Die angekündigte Personalreduzierung bestimmt die Debatte in der Stuttgarter Liederhalle – und auch davor. Dort demonstrieren mehr als 700 Beschäftigte von WMF gegen den drohenden Jobverlust.

Stuttgart - Man kann sich wahrlich Schöneres vorstellen, als bei 26 Grad und praller Sonne im schwarzen T-Shirt auf dem aufgeheizten Asphalt des Berliner Platzes zu liegen. Mehr als 150 Beschäftigte des Küchenausstatters WMF haben sich das Fleckchen vor der Stuttgarter Liederhalle am Donnerstag nicht etwa zum Sonnenbaden ausgesucht, sondern um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. „KKR geht über Leichen“, steht auf einem der Transparente, die über die Demonstranten gehalten werden. Die US-Investmentgesellschaft, seit vergangenem Jahr Mehrheitsaktionär der WMF, wird für den angekündigten Wegfall von bis zu 600 Stellen verantwortlich macht. Diese Zahl setzt sich aus der angekündigten Zusammenlegung von Logistikstandorten, Kosteneinsparungen in der Verwaltung sowie der Schließung der Galvanik in Geislingen zusammen. „2013 noch Fabrik des Jahres – 2015 arbeitslos“, steht auf einem anderen Schild.

 

Insgesamt sind dem Aufruf der IG-Metall, den Teilnehmern der Hauptversammlung einen lautstarken Empfang zu bereiten, mehr als 700 Beschäftigte gefolgt. Sie kamen nicht nur vom Stammsitz des 160 Jahre alten Unternehmens in Geislingen (Kreis Göppingen), wo der Gewerkschaft zufolge allein bis zu 400 der bedrohten Stellen wegfallen könnten. Auch bei den WMF-Töchtern Kaiser (Backformen) in Diez an der Lahn und Silit (Kochtöpfe) in Riedlingen bei Ulm haben sich am Donnerstagmorgen Busse in Richtung Stuttgart in Bewegung gesetzt. Auch die dortigen Beschäftigten werden von den Umstrukturierungen betroffen sein. Verhandlungen zwischen Vorstand und Arbeitnehmervertretern sind gerade erst angelaufen, vieles ist noch ungewiss.

Selbst die ‚Perle des Konzerns’ verschont Feld nicht

„Uns wurde mitgeteilt, dass von 180 Mitarbeitern in Diez 80 bis 110 betroffen sind“, sagt Kaiser-Betriebsrat Jürgen Bühn. Mit dem neuen Vorstandschef Peter Feld geht er hart ins Gericht: „Er hat uns selbst als ‚Perle des Konzerns’ bezeichnet, trotzdem scheut er sich nicht davor, uns kaputt zu machen.“ Bühn arbeitet wie viele seiner Kollegen seit mehr als zwei Jahrzehnten für das Unternehmen. Eine Aktion wie die am Donnerstagvormittag hat er in dieser Zeit noch nicht erlebt: „Uns ging es immer gut.“ Daran habe sich auch nichts geändert, sagt der IG-Metall-Vertreter Martin Purschke. Die WMF erwirtschafte seit Jahren Rekordumsätze und satte Gewinne. In der neuen Strategie des Unternehmens vermisst der Gewerkschaftsvertreter eines komplett: „Investitionen in den Erhalt der Arbeitsplätze.“

Angesichts der großen Präsenz der Belegschaft vor der Tür, räumen die Vertreter der Konzernführung dem Arbeitsplatzabbau mehr Raum ein als ursprünglich vorgesehen. „Die Schicksale unserer Arbeitnehmer sind uns selbstverständlich nicht gleichgültig“, sagt Aufsichtsratschef Johannes Huth, der vom Eigentümer KKR in das Gremium entsandt ist. Den anstehenden Entscheidungen würden „intensivste Diskussionen“ vorausgehen, verspricht er den anwesenden Aktionären, die sich mitnichten nur für die auf 50 Cent halbierte Dividende interessieren, sondern auch für die Sorgen und Ängste der Belegschaft.

Der Vorstandschef äußert Bedauern für die Mitarbeiter

Auch Vorstandschef Peter Feld richtet seine ersten Sätze an die Mitarbeiter: „Ich bin mir sehr bewusst über die gravierenden Auswirkungen für Sie und ihre Familien.“ Die geplanten Maßnahmen seien vor dem Hintergrund der vergangenen Erfolge schwer zu verstehen, räumt er ein. Die „harten Einschnitte an allen Standorten“ seien zwar „überaus bedauerlich“, aber „gerade heute notwendig“, wo es dem Unternehmen gut gehe. „Es ist unsere Aufgabe, die WMF für den Weltmarkt fit zu machen.“ Dafür fordere das Umbauprogramm mit dem Namen „Jump“ dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern sehr viel ab.

Es sind Sätze wie diese, die in Aktionärskreisen eigentlich mit Wohlwollen vernommen werden müssten, schließlich geht es dort zuerst um Kurse und Dividenden. Doch die Vertreter der Kleinaktionäre, die bei der WMF lediglich gut drei Prozent des Stammkapitals halten, setzen die Personaldebatte fort: „Ich warne davor, dass sie keinen Stein auf dem anderen lassen. Sparen ist kein Geschäftsmodell“, sagt Hardy Hamann von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) an die Adresse von Peter Feld gerichtet: „Sie haben keinen Scherbenhaufen angetroffen und sie sollen keinen hinterlassen.“ Sein Kollege Michael Ruoff von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK) stimmt zu: „Wir Aktionäre haben Verständnis für den Protest.“ Applaus im Saal; auch für die Frage vom Aktionär Dietrich Kurz an den Vorstand: „Wie wollen sie in Zukunft wachsen, wenn sie heute ihre Fachkräfte abbauen?“