Das Projekt Handicap macht Schule geht in die nächste Runde. Zum Auftakt an der Riedseeschule in Stuttgart-Möhringen gab es einen Scheck der Stiftung Allianz für Kinder.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Für die Viertklässler der Riedseeschule ist es ein Rätsel, wie das funktionieren soll. Mit der einen Hand den Ball dribbeln und mit der anderen dem Rollstuhl den entsprechenden Schwung geben. Wer sich den Ball auf den Schoß legt, darf seinen Rollstuhl nur zweimal anschubsen. Schließlich sind beim „Fußgänger-Basketball“, wie es die Rollifahrer nennen, auch nur zwei Schritte mit dem Ball in der Hand erlaubt. „Und so soll ich den Ball übers ganze Feld spielen?“, fragt einer der Viertklässler ungläubig. „Das geht“, antwortet Werner Rieger. Er ist Trainer und Abteilungsleiter beim TSV Ellwangen. Jahrelang spielte er mit den TSV-Rollstuhlbasketballern in der zweiten Bundesliga.

 

Dann dürfen die Riedseeschüler es versuchen: Keiner kann es auf Anhieb. Für die meisten ist es schwierig genug, den Ball im Rollstuhl sitzend zu prellen, während ein anderes Kind schiebt.

Wie spielen blinde Menschen Fußball

Gleich nebenan erklärt Benjamin Zoll wie Blindenfußball funktioniert. Er ist Lehrer an der Nikolauspflege-Stiftung für blinde und sehbehinderte Menschen. „Die Kinder können alles machen, was ihr auch macht“, betont der Trainer. Wer nicht sehe, müsse sich auf das Hören und Tasten konzentrieren. Die Mädchen und Jungen schauen ungläubig. Ihre Klassenlehrerin Melanie Mezger hat im Vorfeld mit den Schüler darüber gesprochen, wie blinde Menschen wohl Fußball spielen. „Die meisten konnten sich das gar nicht vorstellen“, sagt Mezger. Sie freut sich, dass die Viertklässler die Möglichkeit haben, den Sport unter fachkundiger Anleitung auszuprobieren. „Die Schüler sammeln ganz neue Erfahrungen“, sagt sie. Inzwischen hat ein Teil der Schüler eine Brille auf, durch die man nichts sieht. Die nun „blinden“ Kinder sitzen auf einem Stück Teppich und werden von je zwei sehenden Kindern gezogen. Die Schüler lachen. So soll es sein. „Der Spaß steht im Vordergrund“, sagt Mezger.

Grund für den Besuch der Sportprofis ist die Auftaktveranstaltung von „Handicap macht Schule“. Die Riedseeschule ist Gastgeber. Das gemeinsame Projekt des Württembergischen Behinderten- und Rehabilitationssportverbands und der Sportregion Stuttgart gibt es seit 2013. Der Projektleiter Andreas Escher nennt die Ziele: Es gehe darum, die Aufmerksamkeit für den Behindertensport in den Medien zu erhöhen, die Schulen kennenzulernen, Nachwuchs zu akquirieren, Sponsoren zu finden und Folgeprojekte zu generieren. Denn nur so können flächendeckend Angebote für Menschen mit Behinderung geschaffen und die Inklusion im Sport weiter vorangetrieben werden. So schreibt es Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention vor.

Mehr als 40 Schulen machen mit

In den nächsten Wochen ist das Team von „Handicap macht Schule“ noch an mehr als 40 Schulen in der Region. Die Trainer präsentieren vor allem Rollstuhlbasketball und Blindenfußball. „Weil es Teamsportarten sind und weil die Behinderung mit Hilfe von Brille beziehungsweise Rollstuhl leicht zu imitieren ist“, sagt Escher. Die Schüler bekommen die Möglichkeit, sich in die Situation eines behinderten Menschen hineinzuversetzen. Ingrid Willemsen findet das wichtig: „Unsere Schüler finden so einen Zugang zum Behindertensport und können Empathie für Menschen mit Handicap entwickeln“, sagt die Rektorin der Riedseeschule.

Auch Hans-Christoph Dölle ist an diesem Tag zu Gast bei der Auftaktveranstaltung. Der Vorstand der Stiftung Allianz für Kinder hat einen Scheck im Wert von 5000 Euro dabei. Denn die Stiftung unterstützt in diesem Jahr 125 Projekte mit dem Ziel, eine gleichwertige Teilnahme und Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung im Sport zu ermöglichen.