Egal ob Kaffee, Olivenöl oder Marmelade: Das Internet kennt keine Öffnungszeiten, kostet keine Ladenmiete und bietet kleinen Erzeugern damit eine großartige Plattform. Man muss sie nur zu nutzen wissen.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart Der Handel im Internet kostet Arbeitsplätze und lässt ganze Innenstädte veröden, heißt es. Dabei hat die Möglichkeit, im Internet etwa gastronomische Produkte bestellen zu können, für eine erstaunliche Ausdifferenzierung in Sachen Vielfalt und Qualität gesorgt, wie drei Beispiele aus der Region zeigen.

 

Tausend und ein Aroma der Rohbohne

Heiko Blocher bezeichnet sich selbst als Kaffeefreak. Der 33-Jährige ist eigentlich Diplomsozialpädagoge und feilt derzeit an seiner Abschlussarbeit in einem berufsbegleitenden BWL-Masterstudiengang, den die Hochschule Esslingen gemeinsam mit der Paritätischen Bildungsakademie anbietet. Der Fokus liegt hier auf sogenannten Non-Profit-Unternehmen. Vor dem Unterricht und nach der Arbeit kümmert sich Blocher aber um seine zweite Leidenschaft: „Die tausend und ein Aromen, die eine Kaffeebohne entfalten kann, je nachdem wie man sie röstet.“ An seiner Kaffeemühle hängt ein Schild mit dem Spruch „Never stand between me and my coffee“. Den nussigen und schön starken Espresso serviert er in einer eisgekühlten Tasse, „das ist meine Sommer-Kreation“.

Heiko Blocher lässt in Hamburg rösten

Blocher betreibt den Kaffeehandel Schwarzmahler, den Koffein-Consaissseure zum spannendsten zählen, was der Kaffee-Markt derzeit hergibt. Über www.schwarzmahler.de vertreibt Blocher fair gehandelten Kaffee aus Ecuador in verschiedenen Röstungen. Vor etwas mehr als zwei Jahren hat er sein kleines Unternehmen gegründet. „Ich habe verschiedene Röstprofile erstellt, die ein Direktimporteur in Hamburg exakt nach meinen Vorgaben umsetzt“, so Blocher. Rund 800 Kunden aus ganz Deutschland schwören auf Blochers Kreationen, an die 50 bestellen in der Region Stuttgart. „Vor zehn Jahren hätte ich noch keine Möglichkeit gehabt, mich als Kaffeehändler zu versuchen. Erst das Netz hat mir meine Existenz ermöglicht“ sagt Blocher. „Mit dem Webshop fallen die Ladenkosten weg, der Verbraucher kann rund um die Uhr bestellen, und ich kann mir die Zeit frei einteilen“, so Blocher.

Das Olivenöl des Strafverteidigers

Auch der 35-jährige Christos Psaltiras und seine Frau Milagros Portocarrero-Psaltiras (38) schätzen die Vertriebsmöglichkeiten des Internets. Von Böblingen aus versorgt das Ehepaar die Welt mit Olivenöl, das Christos Psaltiras Bruder Nicos in den Olivenölhainen der Familie in der Nähe des griechischen Ortes Kambos produziert. Derzeit werden rund 13 Tonnen des Öls von Griechenland mit dem Lastwagen nach Böblingen geschickt. „Das Internet bietet uns die Möglichkeit, ein breiteres Publikum außerhalb unseres Einzugsgebiets rund um Stuttgart zu erreichen“, sagt Christos Psaltiras.

Der Webshop ist nicht an Öffnungszeiten gebunden

Über Social-Media-Plattformen steigert Psaltiras die Bekanntheit seines Produkts, ohne viel Geld in Werbung stecken zu müssen. „Außerdem ist der Verbraucher dank unserer Homepage www.garbelias.eu nicht an Öffnungszeiten gebunden.“ Die freie Zeiteinteilung kommt dem Ehepaar auch entgegen: Psaltiras arbeitet in seinem ersten Beruf als Fachanwalt für Strafrecht, seine Frau ist ebenfalls als Anwältin tätig.

Die 200 000 Klicks der Landfrau

Dass die Kundschaft auf der Suche nach dem perfekten Gsälz zu Birgit Neußer nach Hause kommt, stellt eher die Ausnahme dar. Neußer betreibt den Foodblog www.dielandfrau.com. „Die Seite habe ich vor zwei Jahren als Sammlung gestartet, damit die Rezepte meiner Oma nicht verloren gehen“, erzählt Neußer. In der Ecke ihres Hauses auf dem Killesberg steht ein Karton mit sieben Packungen Zucker, auf dem Couchtisch liegt eine Ausgabe des „Feinschmeckers“ und durch die Küche weht ein betörender Duft von frischem Brot und Erdbeermarmelade.

Erst Rezeptsammlung, jetzt Klickwunder

Die einst als Rezeptsammlung gestartete Seite hat sich längst zu einem der erfolgreichsten Foodblogs der Stadt gemausert – allein in der vergangenen Woche wurde Neußers Seite mit angegliedertem Shop 200 000 mal angeklickt. „Wenn ich eine neue Marmelade bei Facebook poste, kann ich mich vor Bestellungen kaum retten“, so Neußer, die hauptberuflich als Marketingleiterin bei einer Stuttgarter Agentur tätig ist. Vor zehn Jahren hatte Neußer eine Cateringfirma betrieben. „Als Werbung haben wir damals Postkarten verschickt. Die Resonanz war gleich null.“Heute macht Neußer für ihre Produkte und Kochkurse via Twitter und sonstigen Social-Media-Kanälen Reklame – und kann sich vor Bestellungen kaum retten. Das Netz bietet kleinen Erzeugern eben eine fantastische Plattform. Man muss sie nur zu nutzen wissen.