Das allseits diskutierte Handy-Verbot an Schulen trifft bei den Betroffenen, den Schülern, auf wenig Verständnis. Sie wünschen sich von den Erwachsenen mehr Vertrauen. An einem Stuttgarter Gymnasium ist die Handynutzung sehr liberal geregelt.

Stuttgart - Dani Amsih ist engagiert, aber manchmal ist der Sprecher des Stadtjugendrates auch ein kleiner Rebell – etwa, wenn es um das strikte Handyverbot an seiner Schule, dem Wirtschaftsgymnasium West, geht. „Wenn es wenigstens ordentlich begründet wäre. Aber so kann ich das einfach nicht nachvollziehen“, sagt er. So denken viele Schüler, auch nach den Vorfällen, über die die Stuttgarter Zeitung in dieser Woche berichtete – und die Debatten auslösten: Mit Smartphones hatten Schüler in Toiletten gefilmt, Gespräche mit Lehrern waren mit Handys aufgezeichnet worden – und in soziale Netzwerke gestellt oder damit gedroht worden. Viele Schulen sehen sich in ihrem Handyverbot bestätigt.

 

Im Wirtschaftsgymnasium West dürfen die oft schon erwachsenen Schüler ihr Handy nicht nutzen. Das ist nur außerhalb des Gebäudes erlaubt. Als Amsih dort anfing, vor rund anderthalb Jahren, konnte ein Verstoß noch ins Geld gehen. Laut Schulordnung drohte beim ersten Mal eine Strafe von 2,50 Euro, beim zweiten Mal von 5 Euro, und beim dritten Verstoß waren vier Stunden Zusatzunterricht zu leisten.

Geldstrafen bei Handynutzung sind nicht erlaubt

„Ich habe mich ans Regierungspräsidium gewendet – und die Schulordnung wurde geändert“, berichtet der 18-Jährige. Das Regierungspräsidium bestätigt auf Nachfrage: Geldstrafen sind in solch einem Fall nicht zulässig. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage. Möglich seien Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen nach Paragraf 90 des Schulgesetzes – vom Nachsitzen bis zum Schulausschluss.

Das Wirtschaftsgymnasium reagierte sofort. Heute gebe es nur noch pädagogische Maßnahmen, sagt der neue Schulleiter Thilo Lang. Die Gesamtlehrerkonferenz entscheide jetzt darüber, wie die neuen Regeln fürs Handy aussehen werden. Gedacht sei unter anderem daran, ein ausdrückliches Verbot von Film- und Tonaufnahmen in die Schulordnung mit aufzunehmen. Seit er im September an die Schule gekommen sei, habe es aber keinen Vorfall gegeben.

Amsih plädiert dafür, den Schülern grundsätzlich Vertrauen entgegen zu bringen und notfalls einzelne Verstöße zu ahnden. Er müsse wegen seiner Ehrenämter viele Telefonate führen. Dass er dafür jedes Mal vor die Türen der Schule rennen müsse, sei sehr lästig. „Warum dürfen Lehrer telefonieren, wir aber nicht“, fragt er.

Eine App als Ersatz für fehlende Bibeln

Ein klares Verbot gibt es mittlerweile auch am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium in Bad Cannstatt. Früher sei es in der Mittagspause in der Aula noch erlaubt gewesen, das Handy zu nutzen, doch im Frühjahr 2014 sei das geändert worden sagt Marius Gschwendtner, ebenfalls Mitglied des Jugendrates. Inzwischen habe es sich eingespielt. Einige Lehrer würden bei den großen Schülern schon mal ein Auge zudrücken, berichtet er. Die gelockerte Handhabung am Elly-Heuss-Knapp kann durchaus auch praktische Gründe haben. Denn wie der 16-jährige Jugendrat berichtet, sind die Privathandys der Schüler hin und wieder für Recherchen im Unterricht sehr willkommen – auch weil es nicht überall in der Schule Internet gebe. Auch Aufgaben und Infos würden bisweilen über Internetdienste wie WhatsApp verschickt.

Im katholischen Mädchengymnasium Sankt Agnes und im Evangelischen Mörike-Gymnasium sind Handys ebenfalls ein No-Go. „Auch in der Pause oder Mittagspause dürfen wir die Handys in der Schule nicht benutzen“, sagt Simone Steinbach, eine der Schulsprecherinnen vom Agnes. Wird man erwischt, werde das Telefon einkassiert und später wieder ausgehändigt, berichten sie und Patricia Roth vom Mörike-Gymnasium. Im Unterricht werde das Handy von Lehrern nur in Ausnahmefällen eingesetzt, sagt die Agnes-Schülerin: „Neulich, als einmal zu wenig Bibeln da waren, durften sich einige Mädchen ausnahmsweise eine Bibel-App herunterladen.“

Liberale Regelung am Heidehof-Gymnasium

Sehnsuchtsvoll könnten die beiden Mädels zum Evangelischen Heidehof-Gymnasium blicken. Hier waren Handys vor ein bis zwei Jahren noch tabu. Doch das Verbot sei gekippt worden, sagt Florens Rilling. Heute dürften Schüler ab Klasse 8 das Handy außerhalb des Unterrichts nutzen. „Es ganz aus der Schule zu verbannen, funktioniert eh nicht. Eine WhatsApp ist so schnell geschrieben“, ist der 16-jährige Stadtjugendrat überzeugt. Die Regelung an seiner Schule lobt er ausdrücklich. Probleme mit illegalen Videos hat es seines Wissens nach bisher nicht gegeben. Und die Schummelei? „Es ist noch nichts vorgekommen, was man nicht auch mit Zetteln hätte machen können“, sagt er.