Gernot Hassknecht, der Chefcholeriker der Nation, auf Stippvisite in der Stadt der Wutbürger: Privat ist der Mann hinterm TV-Schreihals ein sanfter Heinz-Erhardt-Typ mit Schalk im Nacken. Das Trickfilmfestival hat ihn mit weiteren Synchronsprechern gefeiert.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Mit über einer Million Fans bei Facebook gehört der Comiczeichner Ralph Ruthe („Shit happens“) zu den deutschen Leitfiguren des sozialen Netzwerks (zum Vergleich: Nicht mal 25 000 folgen dem beliebtesten deutschen Politiker, Winfried Kretschmann).Vor seinem Auftritt im Renitenztheater beim Internationalen Trickfilmfestival hat Herr Ruthe folgende Aufmunterung an die Schwerbeladenen und Düsterseher auf seiner Facebook-Seite gepostet: „Wer mit dem Leben unzufrieden ist und sich insgesamt sehr viele Sorgen macht, hat eventuell einfach zu lange keine Kartoffelkroketten mehr gegessen.“

 

Man könnte seinen Gedanken weiterführen und ausrufen: Wer seine Unzufriedenheit nicht loswird, war lange nicht mehr bei der „Verleihung des Deutschen Animationssprecherpreises“. Die ist zum Brüllen komisch, selbst wenn ein Herr auf der Bühne relativ sanft bleibt, der doch gerade fürs Brüllen in der „heute-show“ geliebt wird.

Wie Gernot Hassknecht, seit 2009 der Chefcholeriker der Nation, richtig heißt, wissen nicht alle. Man kann’s sich aber mit einer Eselsbrücke leicht merken: Er heißt Heist mit s, nicht mit Eszett.

Hans-Joachim Heist ist ein freundlicher, älterer Herr, der einen so nett von unten herauf anstrahlt, dass man ihm nicht zutrauen mag, dass er einem mit hochrotem Kopf IHR PUSSYS! oder SCHNAUZE JETZT! um die Ohren schmettern kann.

Mit Heinz-Erhardt-Programm im Renitenz-Theater

Der nette Mann wird auch nicht wütend, wenn er in Hotels als „Gernot Hassknecht“ eingebucht wird, nicht als Hajo Heist. Dies kommt häufig vor, erzählt er im Foyer des Renitenztheaters. Meist gibt man ihm dann das „indische Zimmer am Ende des Ganges“ – weit von anderen Gästen entfernt, weil er plötzlich losschreien könnte. In der „heute-show“ sitzt er meist verbindlich lächelnd mit Anzug und Krawatte, und seine Fans warten nur darauf, dass er ausflippt. Nun also ist der leicht erregbare TV-Schreihals in der Hauptstadt der Wutbürger angekommen – sein Blutdruck steigt nicht mal. Er redet, als habe er Kreide gefressen. Wenigstens macht Heist, anders als der Moderator, keine Witze über Stuttgart 21. Die sind hier doch alle durch, Herr Christoph Sieber!

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In seinem Alter macht es ihm nichts aus, sagt Heist, auf die Rolle des Hassknecht festgelegt zu werden. Wäre er Mitte 40, würde er damit nun aufhören. Aber er ist 67. Dank des Herrn Hassknecht drohe ihm nun keine Altersarmut, frohlockt er. Und zwei polnische Pflegekräfte habe er auch schon gebucht. Die kann er sich nun leisten. Es sind natürlich gehörlose Pflegekräfte – falls das HB-Männchen in ihm explodiert.

Nein, im Ernst: Privat ist er eher der Heinz-Erhardt-Typ – hat also mehr Schalk als Haare im Nacken. Den Heinz Erhardt spielt er am 1. Juli im Renitenz. Noch’n Gedicht und noch’n Gedicht.

Für die Rolle der Wut im Disney-Film „Alles steht Kopf“ ist er beim Synchronsprecherpreis nominiert. Seine Konkurrenten sind eine schöne, junge Frau und ein schöner, junger Mann. Sein Alleinstellungsmerkmal hilft ihm am Ende nicht. Bettina Zimmermann hat die Tiger-Lady „Kung Fu Panda 3“ gesprochen. Der Verleih hat verboten, dass man einen Ausschnitt zeigt. „Wahrscheinlich denken sie, drei Minuten aus dem Film halten die Leute vom Kinobesuch ab“, vermutet Sieber, der – abgesehen von Stuttgart-21-Gähnern – doch noch richtig gut wird. Gute Idee, Fußgängerampeln in den Boden zu versenken, weil alle mit dem Smartphone nur nach unten schauen.

Der Preis geht an Frauenschwarm Kostja Ullmann

Zum Finale eines lustigen Abends (auch Dodokay und Robeat treten auf) geht der Preis an Frauenschwarm Kostja Ullmann. In „Sam O’Cool – Ein schräger Vogel hebt ab“ verleiht er einem tollpatschigen Grünschnabel seine Stimme. Sam muss die Gefieder-Kumpel ins warme Afrika führen, weil der Chef der Pipsis verletzt ausfällt. Er selbst könne das nicht, sagt Kostja, weil er unter extremer Höhenangst leide. Kunst-Staatssekretär Jürgen Walter ist beeindruckt, dass schöne Männer auch was können, wenn man ihre Schönheit nicht sieht.

Ja, Kostjas Stimme kann fliegen! Und die gute Laune im Saal ist so groß, als hätte es Frei-Kartoffelkroketten für alle gegeben.

So happy sind alle, dass Heist mit dem Lächeln gar nicht mehr aufhören mag.

Von wegen SCHNAUZE JETZT!