründer der Genossenschaft, der selbst 100 Schweine, aber auch Schafe hält. Und es scheint tatsächlich gelungen, den Mitgliedern eine wirtschaftliche Perspektive zu bieten. Während die traditionellen Bauern über einen Preis von nur 1,26 Euro pro Kilogramm Schweinefleisch klagen und so mancher vor der Pleite steht, zählt Bühler auf, was seine Genossenschaft ihren Mitgliedern bietet: „Für Fleisch vom Hällischen Landschwein garantieren wir 1,70 Euro pro Kilogramm, für Biofleisch 3,80 Euro und für Demeterfleisch vier Euro“.

Die Genossenschaft will auch eine Alternative zu großen Agrarfabriken sein. Die eher kleinbäuerliche Struktur des Südwestens mit ihren Familienbetrieben habe durchaus Zukunft, meint der Obergenosse, „es zeigt sich auch bereits, dass in unseren Betrieben die Nachfolge besser klappt“.

Inzwischen sind die Bauern sogar Schlossbesitzer

Dass sich nur Reiche vom Fleisch der alten Rasse ernähren könnten, glaubt Bühler indes nicht. Die Supermärkte, meint er, sorgten für eine Grundversorgung mit ebenfalls guten Lebensmitteln. Auf einen Anteil von etwa 25 Prozent schätzt er den potenziellen Markt für seine „Premiumprodukte“. Und diese sind für ihn keineswegs nur schlichte Nahrungsmittel: „Das Essen hat auch etwas mit Kultur zu tun“, meint er. Doch nicht nur dies: „Es ist ein politisches Signal für eine andere Landwirtschaft“.

Und wohl auch ein Signal für die eigene Expansion. Vor etlichen Jahren schon hat die Erzeugergenossenschaft den kommunalen Schlachthof der Stadt Schwäbisch Hall übernommen und wieder aufgemöbelt, aus der Insolvenz wurde die Dorfkäserei im nahen Geifertshofen erworben, so dass man jetzt auch eine eigene Molkerei hat. In Wolpertshausen bietet zudem der „Regionalmarkt Hohenlohe“ allerhand von Bauern aus der Region an, nicht nur Fleisch, sondern auch Honig, Kartoffeln oder Eier. Und da Waschmittel oder Zahnpasta zumindest bis jetzt noch nicht in Hohenlohe wachsen, gibt es auch etliche Produkte von Edeka in den Regalen. Der Regionalmarkt ist inzwischen eine von acht Verkaufsstellen, zwei gibt es in Stuttgart, die jüngste wurde im vergangenen Jahr in Berlin eröffnet.

In der Gruppe werden inzwischen gut 500 Mitarbeiter beschäftigt, der Umsatz stieg in den vergangenen zehn Jahren von 70 Millionen Euro auf 120 Millionen Euro. Inzwischen sind die Bauern sogar Schlossbesitzer: Von der Heimstiftung der evangelischen Kirche haben die Genossen vergangenes Jahr das Schloss in Kirchberg an der Jagst gekauft. Dort wurde bereits eine landwirtschaftliche Volkshochschule eingerichtet, zusammen mit Universitäten Kassel und Wien soll für Studenten vom Herbst an gelehrt werden, was zum Repertoire der alternativen Landwirtschaft gehört. „Dreimal haben Bauern das Schloss belagert, ohne es einzunehmen“, sagt der diplomierte Landwirt Bühler, „zuletzt im Revolutionsjahr 1848“. Auch das hat damals nicht geklappt. Heute aber kann er zufrieden lächelnd sagen: „Jetzt haben wir es auf friedlichem Wege in die Hand bekommen“.