Kevynn Nyokas gastiert mit Frisch Auf Göppingen an diesem Mittwoch in der Handball-Bundesliga beim HBW Balingen-Weilstetten um seinen Bruder Olivier. Mit ihrer spektakulären Spielweise haben die französischen Zwillinge die Herzen vieler Fans in Deutschland im Sturm erobert.

Göppingen/Balingen - Die Saison in der Handball-Bundesliga ist erst wenige Spieltage alt, als ein spektakulärer Videozusammenschnitt die Runde macht. Zu sehen sind zwei Spieler mit einer gewaltigen Sprungkraft und Dynamik, die den Handball aus allen möglichen und einigen eher unmöglichen Positionen und Situationen ins Tor katapultieren. „Die unfassbaren Nyokas-Brüder rocken die stärkste Liga der Welt“ – so ist das Filmchen betitelt, dessen Protagonisten an diesem Mittwoch (20.15 Uhr) den Stoff für Teil zwei ihrer Filmkarriere liefern wollen. Als Kulisse dient die Balinger Sparkassenarena, wo das Bundesligaderby zwischen dem HBW Balingen-Weilstetten und Frisch Auf Göppingen ausgetragen wird. Ob es erneut ein Kassenschlager wird, ist indes offen.

 

Am Drehbuch wird es nicht scheitern. Hier Olivier Nyokas, 28 Jahre alt, Rechtshänder im linken Rückraum, 68 Saisontore für den HBW Balingen-Weilstetten. Dort Kevynn Nyokas, auch 28 Jahre alt, Linkshänder im rechten Rückraum, 57 Saisontore für Frisch Auf Göppingen, 25-maliger französischer Nationalspieler. Das Duell der Zwillingsbrüder. Das Duell der Unzertrennlichen. Das ist guter Filmstoff.

Das Problem: beide sind nicht richtig fit. Olivier kämpft mit einer angerissenen Plantarsehne in der Fußsohle, Kevynn wird seit Wochen von Schulterproblemen gebremst. Spielen wollen sie trotzdem – und am liebsten gleichzeitig und gegeneinander. Denn, so sagt Kevynn, „das motiviert“. Viermal sind sie sich in ihrer Karriere, die in einer Schule im Pariser Vorort Montfermeil begann, in der französischen Liga schon gegenübergestanden. Olivier auf Seiten von US Creteil HB, wo er die vergangenen fünf Jahre unter Vertrag stand, Kevynn bei Chambery Savoie HB. Zwischenstand: 2:2.

Die Zwillinge zeichnet ihr Zug zum Tor aus

Leichtfüßig, schnell, athletisch und mit einem unglaublichen Zug beim Wurf – mit diesen Attributen haben die Nyokas-Brüder die Herzen vieler Fans im Sturm erobert. Die fleißigen Profis zeigen sich aber auch in anderen Rollen: der ungestüme Kevynn, der sich in die gegnerische Abwehrreihe wirft und so manches Offensivfoul kassiert. Oder der Alleinunterhalter Olivier, der sich Würfe nimmt, die nie Teil eines Werbefilms werden.

Markus Gaugisch kann gut mit den Extremen leben. „Für uns ist eine super Sache, dass wir im linken Rückraum durch ihn zwei unterschiedliche Spielertypen haben“, sagt der Trainer des HBW Balingen-Weilstetten. Sein Frisch-Auf-Kollege Magnus Andersson betrachtet die Arbeit mit seinem Linkshänder („Er war mein Wunschspieler“) auch als Herausforderung. „Sein Temperament gehört zu seinem Spiel“, sagt der schwedische Coach in Göppinger Diensten, „und positiv ist, dass er keine Angst hat und Verantwortung übernimmt.“

Das Aufeinandertreffen ihrer neuen Teams gibt Kevynn und Olivier Nyokas zwar einen besonderen Kick, viel lieber als gegeneinander spielen sie indes miteinander, wie vor acht Jahren in Paris. Als Göppingen nun Kevynn aus seinem Vertrag in Chambery herausgekauft und ihn bis 2017 verpflichtet hatte, schickte auch Oliviers Berater ein Bewerbungsvideo nach Deutschland. „Ich hätte ihn auch gerne zu uns geholt“, sagt der Frisch-Auf-Geschäftsführer Gerd Hofele. Die Planungen waren zu diesem Zeitpunkt jedoch schon abgeschlossen.

An Weihnachten trifft sich die ganze Familie in Balingen

Also griff Olivier, dessen Wechsel nach Nantes so gut wie perfekt war, zur schwäbischen Alternative – auch, um in der Nähe seines Zwillingsbruders zu sein. „Das ist wichtig für uns“, sagt Olivier, „seit wir 20 Jahre alt sind, haben wir uns maximal eine Woche lang nicht gesehen.“ Jetzt trennen sie 90 Kilometer, die sie so häufig wie möglich zurücklegen, wann immer es Spiel- und   Trainingspläne zulassen. „Irgendwann werden wir wieder zusammen spielen“, sagt Olivier.

Nicht nur die Zwillinge sind durch eine besondere Nähe miteinander verbunden, die gesamte Familie, die ihre Wurzeln in der ehemaligen französischen Kolonie Republik Kongo hat, ist immer bestens informiert. Die Eltern und drei weitere Brüder, allesamt nicht sportlich aktiv, leben in Paris. „Die Familie ist sehr wichtig für uns. Wir stehen in ganz engem Kontakt“, sagt Kevynn.

An Weihnachten werden sie sich alle treffen, bei Olivier in Balingen. Gut möglich, dass dann gemeinsam auch noch einmal ein Video mit spektakulären Toren geschaut wird – ganz exklusiv mit Originalkommentaren.