Der SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch muss wegen der Besetzung des Nordflügels des Hauptbahnhofs 500 Euro zahlen.  

Stuttgart - Zufall oder Ironie des Schicksals? Als Letzteres deutet Hannes Rockenbauch es, dass er just am Donnerstag wegen Hausfriedensbruchs zu 10 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt worden ist - auf den Tag genau ein Jahr nach Beginn der Abrissarbeiten am Nordflügel des Hauptbahnhofs. Eben diesen hatten der Fraktionsvorsitzende der Partei Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) und 47 weitere Stuttgart-21-Gegner erhalten wollen, als sie am frühen Abend des 26. Juli 2010 den leer stehenden Trakt besetzten.

 

Die Ersten waren noch durch den Haupteingang in den Bonatz-Bau gelangt. Nachdem die Polizei diesen gesperrt hatte, kletterten weitere Demonstranten, unter ihnen auch Rockenbauch, über eine Leiter und das Vordach ins Gebäude. Von oben entrollten sie Transparente und skandierten in Richtung der Montagsdemonstranten auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz Parolen. Um kurz vor 23Uhr räumten Beamte den Flügel.

70 Stuttgart-21-Gegner im Gerichtssaal

Strafrichterin Ingrid Petermann sieht in der Tat Hausfriedensbruch und keine Spontandemo. Als Letzteres wollte die Verteidigung die Aktion bewertet wissen. Unter anderem an den mitgebrachten Megafonen und den vom Dachfirst ausgerollten Laken mit dem Spruch "Dieses Gebäude ist besetzt" sei eine Planung zu erkennen, so Petermann. Der Unterschied: bei einer Spontandemo greift das Gesetz gegen den Demonstranten weniger hart durch. So oder so ist Rockenbauch nicht vorbestraft. Einen Eintrag ins Führungszeugnis gibt es erst ab 90 Tagessätzen.

"Der Widerstand war legitim", ist nach wie vor die Auffassung des Stadtrats. Die Besetzung des Nordflügels sei für ihn die letzte Möglichkeit gewesen, "demokratische Einflussnahme" auszuüben. "Mit der Spontandemo wollten wir darauf aufmerksam machen, dass dem Projekt jede demokratische Legitimation fehlt." Eine halbe Stunde referiert er im größten Saal des Amtsgerichts Stuttgart über den verhinderten Bürgerentscheid und die "bewusste Täuschung der Stadträte" über die Projektkosten. Mit Applaus und Zurufen pflichten ihm die 70 S-21-Gegner bei, die der öffentlichen Verhandlung folgen.

Rockenbauch ist einer der letzten Bahnhofsbesetzer, denen der Prozess gemacht wird. Die meisten wurden bereits zu jeweils zehn Tagessätzen verurteilt, nur wenige Verfahren sind noch anhängig. Gegen zwei Studenten, die mit Rockenbauch angeklagt waren, wurde das Verfahren eingestellt. Im Gegenzug müssen sie je 60 Arbeitsstunden leisten.