Als langer, furioser Showdown bringt „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2“ die Kinogeschichte des Zauberlehrlings zu Ende.

Hogwarts - Abra-kadabra-karumm-wumm-bumm! Wer die Harry-Potter-Filme nicht mag, wem schon die Bücher nicht gefallen haben, der darf „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2“, den achten und letzten Teil der Reihe, getrost in diesem Brabbelwort zusammenfassen. Es wird viel gezaubert, es geht viel kaputt, vertraute Figuren sinken tot darnieder, die Spezialeffektmaschine darf zeigen, wozu ihr Turboknopf da ist, und der Soundtrack gewittert 130Minuten lang das Rumpeln der Zerstörung und die symphonischen Wallungen von Heldenseelen in unser Gehör.

 

Wer sich über das Phänomen Harry Potter lustig machen will, findet in dieser Fortsetzung reichlich Material. Man kann diesem Film nämlich vieles vorwerfen: dass er keine vernünftige Dramaturgie besitzt, dass er seine Figuren und Motive weder vorstellt noch nachvollziehbar erklärt, dass er verschwenderisch Dinge auf die Leinwand häuft, die als erschütternde Offenbarungen präsentiert werden, dem Unkundigen aber kaum mehr zu sein scheinen als ein zufälliger Probeschuss der Konfettikanone.

Duellen, Fluchten und Attacken

Man kann aber auch anders an den Film herangehen, der in der Branche nur „HP 7.2“ genannt wird. Diese Verknappung zur Produktkennzahl weist darauf hin, dass wir kein Einzelwerk, sondern das Teilstück von etwas Größerem vor uns haben. Die Potter-Serie wagt eine auf bereits Erzähltes aufbauende statt mühselig alles andauernd rekapitulierende Plot- und Figurenentwicklung. Billigt man den „Heiligtümern des Todes – Teil 2“ den Segmentcharakter des bloßen Showdowns zu, kann man den Film nicht nur genießen, sondern man kann darin auch viele Feinheiten entdecken.

Zwar haben wir es in der Hauptsache mit Duellen, Fluchten und Attacken zu tun. Harry und seine Freunde versuchen, die Horkruxe zu vernichten, jene magischen Gefäße, in die der Oberfinsterling Voldemort Teile seiner Seele ausgelagert hat. Voldemort und seine Gefolgschaft attackieren derweil die Zauberschule Hogwarts. Zauberstäbe speien Blitzgewebe, strupphaarig tumbe Muskelkolosse und zu wuchtig stapfigem Leben erwachte Steinritter prügeln einander nieder, Magiebarrieren wölben sich in den Himmel und trudeln dann in kokelnden Fetzen herab, ein alles beleckender Feuerstrom flutet durch die geheimsten Kammern des Turm um Turm in Schutt sinkenden Hogwarts. In Schlachtpausen zitiert der Regisseur David Yates die Bilder der Notlazarette im London des Blitzkriegs. Die nachträglich angetricksten 3-D-Effekte sind selten zwingend, aber der Helligkeitsverlust durch die 3-D-Brille trägt zu solch morbider Stimmung Passendes bei.

Seite 2: Harry & Co, im dauernden Überlebenskampf

Dass Harry und andere Hauptfiguren nun in der andauernden Ausnahmesituation des Überlebenskampfes gezeigt werden, befreit den Film von zarter Interaktion. So kommt er im Schlachtenwirbel um das Problem herum, dass die Darsteller den Figuren davongealtert sind. Dafür bekommen Nebenfiguren prägnante Auftritte: Alan Rickman als Snape, Maggie Smith als Minerva McGonagall und vor allem Ralph Fiennes als Lord Voldemort.

Fiennes’ Figur war bisher vor allem ein nasenloser Weichkäse mit übler Laune und noch übleren Plänen. Nun bekommt er im stückweisen Dahinscheiden differenziertere Züge, eine Aura der Gebrochenheit und Verletzlichkeit, die Yates und Fiennes in große Bilder fassen. Das Furioseste zeigt einen würgegriffverklammerten Luftritt von Potter und Voldemort, eine Wendel des Wahnsinns, in der Gut und Böse ineinander verschmelzen.

Auch Warner muss Aschied nehmen

Als faszinierenden Subtext kann man die Selbstaufgabe eines Franchise mitlesen. Statistenheere und Heldenhäuflein rennen brüllend vor die Kamera, nicht mit dem Schlachtruf „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ auf den Lippen, aber doch mit dem unsichtbaren Spruchband „Macht kaputt, was Warner reich macht!“ über den Köpfen. Mit diesem verlustreichen Endkampf muss das Großstudio Warner Abschied nehmen von seiner lukrativsten Filmreihe, und in einer Zeit feige inkonsequenter Fortsetzungen und ständiger Reboots („Batman“, „Spider-Man“, „Superman“) tut solches Erzählen auf ein Ende hin unglaublich gut. Wobei Zyniker die letzten Bilder, in denen ein erwachsen gewordener Harry seinen eigenen Sohn nach Hogwarts begleitet, natürlich auch anders deuten können. Wird hier etwa die Serien-Idee „Potter - The Next Generation“ angekündigt?

Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2. Großbritannien, USA 2011. Regie: David Yates. Mit Daniel Radcliffe, Emma Watson, Ralph Fiennes. 130 Minuten. Ab 12 Jahren.