Nachdem der Gemeinderat vergangenes Jahr beschlossen hat, dass die Nutzung von städtischen Flächen für Händler zu günstig sei, geht es bei Mario Saturno um die Existenz. Er verkauft seit 30 Jahren in Stuttgart Eis und kann sich die neuen Gebühren nicht mehr leisten.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Dass heute die Sonne nicht scheint, stört Mario Saturno nur wenig. Obwohl der 66-Jährige Eis aus seinem Wagen heraus verkauft, plagen ihn gerade ganz andere Sorgen. Die Stadt hat in einigen Bereichen um die Königstraße die Nutzungsgebühr für sogenannte „fliegende Händler“ erhöht. Für die Thouretstraße, wo Saturno an Sonntagen immer steht, muss der Stuttgarter 120 Prozent mehr abdrücken als zuvor. „Es geht um meine Existenz“, sagt Saturno.

 

Im vergangenen Jahr hat der Gemeinderat beschlossen, dass die gewerbliche Nutzung von öffentlichen Flächen in der belebten Innenstadt zu günstig sei. Seitdem liegen die Sondernutzungsgebühren auf der Königstraße für alle drei angefangenen Quadratmeter bei 411,60 Euro im Monat. Verwaltet werden die Flächen vom Tiefbauamt. Für Saturno sind das jetzt 3850 Euro, sagt er. Auch wenn sein Eiswagen nur fünf Meter lang ist, muss er die Verkaufsfläche davor mitbezahlen. „Ich müsste das Vierfache an Umsatz machen, um überleben zu können“, sagt der Saturno, der nur wenige hundert Euro Rente im Monat bekommt. Das entspräche etwa 150 verkauften Eiskugeln täglich, rechnet er grob zusammen. Im März ist die neue Gebührenregelung in Kraft getreten. Den ersten Monat habe der Eisverkäufer bereits stunden müssen, sagt er.

Das Tiefbauamt kann nicht einfach eine Sonderregelung erlassen

Mario Saturno prägt mit seinem Eiswagen das Stadtbild seit mehr als 30 Jahren. Und womöglich war es auch wirklich nicht im Sinne der Gebührenerhöhung, das Gewerbe eines kleinen Eishändlers plattzumachen. Doch das Tiefbauamt kann nicht einfach eine Sonderregelung erlassen. Damit würde es den Beschluss des Gemeinderats übergehen.

Das hat auch Veronika Kienzle, die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, erkannt. Sie hat alle Bezirksbeiratsfraktionen hinter sich geschart – und hinter Saturno. Die gemeinsame Forderung: Der Gemeinderat soll sich mit Saturno als Einzelfall befassen.

Besonders bitter für ihn ist, dass er sich jüngst sogar ein umweltschonendes Elektrofahrzeug für seinen mobilen Verkaufsstand angeschafft hat. Grund dafür ist das Diesel-Fahrverbot, das das Land Baden-Württemberg für viele Bereiche in der Innenstadt neulich erlassen hat. „Das Problem ist, dass mein neues Fahrzeug sehr langsam fährt“, sagt er. 18 Kilometer pro Stunde.

Weiter sei problematisch, dass er den Ort nicht beliebig wechseln kann, da sich nicht überall genug Ladestationen für das Vehikel befinden. Ohnehin ist Saturno zwei Stunden von seinem Wohnort Wangen bis zur Thouretstraße unterwegs.

Heute soll Saturno dort doppelt so viel bezahlen wie bisher

Bereits in der Vergangenheit trieb die Politik die Frage um: Wie viel Basar-Charakter vertragen Königstraße und Schlossplatz? 2005 entschied der Gemeinderat, dass es zu viele fliegende Händler waren, die dort ihre Waren feilboten. „Vor allem Tangas und billigen Modeschmuck“, erinnert sich Bezirksvorsteherin Kienzle. Also erhielten die Flächen neue Zuordnungen, um das unerwünschte Treiben zu beenden.

Damals war Saturno einer der wenigen Händler ohne eigene Gewerbeflächen, die einen neuen Platz zugeteilt bekommen haben. Heute soll er dort doppelt so viel bezahlen. „Lange halte ich das nicht mehr durch“, sagt Mario Saturno.

Morgen soll es wieder sonnig werden.