Steffen Cornehl hält in seiner Werkstatt die Kunstfertigkeit des Uhrmacher-Handwerks hoch. Und seine Produkte können sich durchaus mit denen aus der Schweiz oder aus Sachsen messen.

Stuttgart-Ost - Es ist ein Wohnhaus wie viele andere an der Roßbergstraße. Von außen deutet nichts darauf hin, was im Innern passiert – tief im Keller. Dort hat Steffen Cornehl seine Werkstatt. Und wer eintritt, der weiß, welche Stunde ihm geschlagen hat. Ein Ticken ist zu hören – aus unterschiedlichen Richtungen. Es belebt den Raum. „Es gibt mir ein Wohlgefühl“, sagt der Uhrmacher.

 

Seit 2012 ist der 41-Jährige hier. Dass von der Straße nicht ersichtlich ist, was er tut, hat er nie als Makel empfunden. Demnächst steht ein Umzug innerhalb des Stadtbezirks an. Auch an der neuen Wirkungsstätte bezieht er kein Ladengeschäft. Er brauche das nicht. Kunden empfängt er lieber im Keller – und die schätzen den Werkstatt-Charme.

Gottlieb Daimler war ebenfalls ein Uhren-Liebhaber

Stuttgart gilt nicht gerade als Zentrum der Uhrmacherkunst. Wer große Vielfalt und Geschichte schätzt, ist in Pforzheim oder vor allem im sächsischen Glashütte besser aufgehoben. Aber auch das Land hat prominente Tüftler mit Hang zur Uhr zu bieten. Der Echterdinger Pfarrer und Erfinder Philipp Matthäus Hahn trug den Beinamen „Uhrmacher Gottes“. Gottlieb Daimler war ebenfalls ein Uhren-Liebhaber. Sein erster benzinbetriebener Verbrennungsmotors ist einer Standuhr nachempfunden und trägt just diesen Namen. „Oldtimer-Fans lieben ganz häufig auch alte Uhren“, sagt Steffen Cornehl, den es 1998 aus Mecklenburg-Vorpommern in den Süden gezogen hat.

Die Beziehung zu seinem Handwerk bezeichnet er als Hassliebe. Weil er die Finger nicht davon lassen kann, obwohl er sich schon einmal für immer verabschiedet hat. Er hielt aber nur sieben Jahre durch. 2005 wollte Cornehl etwas anderes tun. Er begann das Studium des Ingenieurwesen in Esslingen. 2012 jedoch holte ihn die Vergangenheit ein. Ein älterer Herr mit einer noch älteren defekten Uhr machte ihn ausfindig und ließ sich auch von Cornehls Beteuerung, er arbeite inzwischen in einem anderen Bereich, nicht abwimmelm. Steffen Cornehl nahm den Herrn samt Uhr in Augenschein – und fing erneut Feuer. Auch weil dieser Job viel handfester und nicht so abstrakt sei wie die Arbeit am Computer. „Ich habe gemerkt, wie viel Freude ich an Uhren empfinde“, sagt er. „Es ist einfach schön, zu begreifen, was im Uhrwerk passiert, wie ein Rad ins nächste greift.“ Elektronischen Geräten fehle das.

Er schwimmt im Kielwasser der Großen

Der Mann und seine Leidenschaft wirken in einer digitalen Welt tatsächlich ein wenig aus der Zeit gefallen. Um herauszufinden, wie viel Uhr es ist, drehen heute die meisten Menschen nicht mehr ihr Armgelenk, sondern greifen zum Smartphone. „Aber es geht speziell bei mechanischen Uhren um mehr als um Funktionalität, es geht um Faszination und Ästhetik“, sagt Cornehl – und gibt zu, dass er selbst erst einen Lernprozess habe durchlaufen müssen, bis er zu der Ansicht gekommen sei.

Einst ein Pragmatiker, hat er sich von dem Gedanken verabschiedet, ein Ding müsse in erster Linie einem Zweck dienen. Auch dem strikten Effizienzdenken stellt er Gemächlichkeit gegenüber. Erst recht, seitdem er eine eigene Kollektion mechanischer Zeitmesser hat. Der Kreativprozess, die Uhrmacherei in ihrem wörtlichen Sinn, hat ihm gefehlt, als er sich darauf beschränkte, alte Uhren zu reparieren oder zu restaurieren. Die Kollektion stellte er im Mai auf der Antikuhrenmesse in Glashütte vor. Er bezeichnet sie als „Frucht schöpferischer Unruh’“.

Und der Markt dafür sei vorhanden. Erst recht in einer Zeit, in der Armbanduhren mehr und mehr als Luxusgut oder Statussymbol gelten. Cornehl schwimmt sozusagen im Kielwasser der Großen wie Rolex, Breitling oder Omega mit. „Ja“, gibt Steffen Cornehl zu, „die Großen schaffen den Markt, ich hänge mich einfach dran.“ Freilich ist er sich bewusst, dass es „fünf bis zehn Jahren dauern kann, bis ich etwas aufgebaut habe“.

Aber im Umgang mit der Zeit ist er schließlich geübt.