Schwimmsportler machen der Stadt Leonberg Vorwürfe wegen des maroden Sportzentrums. Alternativen zur Schließung sieht der Bürgermeister keine.  

Leonberg - War da etwa ein bisschen von jener Wut zu spüren, die die Länder im Mittelmeerraum derzeit zum Beben bringt? Gewiss, angesichts der langfristigen Schließung des Bades und der offenen Zukunft ihrer Vereine waren die Leonberger Schwimmsportler empört, aber sie waren auch erstaunlich fair. Manch einer dachte wohl daran, in welch lebensgefährlichem Umfeld er bisher seine Freizeit verbracht hatte. Und keiner konnte glauben, dass derart gravierende technische Mängel Knall auf Fall auftauchen. Die Entscheidung der Stadt, das Bad zu schließen, ist nach den jetzt veröffentlichten Fakten eine spät eingeleitete Notbremsung gewesen, die Schlimmes verhindern sollte.

 

Noch ist völlig offen, ob es für das Bad eine Zukunft gibt, ob eine Sanierung möglich oder ein Neubau finanzierbar ist. Weil die Leonberger Stadtkasse leer ist, gibt es momentan keine andere Möglichkeit, als eine vertraute und notwendige Struktureinrichtung zu schließen. Das ist etwas ganz anderes, als wenn ein Projekt vom Wunschzettel gestrichen würde. Die Leonberger Jugendlichen erleben, was ihren Altersgenossen in anderen Kommunen noch bevorstehen könnte. Sie werden immer weniger von der öffentlichen Hand erwarten können. Die heutigen Kids werden, bezogen auf die kommunalen Angebote, nicht mehr so gut leben wie ihre Eltern. Das lässt die Krise konkret werden - und das ist schmerzhaft.

Lebensgefahr

Für Schwimmer im Leonberger Hallenbad besteht derzeit Lebensgefahr - das ist die Einschätzung des Stuttgarter Gutachters Rainer Trimborn. Deshalb hat die Stadtverwaltung aus seiner Sicht keine Alternativen zur Schließung des Sportzentrums gehabt, die mindestens 20 bis 24 Monate dauern wird. So viel Zeit nimmt eine Sanierung des Schwimmbads und der Sporthalle in Anspruch, weil das 37 Jahre alte Gebäude bis auf den Rohbauzustand skelettiert werden müsste.

Die Bürgerversammlung in der Steinturnhalle war für die rund 200 Zuhörer, darunter Sportler, Eltern und Lehrer, ein Abend der Schreckensmeldungen: Sie hörten am Montag von Schwelbränden, die sich immer wieder in den elektrischen Schaltanlagen entzündet hätten. Die Versicherung, dass sie stets von selbst erloschen seien, war nicht zur Beruhigung angetan. Denn in Ermangelung einer Brandmeldeanlage wären sie wohl ohnehin nicht rechtzeitig aufgefallen. Dabei hatte bereits im Jahr 2009 ein Gutachter die Leonberger Stadtverwaltung auf den desolaten Zustand hingewiesen. "Weil wir um den schwierigen Zustand der Elektroanlagen im Sportzentrum wussten, haben wir einejährliche Prüfung durchgeführt", sagte die Erste Bürgermeisterin Inge Horn.

Vorgeschrieben ist ein solcher Anlagencheck nur alle vier Jahre. "Wir haben gehofft, dass unser altes Auto noch mal und noch mal durch den Tüv kommt", erklärte der Oberbürgermeister Bernhard Schuler, der darauf vor allem von den Leonberger Schwimmsportlern wütende Reaktionen erhielt. Die Wasserfreunde und die DLRG sind von der Schließung besonders betroffen. Sie haben nun keinen Platz mehr für ihr Training und ihre Wettkämpfe. Alle anderen Vereine hingegen können auf einen Ersatz hoffen. Für sie sowie den Schulsport gibt es in anderen Hallen Platz. "Wir müssen jetzt nach vorne schauen und uns unterhaken. Die Probleme sind nicht von der Stadt verursacht worden", appellierte Schuler.

Etliche Betroffene bezweifeln das

Doch genau dies bezweifelten etliche Betroffene: Der DLRG-Vorstand Oliver Sauermann erinnerte daran, dass der Gemeinderat das Hallenbad im Jahr 2009 besichtigte. Damals hatte der Gutachter Siegfried Klotz vor der überalterten Technik gewarnt. Reagiert habe der Gemeinderat nicht, warf Sauermann den Politikern vor. Der Zustand "hat sich nicht in den vergangenen acht Wochen verändert", kritisierte auch der Leistungsschwimmer Moritz Großmann. Einige Stadträte begründeteten die Untätigkeit am Montag mit der finanziellen Lage der Stadt. 2009 habe Leonberg jeden Cent für einen genehmigungsfähigen Haushalt zusammenkratzen müssen. Und aus der Sicht des OB hätte ein Eingreifen damals die Lage ohnehin nur bedingt verbessert. "Wenn wir 2009 gesagt hätten, wir sanieren jetzt, dann wäre das Bad heute auch geschlossen. Wir können uns kein Ersatzbad leisten", sagte Schuler.

Gleichwohl muss der Gemeinderat nun über die Zukunft des Sportzentrums entscheiden. Drei Möglichkeiten werden diskutiert: eine Sanierung, ein Neubau oder eine interkommunale Lösung mit den Nachbarn Rutesheim oder Gerlingen (Kreis Ludwigsburg). Würden die Städte für ein neues Sportzentrum gemeinsame Sache machen, hätte dies den Vorteil, dass die Kosten dafür geteilt werden könnten. Sollte sich Leonberg für einen Neubau im Alleingang entscheiden, würde dies ersten Schätzungen zufolge 20 Millionen Euro kosten. Der Aufwand für eine Sanierung des vorerst geschlossenen Zentrums werden auf etwa zehn Millionen Euro taxiert.

Dass Schätzungen auch schnell überholt sein können, zeigt die Entwicklung der Schließzeit. War die Verwaltung zunächst von rund einem Jahr ausgegangen, spricht sie nun davon, dass das Gebäude 20 bis 24 Monate dicht bleiben werde.

Fast alle Kabel sind überlastet

Untersuchung Nachdem die Leonberger Elektrofirma Felger den sogenannten E-Check für das Sportzentrum nicht übernehmen wollte, prüfte der Ingenieur Rainer Trimborn die Anlage aus dem Jahr 1974. Das Ergebnis seiner Prüfung ist eine lange Mängelliste.

Steckdosen Bei 90 Prozent der Steckdosenstromkreise im Sportzentrum löst die Sicherung im Notfall nicht aus. Das betrifft auch Steckdosen in der Badehalle und solche, die die Besucher nach dem Schwimmen für den Föhn nutzen. Es besteht Lebensgefahr.

Kabelbrand Fast alle Kabel sind überlastet. Dadurch werden sie heiß und brannten bereits mehrfach. Die Schwelbrände wurden nur deshalb nicht entdeckt, weil es keine automatische Brandmeldeanlage gibt. Im fensterlosen Bereich der Umkleidekabinen ist die Sicherheitsbeleuchtung für Notfälle defekt.

Stromschläge Die Abdeckungen der Unterwasserscheinwerfer im Bad sind defekt: Elektrische Fehlströme, also Stromschläge durch Hochspannung, im Schwimmerbecken könnten nicht ausgeschlossen werden.

Holzdecke Kleine Reparaturen sind nicht machbar. "Unter der Holzdecke sind Kabel lose auf Schwarzpapier verlegt, was gar nicht mehr erlaubt ist", schreibt Trimborn.

Blitzeinschlag Auch ein Überspannungsschutz ist nicht vorhanden. Ein Blitzeinschlag könnte die komplette Installation zerstören und im schlimmsten Fall einen Brand auslösen.

Brandschutz Zwischen den Geschossen und Gebäudeteilen gibt es keine Brandschotts oder baulichen Absicherungen. mic