Er tritt voll aufs Gaspedal, sie ist die amtierende Miss Tuning: Das oberschwäbische Model Leonie Hagmeyer-Reyinger und der Sport-1-Autoexperte Sidney Hoffmann sind das Traumpaar der PS-Szene. Wir haben die beiden besucht.

Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Schlier - Die Essen Motor Show ist laut Eigenwerbung „Europas Tuning-Messe Nummer 1“. Das bedeutet: 350.000 Besucher verstopfen in den kommenden zehn Tagen die 18 Hallen; 500 Aussteller zeigen, wie man Serienfahrzeuge breiter, tiefer und schneller macht.

 

Drei Beispiele aus der württembergischen Wirtschaft: der Leonberger Porsche-Veredler Techart präsentiert seine Interpretation des neuen 911 Turbo – „Seitenschweller, Scheinwerferblenden, Sportendrohre und Formula-IV-Leichtmetallräder schärfen den Charakter“. Die KW Automotive GmbH aus Fichtenberg bei Schwäbisch Hall stellt ihre „App-gesteuerte Airsuspension für Fahrzeuge mit Serienluftfahrwerken“ vor. Der Stuttgarter Weltkonzern Mercedes-Benz lockt das Publikum mit dem „spektakulären Design der CLA 45 AMG Racing Series: Die Frontschürze mit großen Kühlluftöffnungen und Frontsplitter sorgt ebenso für zusätzlichen Abtrieb wie der Diffusor mit drei Finnen und der verstellbare Heckflügel“.

Und zwischen all diesen automobilen Sensationen tummelt sich das Traumpaar der Szene: Miss Tuning und der PS-Profi.

Vergangenen Sonntag im oberschwäbischen Wetzisreute: die frisch Verliebten kommen auf leisen Sohlen ins Wohnzimmer, plüschige Partnerlook-Hausschuhe vom Ravensburger Martinimarkt wärmen ihre Füße. Leonie und Sidney nehmen auf dem Ledersofa Platz, vor ihnen flackert das Feuer im Kaminofen, hinter ihnen ziert ein aus Bodenseeschwemmholz geformtes Herz die Wand, auf dem Parkett schlummert Haushund Rudi. Das passende Ambiente, um eine Romanze zu erzählen.

Erste Begegnung im VW-Autohaus

Sie beginnt im Sommer bei der Vorstellung des neuen Golf GTI im VW-Autohauses Rittersbacher in Kaiserslautern. Als Stargäste treten auf: Leonie Hagmeyer-Reyinger, 21, amtierende Miss Tuning und angehende Großhandelskauffrau aus Schlier-Wetzisreute, sowie Sidney Hoffmann, 34, Inhaber der Tuningfirma Sidney Industries mit Sitz in Dortmund-Wambel und Protagonist der Fernsehsendung „Die PS-Profis“. Sie wird in dem männlich dominierten Golf-GTI-Milieu wegen ihrer Maße (90-67-92) verehrt, er wegen seines Images (kompetent, cool, lustig). Beide schreiben Autogramme und lassen sich mit Fans fotografieren. Klick, klick, klick. Der Nächste bitte.

Leonie Hagmeyer-Reyinger hat zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas von Sidney Hoffmann gehört. Sie schaut nicht viel fern und schon gar nicht Sport 1. Sie weiß nicht, dass Sidney vor sechs Jahren mit seinem damaligen Geschäftspartner Jean Pierre Kraemer in Dortmund eine Tuning-Werkstatt eröffnet hatte, die rasch zu einem der angesagtesten Autoaufmotzbetriebe der Republik aufstieg. 2009 erhielt das Duo Hoffmann/Kraemer vom damaligen Sender DSF den Auftrag, ein Fahrzeug für ein Rennen vorzubereiten und selbst zu steuern. Die beiden Ruhrpott-Schrauber erledigten diesen Job so fachkundig, rasant und schlagfertig, dass ihnen eine eigene Doku-Serie angeboten wurde. Seither suchen Sidney und Jean-Pierre im Auftrag von Sport-1-Zuschauern nach Gebrauchtwagen. Bis heute wurden 74 Folgen von „Die PS-Profis – Mehr Power aus dem Pott“ gesendet. Eine Erfolgsstory.

Sidney Hoffmann ist ein lässiger Kerl mit Super plus im Blut. Seit seiner Jugend macht er sich an Motoren die Finger ölig, und die Mädels wollten schon seine Beifahrerinnen sein, als er noch auf einem frisierten Moped durch Dortmund knatterte. Heutzutage brettert der unrasierte Selfmademan im selbst getunten 400-PS-Volkswagen auf der Überholspur, versteckt seine graue Mähne unter Baseballkappen aus seiner eigenen Modekollektion, trifft sich mit Smudo von den Fantastischen Vier geschwind mal zu einem Männerwochenende und ist auf Rennstrecken und Autotreffen ständig von Frauen mit plakativem Minirock-Sexappeal umgeben. Die meisten Grid-Girls und Messehostessen, erzählt Sidney, kämen dem Klischee nahe – hübsch, aber selten helle. Doch nun hat er die Ausnahme vom Stereotyp entdeckt: eine schlaue Schönheit aus Wetzisreute.

Die schlaue Schönheit aus Wetzisreute

Leonie wird am 15. Januar 1992 in Esslingen geboren. Als sie fünf ist, trennen sich die Eltern. Die Mutter, eine Erzieherin, zieht mit den drei Töchtern ins Oberschwäbische zum neuen Lebenspartner. Leonie besucht zeitweise eine katholische Mädchenschule und beginnt nach der Fachhochschulreife eine Ausbildung bei Thyssen-Krupp in Ravensburg.

Nebenher zeigt sie öffentlich ihren Liebreiz. Mit 16 macht sie bei einer Modenschau des Ravensburger Einzelhandels mit. Später meldet sich ein Profifotograf und fragt, ob er sie im herbstlich verfärbten Wald ablichten dürfe. 2009 steht Leonie bei der Wahl zur Miss Oberschwaben auf der Bühne. Sie wird Dritte, bewirbt sich erneut und holt am 8. September 2012 in Rot an der Rot in einem blauen Bikini den Titel. Acht Monate später der bisherige Karrierehöhepunkt: Beim Branchentreffen in Friedrichshafen wird sie zur Miss Tuning 2013 gekürt. „Über 500 Bewerbungen und am Ende ein spannendes Finale“, berichtet „Autobild“. „Leonie Hagmeyer-Reyinger ließ ihrem Jubel freien Lauf. Augenblicke später bekam die attraktive Blondine die Schärpe der Siegerin übergestreift und das passende Krönchen aufgesetzt.“

Im Vorgarten hängt ihr Stiefvater weihnachtliche Leuchtgirlanden in kahle Bäume, Leonie sitzt im warmen Wohnzimmer. Sie soll erklären, warum sie, ein Mädchen aus gutem Hause, sich im Sommer halbnackt für einen Tuning-Kalender fotografieren ließ. Leonie blickt auf ihre langen, rot lackierten Fingernägel, geistreich findet sie die Frage offenbar nicht. Ihr Blick sagt: Darf man mit Anfang 20 nicht einfach tun, was einem Spaß macht, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen? „Als Miss Tuning mache ich Erfahrungen, die ich sonst nicht machen würde“, antwortet sie schließlich diplomatisch. „Ich komme rum und lerne viele interessante Menschen kennen.“

Unterhaltsames Geschlechterspiel

In den vergangenen Monaten drehte sich Leonie mit dem Kunstflieger Matthias Dolderer am Himmel, wurde vom Starfotografen Max Seam in Budapest in Szene gesetzt, erhielt Hunderte Komplimente auf ihrer Facebook-Fanseite. Sie lernte Sidney kennen, und sie kam ins Fernsehen.

Im September schickte Sidney Hoffmann seinen TV-Partner Jean-Pierre Kraemer in den Urlaub und holte Miss Tuning für eine Folge der „PS-Profis“ an seine Seite. Für Sport-1-Zuschauer Matthias suchte das Paar nach einem „einzigartigen Fahrzeug für maximal 3000 Euro, möglichst ohne Rost“. Die Episode wurde bereits fünfmal wiederholt und gehört damit zu den meist gesehenen in der vierjährigen Historie der Doku-Serie. Ihr Unterhaltungswert basiert auf dem Geschlechterspiel zwischen dem Fachmann Sidney und seiner weiblichen Aushilfskraft Leonie. Als das Duo einen gelben VW Lupo testet – Baujahr 99, 198 000 Kilometer, zehn Vorbesitzer – flötet sie: „Ein Biene-Maja-Auto, voll süß“, er diagnostiziert: „Die Radlager sind ja so was von am Arsch.“

Aus Sicht von Toyota-Prius-Fahrern und Alice-Schwarzer-Sympathisantinnen stehen Sidney Hoffmann und Leonie Hagmeyer-Reyinger für das böse Gestrige. Er tritt voll aufs Gaspedal statt über Kohlendioxidemissionen zu sinnieren. Sie degradiert sich zum Sexualobjekt, das der triebgesteuerten Männerwelt suggeriert: Wenn du eine starke Karre fährst, bekommst du eine heiße Braut wie mich.

Das Kind im Manne

Frau Reyinger, was halten Sie von Ihrem PS-süchtigen Schwiegersohn in spe und davon, dass sich Ihre Tochter freiwillig der Fleischbeschau aussetzt? „Ich mische mich in das Leben meiner Kinder nicht ein, solange ich das Gefühl habe, dass sie mit dem, was sie tun, glücklich sind“, antwortet Leonies Mutter. Ihre Tochter sei früher recht schüchtern gewesen, deswegen habe sie sich gewundert, dass sie plötzlich an Misswahlen teilnahm: „Aber durch ihre Erfolge ist sie selbstsicherer geworden.“

Auf geht’s in die Pizzeria. Leonie setzt sich hinters Sportlenkrad eines schwarz-roten Škoda, der ihr während der einjährigen Miss-Tuning-Amtszeit als kostenloser Dienstwagen zur Verfügung steht, und düst auf der Ideallinie zum Schlierer Dorfplatz. Im La Fermata Due ist selbst zur Mittagszeit tote Hose, kein Wunder, dass Leonie anderswo nach aufregenden Abenteuern sucht. „Was darf’s sein?“, fragt der Kellner. Sie bestellt eine Cola light und Penne all‘arrabbiata. Er sagt: „Ich nehm dasselbe.“

Sie trennen 13 Lebensjahre, aber das ist für eine harmonische Beziehung völlig unerheblich. Erstens fühlt sich Sidney viel jünger als 34, denn er hat sich durch seine Leidenschaft für Spielzeuge mit Alufelgen und Turboladern das Kind im Manne bewahrt. Und zweitens kann er, der erfahrene Unternehmer, seine Freundin fördern. Nach dem gemeinsamen Auftritt bei den „PS-Profis“ wird sie nun Kleidungsstücke für die Sidney-Industries-Modekollektion entwerfen. „Leonie ist hübsch, hat einen eigenen Charakter, gute Ideen und bleibt vor der Kamera locker“, sagt Sidney. Wer wüsste besser als er, dass mit solchen Eigenschaften viel möglich ist, wenn der Zufall etwas mithilft? Hätte sich Sidney nicht während des Sportstudiums an der Uni Bochum das Knie zerdeppert, wäre er nie auf den Gedanken gekommen, eine Tuning-Werkstatt zu eröffnen. Und er wäre nicht fürs Fernsehen entdeckt worden.

Stargäste auf der Essen Motor Show

Wie sieht sie selbst ihre Zukunft? „Realistisch“, sagt Leonie. Erst mal die Ausbildung zur Großhandelskauffrau abschließen, nebenher ein wenig modeln. Auf dem Laufsteg seien ihre Chancen zwar nicht so toll: „Ich bin nicht megaschlank und ein paar Zentimeter zu klein. Aber für eine Dessousmarke oder als Mädchen-von-nebenan-Typ für eine Krankenkasse könnte ich Werbung machen.“ Was, wenn der „Playboy“ anruft? „Das würde ich mir gut überlegen.“ Vielleicht lieber BWL studieren, anstatt für ein Männermagazin zu posieren.

Doch wozu sich den Kopf zerbrechen, meistens kommt’s ja eh anders, als man denkt. Im Hier und Jetzt zu leben ist der Schlüssel zu einer erfüllten Existenz. Gegenwärtig sind Sidney Hoffmann und Leonie Hagmeyer-Reyinger Stargäste auf der Essen Motor Show. Der PS-Profi lädt seine Fans am heutigen Samstag in die Halle 10 ein, wo der „brandneue Hankook Ventus V12 evo²“ präsentiert wird, „ein besonders leistungsfähiger Breitreifen mit sportlicher Performance“. Miss Tuning wirbt in Halle 3 für einen Škoda „mit wuchtigen 19-Zoll-Rädern, Spoiler, kraftvoll gestaltetem Lufteinlass in der Schürze, integrierten Auspuff-Endrohren, massiven Schwellern sowie umlaufendem Carbon-Rahmen“. Es wird gewiss wieder ein Fest der Autoliebe.