Eine Handgranate wird auf das Gelände eines Flüchtlingsheims geworfen, und dennoch hat das mit Fremdenfeindlichkeit nichts zu tun. Die Polizei geht von einem Zwist zwischen Wachdiensten aus. Möglicherweise sind Rocker im Spiel.

Villingen-Schwenningen - Im Fall des Handgranatenwurfs am 29. Januar auf ein Flüchtlingsheim in Villingen konzentrieren sich die Ermittlungen nun auf den Zwist zwischen verschiedenen Sicherheitsfirmen. Fest steht, dass vier Männer zwischen 22 und 37 Jahren aus dem Landkreis Rottweil und dem Schwarzwald-Baar-Kreis festgenommen wurden, die alle einen osteuropäischen Migrationshintergrund haben. Nicht ausgeschlossen ist, dass sie dem Rockermilieu angehören, das der Polizei schon seit einiger Zeit Probleme bereitet. Gegen drei der Beschuldigten wurden Haftbefehle wegen eines Verbrechens gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz erlassen. Über mögliche Motive wollte die Polizei auch am Mittwoch nichts verlautbaren, aus ermittlungstaktischen Gründen, wie es hieß. Ob es sich dabei um eine persönliche Abrechnung wegen möglicher Schulden oder um Machtkämpfe im Sicherheitsbereich handelt, wird untersucht.

 

Kein fremdenfeindlicher Hintergrund

Einen fremdenfeindlichen Hintergrund dagegen schließt die Polizei aus, so eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Konstanz und des Polizeipräsidiums Tuttlingen zu dem Wurf der scharfen Handgranate. Die jugoslawische Granate vom Typ M 52 explodierte nicht, niemand wurde verletzt. Zunächst aber lag es nahe, einen fremdenfeindlichen Hintergrund zu vermuten. Entsprechend hatte die Politik in Bund und Land auf den Anschlag reagiert.

„Also das ist wirklich unfassbar, dass jetzt schon mit Handgranaten – quasi mit militärischen Waffen – auf Asylsuchende losgegangen wird“, hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) für viele gesprochen. In der Stadt wurde gegen Gewalt von rechts demonstriert. Zunächst war „in alle Richtungen“ ermittelt worden, dabei wurden auch Personen überprüft, die durch fremdenfeindliche Aktionen aufgefallen waren oder rechtsradikalen Organisationen zugeordnet werden. „Das ergab keine Anhaltspunkte“, heißt es nun.

So waren sich Ermittler schon nach wenigen Tagen nicht mehr sicher, ob der Tat ein fremdenfeindlicher Hintergrund zugrund liegt. Einen Hinweis gab der Fundort der Handgranate neben einem Container, in dem sich drei Wachleute aufhielten. Galt der Anschlag dem Sicherheitsdienst? Dem Fundort nach wurde die Ermittlungsgruppe mit 75 Beamten „Container“ genannt.

Regierungspräsidien zuständig für Wachdienste

Durch das Ergebnis der Ermittlungen gerät die gesamte Sicherheitsbranche ins Zwielicht. Villingen-Schwenningens OB Rupert Kubon sagte gegenüber der dpa: „Man muss bei der Auswahl der Sicherheitskräfte sehr genau schauen, wen engagiert man da. Aus der Eile und aus der Not heraus hat man offensichtlich nicht die richtigen Leute gefunden.“ Grundsätzlich sind die Regierungspräsidien für die Auswahl der Sicherheitsdienste zuständig. „Bevor wir zu diesem Fall Stellung nehmen, wollen wir die Ermittlungen der Polizei abwarten“, sagte ein Sprecher des für die Region zuständigen Regierungspräsidiums Freiburg.

Offensichtlich ist, dass bei der Einrichtung von Flüchtlingsheimen binnen weniger Tage auch im Falle des Sicherheitspersonals rasch entschieden werden muss. Die zuständigen Firmen, die mitunter mehrere Hundert Mitarbeiter haben, bieten sich den Regierungspräsidien an oder werden empfohlen. Ein Auswahlverfahren per Ausschreibung wurde im Land mitunter durch eine direkte Vergabe abgekürzt, die Unterlagen mussten in solchen Fällen aber nachgereicht werden. Die Aufsichtsbehörde achtet darauf, dass wenigstens einige der Wachleute – viele von ihnen haben einen Migrationshintergrund – die Sprache der in den jeweiligen Unterkünften lebenden Flüchtlinge sprechen.

Bessere Ausbildung gefordert

Die genauen Hintergründe der Tat sind noch unklar, doch es erhebt sich Kritik an den Wachdiensten: Pro Asyl bekräftigte seine Forderung nach einer besseren Kontrolle von Wachdiensten. „Die Probleme sind bekannt: Überforderung, mangelnde Qualifikation und Überprüfung, Zahlung von Dumpinglöhnen und die undurchsichtige Weitervergabe von Aufträgen an Subunternehmen“, sagte der stellvertretende Geschäftsführer Bernd Mesovic.

Ebenso hat der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) strengere Vorgaben zur Ausbildung von Wachpersonal angemahnt. Bisher muss das Personal dem Verband zufolge nur eine allgemeine 40-stündige Unterrichtung bei der Industrie- und Handelskammer durchlaufen. Außerdem prüft das Ordnungsamt die Zuverlässigkeit der Angestellten.