Bei den Stuttgarter Highland Games hat das Wort Athletik eine ganz besondere Bedeutung. Beim Training geht es überraschenderweise sehr ruhig zu.

Stuttgart - Es klingt ein bisschen wie ein Zischen, dabei wäre ein Urschrei irgendwie passender. Nein, hier werden keine Speerchen geworfen – oder mäßig schwere Eisenkugeln geschleudert wie in der Leichtathletik. Der Schotte an sich hat es gern kernig. Bei den Highland Games dürfen es mächtige, unförmige Steinbrocken, Baumstämme oder auch viel Gewicht an einem langen Stiel sein. Letzteres nennt man dann Hammerwerfen, wobei der Hammer 19 Kilogramm wiegt. Zum Vergleich: Das gleichnamige Gerät in der Leichtathletik kommt nur auf 7,26 Kilo.

 

Eine Mischung aus Flohmarkt und Folterkammer

Für die ungeheuren Lasten, die da bewegt werden, sind die Athleten sehr ruhig unterwegs. Trainingsbesuch auf der Anlage des ASV Ludwigsburg-Oßweil: ASV steht für Athletik-Sportverein, das „Leicht“ fehlt dabei vor der Athletik. Und das sieht man. Männer, die mutmaßlich zum Reifenwechsel keinen Wagenheber brauchen, schleudern schweres Gerät, bleiben dabei aber doch sehr ruhig. Wie gesagt, ein leises Zischen, bis der Hammer beim Aufschlag ein Stück Gras zerstört – mehr kommt da nicht. Ist aber auch nur Training. Auf jeden Fall kein Vergleich zu dem martialischen Gebrüll, das zum Beispiel ein Diskuswerfer in der Leichtathletik seinem Sportgerät gemeinhin hinterherschickt.

„Wir üben für die 3. Stuttgarter Highland Games am 9. und 10. September“, erklärt Petra Müller, die selbst auch schon mal Vierte bei einer Weltmeisterschaft war und sich jedes Jahr den Namen des WM-Orts auf die Wade tätowieren lässt. Petra Müller ist so etwas wie die Seele des Vereins und zeigt dem Gast in einer kleinen Hütte die Waffen. Sieht aus wie eine Mischung aus Flohmarkt, Folterkammer und Schrottplatz. Viele Steine, schweres Eisen und so manches gebändigt an einer Kette, damit man es besser werfen kann.

Petra Müller ist stolz, dass bei den diesjährigen Spielen beim Weilimdorfer Waldheim die klassischen Disziplinen klar im Vordergrund stehen. Traktoren ziehen oder sich mit Heusäcken von einem Schwebebalken herunterhauen lassen wie bei so mancher Show – für klassische Highlander ist das nichts. Fünf Disziplinen werden in zwei Gewichtsklassen aufgerufen. Unter 90 Kilo ist man Leichtgewicht, darüber ein „Open Heavy“. Das sagt viel. Im Wettkampf geht es dann darum, einen Baumstamm so weit wie möglich zu werfen, den Hammer am Stiel zu schleudern, ebenso ein amtliches Gewicht mit Griff. Und dann noch zweimal mit Steinen, einmal weit und einmal hoch. Nichts für schwache Arme. Petra Müller macht aber auch klar: „Wer nur Kraft und keine Technik hat, der ist chancenlos.“ Wohl wahr. Beim Hochwerfen der Steine beschleunigt man den Wacker rückwärts über den Kopf. Das sollte man schon können, sonst wird es am Ende tragisch, wenn einem das Gewicht von oben auf das unbehelmte Haupt krachen würde. Aber gut, dafür wird ja geübt.

Was trägt man unterm Kilt?

Im Training tragen die Athleten Sporthosen, im Wettkampf dann Kilt, wobei Petra Müller die Mutter aller Fragen beantwortet, bevor sie überhaupt gestellt wird. „Natürlich hat man darunter was an“, sagt sie, „das geht schon wegen der Drehungen nicht anders.“ Dann wäre das auch geklärt. Wenn sich die knapp 40 starken Männer und wackeren Frauen aus mehr als zehn Ländern dann am kommenden Samstag zum Wettkampf treffen, ist also alles sicher verstaut. 2018 wird der ASV Anfang September die offiziellen Weltmeisterschaften in die Region holen. Offen ist nur noch, wo sich die starken Frauen und Männer messen können. Das von der Stadt Stuttgart in Aussicht gestellte Alte Reitstadion ist nun doch nicht zu haben, der Verein dankbar um jede Idee, wo sich die Sportler aus der ganzen Welt und die erwarteten 1500 Zuschauer treffen können. Solche Sportfeste sind immer interessant, auch weil es eben mehr ist als Sport. Bei den Highland Games gibt es zusätzlich Kultur, Märkte und auch viel Gastronomisches. Die Stuttgarter Spiele werden von Kulturschock, „Verein für Kultur und Geschichtspflege“, begleitet. Vorstand Alexander Pusch bringt mit seinem Verein Leben für die Zuschauer mit. Es gibt einen Markt, schottische Spezialitäten, Tänze, Musik und einen Schäfer, der mit seinem Border Collie vorführt, was so ein Hütehund alles draufhat. „Und am Abend spielt dann noch die Celtic Folk Band“, sagt Alexander Pusch.

Dem Programm kann sich Petra Müller nur anschließen. „Das Schöne bei uns ist, dass wir Sport mit Geselligkeit verbinden“, sagt sie. Da ist auch kein Zaun zwischen Sportlern und Athleten. Ein bisschen Abstand wäre aber hilfreich. Wie gesagt – hier wird sehr schweres Gerät bewegt.