Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank hat die Macht von Anshu Jain mit einem Umbau des Vorstands gestärkt. Auf der Hauptversammlung aber hagelt es Kritik. Im Zentrum steht die Frage nach der Verantwortung des ehemaligen Investmentbankers für folgenschwere Skandale.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank steht deren Co-Vorstandsvorsitzender Anshu Jain unter schwerem Beschuss. „Herr Jain: Sind Sie das Problem dieser Bank, die Lösung oder beides?“, schleuderte der Aktionärsschützer Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) dem gebürtigen Inder entgegen.

 

Jain hatte bis 2012, als er gemeinsam mit Jürgen Fitschen an die Vorstandsspitze rückte, das Investmentbanking geleitet. Dort hatten viele der Skandale, die in den vergangenen Jahren milliardenschwere Strafzahlungen nach sich zogen, ihren Ausgang genommen. Kienle verwies auf Berichte, nach denen Jain in seiner früheren Funktion Warnungen eines Risikomanagers ignorierte, der ihn frühzeitig auf Unstimmigkeiten hingewiesen haben soll. Diese Vorwürfe „lassen bei uns Zweifel an Ihrer Eignung aufkommen“, sagte der Aktionärsschützer. Wenn Jain auf diese Vorwürfe keine überzeugende Antwort gebe, werde die SdK gegen die Entlastung des Vorstands stimmen.

Die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) hatte schon vor der Hauptversammlung angekündigt, dem Führungsduo Jain und Fitschen die Entlastung zu verweigern. Ihr Vizepräsident Klaus Nieding kritisierte mit Blick auf die rund drei Milliarden Euro, die allein der Skandal um Zinsmanipulationen die Bank gekostet hat: „Wir Aktionäre zahlen jetzt alle die Zeche für die Kasino-Zockerei unserer Investmentbanker in der Vergangenheit.“ Nur wenn es Jain und Fitschen gelinge, “auch als Deutsche Bank mit deutschen Tugenden im internationalen Investmentbanking erfolgreich zu sein, erst dann haben Sie den Kulturwandel geschafft“, sagte Nieding.

Vertreter großer Fondsgesellschaften lehnen Entlastung des Vorstands ab

Gravierender als die Kritik der Aktionärsschützer ist für die Doppelspitze der Umstand, dass auch Vertreter großer Fondsgesellschaften eine Entlastung des Vorstands ablehnen. Dazu gehört Ingo Speich, der auf der Hauptversammlung die Anleger von Union Investment – die Fondsgesellschaft der Genossenschaftsbanken – vertritt. Nach seinen Berechnungen musste die Deutsche Bank in den vergangenen drei Jahren fast neun Milliarden Euro für Rechtsstreitigkeiten und Strafzahlungen aufwenden. „Das ist bereits mehr, als die große Kapitalerhöhung im Mai 2014 eingebracht hatte!“, schimpfte Speich.

Hans-Christoph Hirt vom Investorenberater Hermes, der 40 Pensionsfonds aus der ganzen Welt vertritt, will ebenfalls gegen die Entlastung des Vorstands stimmen: „Für uns ist ein Punkt erreicht, an dem es für den Vorstand nicht mehr ausreicht zu sagen: ‚Es tut uns leid‘.“ Er forderte „Veränderungen im Vorstand, die über das Stühlerücken von gestern Abend hinausgehen“

Hirt bezog sich auf eine Personalrochade, die der Aufsichtsrat in der Nacht zum Donnerstag beschlossen hatte. Sie stärkt die Position des umstrittenen Vorstandsvorsitzenden Jain : Während Co-Chef Jürgen Fitschen keine neue Zuständigkeiten erhält, übernimmt Jain die Verantwortung für die strategische Ausrichtung der Deutschen Bank. Sein Vorstandskollege Stefan Krause muss dieses Portfolio nach nur sechs Monaten wieder abgeben, er soll sich künftig um die Abspaltung der Tochtergesellschaft Postbank kümmern. Daneben nimmt er Jain und Fitschen einige andere Aufgaben ab.

Achleitner verbittet sich „Richtungsdiskussionen“

Anlass für den Vorstandsumbau war der Abgang des langjährigen Chefs der Privatkundensparte, Rainer Neske. Er hatte sich vergeblich dagegen gewehrt, die Deutsche-Bank-Tochter Postbank zu verkaufen oder an die Börse zu bringen und zog nun Konsequenzen aus seiner Niederlage in der Strategiedebatte. Achleitner machte deutlich, dass er die Diskussion über die Neuausrichtung der Deutschen Bank damit endgültig als beendet betrachtet: „Auch wenn manche über Phantomschmerzen zu verfügen scheinen: Richtungsdiskussionen gehören der Vergangenheit an“, sagte der Aufsichtsratschef.

Jain zollte Neske „Respekt und Anerkennung“ für seine Arbeit. Neuer Chef der Privatkundensparte wird Christian Sewing, der erst zu Jahresbeginn in den Vorstand aufgerückt war und dort bereits für Rechtsfragen zuständig ist. Auf der Hauptversammlung wurde außerdem der neue Finanzvorstand Markus Schenck vorgestellt. Die Bank hatte bereits im Herbst angekündigt, dass Stefan Krause dieses Amt abgeben werde.

Zum Auftakt der Hauptversammlung übte sich die Führungsspitze in Selbstkritik. „Das öffentliche Bild der Deutschen Bank ist heute stark angeschlagen und beschädigt“, sagte Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Jain zeigte sich mit Blick auf die hohen Rechtskosten „entsetzt“ darüber, dass „das Verhalten Einzelner“ der Bank derart geschadet habe. Diese Äußerung löste bei Aktionärsvertretern beißenden Spott aus: „Sie bedauern, aber wir bezahlen“, sagte Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutioneller Privatanleger. Offenbar habe Jain in seiner früheren Funktion als Chef des Investmentbankings von den Verfehlungen „nicht wissen wollen, nicht wissen sollen oder nicht wissen dürfen“.