Hohe Anforderungen und mäßige Bezahlung: erst einem Headhunter ist es offenbar gelungen, qualifizierte Bewerber für das 3900 Mitarbeiter starke Amt aufzutun.

Stuttgart - Seit August 2015 sucht die Stadt Stuttgart einen Nachfolger für den Jugendamtsleiter Bruno Pfeifle. Der Kaufmann und Diplomvolkswirt führt das Amt seit 25 Jahren und wechselt im Mai in den Ruhestand. Doch es erwies sich offensichtlich als schwierig, per Zeitungsanzeigen eine ausreichende Anzahl qualifizierter Bewerber zu finden für ein Amt, das mit knapp 3900 Mitarbeitern nicht nur zu den größten in der Stadtverwaltung zählt, sondern das aufgrund seiner Klientel und seiner Aufgabenbereiche auch zu den heikelsten gehört: nämlich für die Unversehrtheit von Tausenden von Kindern zu sorgen und dafür auch geradestehen zu müssen.

 

Erst als man in der Sache Headhunter eingeschaltete, habe man Erfolg gehabt, heißt es im Rathaus. Nun seien drei Bewerber gefunden: ein interner, zwei externe. Auch Pfeifles langjähriger Stellvertreter Heinrich Korn (60) hat seinen Hut in den Ring geworfen, wie er auf Anfrage bestätigte.

Hohe Anforderungen, mäßige Bezahlung

Die Anforderungen sind hoch, die Bezahlung hält sich in Grenzen: Für 7138,66 Euro im Monat (Besoldungsgruppe B2) beziehungsweise 7559,12 Euro (B3), je nach Voraussetzungen, soll der Amtschef oder die Amtschefin nicht nur knapp 3900 Mitarbeiter führen und das Amt in den gemeinderätlichen Gremien sowie gegenüber anderen Institutionen vertreten, sondern auch dafür sorgen, dass die Jugendhilfe in Stuttgart strategisch richtig aufgestellt ist und fachlich weiterentwickelt wird. Zu den konzeptionellen Aufgaben des Amtsleiters gehört auch, die Kooperation mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, mit Kirchen und sonstigen Gruppen voranzutreiben, wie es vor einigen Monaten in einer Zeitungsausschreibung vom 27. August hieß.

Gesucht werde ein Mensch mit „umfassenden Erfahrungen in der Führung großer Organisationseinheiten mit interdisziplinärer Ausrichtung – vorzugsweise im kommunalen Umfeld – und ausgeprägten Führungskompetenzen“, zudem entscheidungsfreudig und mit „ausgeprägter Kommunikationsbereitschaft“. Und selbstverständlich werden ein einschlägiger Hochschulabschluss und „langjährige Praxiserfahrungen und Kenntnissen im Bereich der Jugendhilfe“ vorausgesetzt.

Viele Aufgaben: Kitaplätze ausbauen, Fachkräfte gewinnen

Was so nicht in der Ausschreibung steht, aber den oder die Neue sicherlich ebenfalls beschäftigen wird, ist der stete Aus- und Umbau der Kitaplätze, der Umgang mit klagenden Eltern und die Gewinnung weiterer Fachkräfte, für die es am besten ein kreatives Händchen braucht. Denn schließlich ist das Stuttgarter Jugendamt auch Trägerin von 181 Kindertageseinrichtungen mit insgesamt 11 228 Plätzen. Und neben Betreuung haben die Einrichtungen ja längst auch Bildung zu bieten, was bei der zunehmenden Zahl von aus dem Ausland kommenden Kindern womöglich auch inhaltlich neue Konzepte erfordert.

Allerdings muss der oder die Neue nicht bei Null anfangen. Für seine konzeptionelle Arbeit hat das Amt immer wieder Lob bekommen – nicht nur von den Gemeinderatsfraktionen, auch überregional. In Sachen Kinderschutz, Prävention und frühe Hilfen gilt das Amt weit über Stuttgart hinaus als Vorreiter. Auch Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer sieht ihr Jugendamt „in allen Bereichen gut aufgestellt – es steht exzellent da“. Eine bundesweite Sonderstellung habe dieses mit seinen Hilfen zur Erziehung – „weil wir das selber machen, da können wir andere Maßstäbe setzen“.

Neue Herausforderung: unbegleitete Flüchtlingskinder

Bewährt habe sich auch die Umstellung auf eine sozialräumliche Verantwortung mit dezentralen Organisationseinheiten – „da waren wir vornedran“, so Fezer. „Die Jugendlichen müssen in ihrem Quartier angesprochen werden, in ihren Familien, in ihrer peer group“, erklärt die Bürgermeisterin. Und: „Das ganze Umfeld muss einbezogen werden.“ Nicht zuletzt hat auch die Maxime, dass man auf die Selbstkräfte der Familie setzt, sowie das differenzierte Beratungsangebot dazu geführt, dass das Jugendamt in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr nur als strenge, angsteinflößende Kontrolleinrichtung wahrgenommen wird, sondern auch als Dienstleister. Bei der Vergabe der Kitaplätze könnte es allerdings noch nachbessern. Und: „Neue Herausforderungen sind die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“, sagt Fezer. „Ein anderes großes Thema ist die Inklusion: die Einbeziehung von Jugendlichen mit Behinderung in die Jugendhilfe.“ Nach einer nichtöffentlichen Vorstellungsrunde im Verwaltungsausschuss wird der Gemeinderat am 14. April sein Votum abgeben. Ob der neue Leiter sein Amt dann bereits am 1. Mai antreten wird, wie in der Ausschreibung vorgesehen, ist noch offen.