Die weltweit verstreuten Handschriften des Klosters Lorsch werden digitalisiert. Die berühmte Bibliothek soll Ende 2013 virtuell im Internet komplett sein.

Heidelberg - Die umfangreiche mittelalterliche Bibliothek des Klosters Lorsch – zwischen Odenwald und Rhein nahe der heutigen baden-württembergischen Landesgrenze im Süden Hessens gelegen – zählte in der Zeit der Karolinger zu den großen Zentren des Wissens. Noch für die Humanisten des 16. Jahrhunderts waren die Werke der Bibliothek so interessant, dass sie zum Kern der Sammlung des pfälzischen Kurfürsten Ottheinrich, der Bibliotheca Palatina in Heidelberg, wurden – zu deren Ruhm sie viel beigetragen haben.

 

Heute sind noch 330 Handschriften und Handschriftenfragmente der Lorscher Sammlung erhalten – weltweit verstreut in 68 verschiedenen Bibliotheken. Der größte Komplex, insgesamt 133 Handschriften, ist in der Bibliothek des Vatikans in Rom zu finden. Zu den Schriften aus der Blütezeit des Klosters im 8. und 9. Jahrhundert zählen – als wohl bekanntestes und kostbarstes Stück – das Lorscher Evangeliar, der „Livius“ aus dem 5. Jahrhundert, als eines der ältesten Büchern des Bestands, und der „Lorscher Rotulus“, eine Heiligenlitanei für Ludwig den Deutschen.

Universitätsbibliothek Heidelberg digitalisiert die Handschriften

Schon seit zwei Jahren arbeitet die Universitätsbibliothek in Heidelberg daran, die vorhandenen Handschriften zu digitalisieren und die ehemalige „Bibliotheca Laureshamensis“ virtuell wiedererstehen zu lassen. Gestern haben die Wissenschaftsministerinnen von Hessen und Baden-Württemberg, Eva Kühne-Hörmann und Theresia Bauer, dort das einmalige Projekt vorgestellt, das mit rund 450 000 Euro vom Land Hessen gefördert wird.

Durch die virtuelle Rekonstruktion des Bestands der Schriften des Klosters, dessen Bau schon seit Langem als Unesco-Welterbestätte anerkannt ist, entstehe zum ersten Mal die Möglichkeit, dessen intellektuelle Grundlagen und darüber hinaus das Weltbild der Karolingerzeit tief greifend zu erforschen, erklärte Eva Kühne-Hörmann. Das Projekt sei in seiner internationalen Ausrichtung „eine Pionierleistung auf dem Feld der Digitalisierung von Handschriften“, sagte Theresia Bauer. Noch nie sei im Rahmen eines solchen Vorhabens ein so weit verstreuter Bestand zusammengeführt worden. Möglich geworden sei dies auch durch die große Erfahrung der Heidelberger UB auf diesem Gebiet.

Projekt soll 2013 abgeschlossen sein

Deren Mitarbeiter hatten die Erlaubnis erhalten, die Lorscher Handschriften in der Vatikanbibliothek in Eigenregie vor Ort in Rom zu digitalisieren. Mit den dortigen 133 Werken seien inzwischen mehr als die Hälfte der Handschriften, darunter Kodizes aus dem Bayrischen Staatsbibliothek München, der Österreichischen Nationalbibliothek Wien sowie der Zentralbibliothek Zürich digitalisiert und könnten im Internet abgerufen werden, berichtete der Direktor der Heidelberger Bibliothek, Veit Probst. Bis Ende 2013 solle das ganze Projekt abgeschlossen werden.